Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 13

ZAHNMEDIZIN | 53 2009]. In der Planung dieser Versuche sind stets die drei Rs zu beachten: Replace, Reduce, Refine. Das bedeutet, Tierversuche, wo möglich, durch Zellkultur oder Computersimulation zu ersetzen, die Anzahl der Versuchstiere zu reduzieren und die Methoden kontinuierlich zu verbessern [Ohlsson et al., 2022; Russell und Burch, 1992]. Der Dentinbarrieretest (ISO-7405 Annex B), wurde entwickelt, um den Einsatz von Tierversuchen zu senken und den Pulpa-Dentin-Komplex in vitro realistisch nachbilden zu können. Hier wird ein spezielles Zellkulturgefäß durch eine Scheibe aus humanem oder bovinem Dentin in zwei Kammern geteilt. In der unteren Kammer werden Zellen einschichtig oder mittels eines Netzes aus Polyamid als dreidimensionale Kultur gezüchtet. Perfusionspumpen sorgen für den steten Austausch von Zellkulturmedium. Im oberen Teil des Gefäßes können die Testmaterialien eingebracht werden. Die gesamte Einheit wird auf einer beheizten Plattform inkubiert (Abbildung 8). Da die Testanordnung vergleichsweise aufwendig ist, wird vielerorts an einer Weiterentwicklung des Dentinbarrieretests geforscht [Caldas et al., 2022; Imazato et al., 2000]. So wurden beispielsweise Pulp-on-a-chip-Anwendungen erarbeitet, die sogar um Biofilm erweitert worden sind [Rodrigues et al., 2021]. Auch 3-D-Organoid-Kulturen, die Pulpa im Reagenzglas, werden vereinzelt untersucht [Jeong et al., 2020]. Bisher wurde jedoch noch kein System etabliert, das in Kombination mit Standard-Zellkulturgeräten einfach, günstig und in hoher Replikationszahl verwendet werden kann. Bedeutung für die Pulpa Da sowohl In-vitro-Tests zur Zelltoxizität als auch Tierversuche Limitationen haben und nicht direkt auf die tatsächliche Situation übertragbar sind, müssen Ergebnisse verschiedener Tests im Sinne der Risikobewertung beurteilt werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass im weitesten Sinne toxische Reaktionen dosisabhängig verlaufen und dass Dentin eine Diffusionsbarriere darstellt [Schmalz et al., 2001]. Die Restdentinstärke ist hierbei relevant. Auch die indirekt toxische Wirkung eizm114 Nr. 13, 01.07.2024, (1135) Abb. 6: Extrakttest (ISO 10993-5): Aus Prüfkörpern werden Inhaltsstoffe extrahiert, wobei ein standardisiertes Verhältnis von Oberfläche zu Eluent (Extraktionsmittel) verwendet wird. Als Extraktionsmittel kann beispielsweise Zellkulturmedium mit Serum oder Kochsalzlösung dienen. Anschließend werden die Zellen mit verschiedenen Konzentrationen der Extrakte inkubiert und die Zellviabilität (Anteil lebender Zellen) wird bestimmt. Foto: Ella Ohlsson Abb. 7: Pulpa-Dentin-Anwendungstest (ISO-7405 6.4): In diesem Test werden an Zähnen von Versuchstieren Kavitäten präpariert, die eine Restdentindicke zur Pulpa von weniger als 1,0 oder 0,5 mm aufweisen sollen. Die Einschätzung der Restdentinstärke stellt dabei natürlich eine Schwierigkeit dar. Anschließend werden Füllungen mit den zu testenden Materialien gelegt. Dies ermöglicht auch die Testung physikalischer Parameter wie der Polymerisationstemperatur. Nach einer Woche, einem Monat oder 2,5 Monaten wird das Tier geopfert und nach einer histologischen Aufbereitung wird der Entzündungsgrad der Pulpa beurteilt. Dies geschieht beispielsweise durch den Nachweis einer veränderten Gewebestruktur, der Bildung von Abszessen oder der Infiltration von Entzündungszellen. Foto: Ella Ohlsson Abb. 8: Die In vitro-Pulpakammer des Dentinbarrieretests (ISO-7405 Annex B): Eine Dentinbarriere trennt eine obere Kammer (Materialseite) von einer unteren Kammer (Pulpaseite), in der Zellen kultiviert werden. Auch die Kultur von Zellen direkt auf der Dentinscheibe wird in der ISO-Norm beschrieben. Foto: Ella Ohlsson

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