Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 13

54 | ZAHNMEDIZIN niger Komposite durch die Stimulation des Bakterienwachstums zwischen Werkstoff und Kavitätenboden und der erhöhten Anfälligkeit der Pulpa für bakterielle Toxine muss betrachtet werden [Bergenholtz, 2000; Schmalz und Arenholt-Bindslev, 2009]. Schutz der Pulpa Von der European Society of Endodontology (ESE) werden in tiefen Kavitäten spezielle Maßnahmen zum Schutz der Pulpa empfohlen [Bjørndal et al., 2019]. Obwohl die Datenlage begrenzt ist [Schwendicke et al., 2015], erscheint in tiefen Kavitäten eine mechanische Barriere zwischen Kavitätenboden und dem Komposit sinnvoll. Auf dem Markt gibt es viele Materialien, deren Hersteller behaupten, dass sie biokompatibel oder sogar bioaktiv und für diesen Zweck geeignet seien. Der Begriff „Bioaktivität" ist bisher nicht geschützt und die FDI warnt vor der Verwendung dieses Begriffs als Marketinginstrument [Schmalz et al., 2023]. Historisch gesehen wurden Kalziumhydroxid-Suspensionen für die sogenannte indirekte Überkappung empfohlen. Studien zeigen zwar, dass Kalziumhydroxidpräparate einen geringfügig positiven Effekt haben [Franzon et al., 2007], sie sich aber in ihrer Wirksamkeit unterscheiden. Aushärtende Materialien (Pasten-Pasten-Systeme oder auch lichthärtend), stellen weniger oder sogar kein freies Kalziumhydroxid zur Verfügung [Arandi, 2017]. Kalziumhydroxid-Suspensionen sind jedoch schwierig in der Handhabung und es bedarf eines Abdeckungsmaterials, um anschließend adäquat eine Füllung legen zu können. Dabei darf das Abdeckungsmaterial nicht mit dem pH-Wert des Kalziumhydroxids interferieren. In den letzten Jahren werden zunehmend hydraulische Trikalziumsilikatzemente wie MTA oder Biodentine nicht nur zur direkten Überkappung, sondern auch für die indirekte Überkappung empfohlen [Faraco und Holland, 2001; Nair, 2019; Petrou et al., 2014]. Auch in dem Fall, dass eine klinisch nicht diagnostizierbare Pulpaeröffnung vorliegt, bieten diese Materialien Vorteile. Hier sind die Kosten natürlich ein einschränkender Faktor. Zahlreiche klinische Studien bestätigen jedoch, dass die Qualität des Verbunds zwischen Restaurationsmaterialien und Zahnhartsubstanz einer der wichtigsten Faktoren für den Erfolg einer indirekten Pulpaüberkappung ist. So sollte eine Unterfüllung nie die Suffizienz der Füllung herabsetzen und eine Bakterienpenetration erlauben [Bergenholtz, 2000; Kuzmanovic-Radman et al., 2014]. Was ist nun die klinische Konsequenz? In flachen und mittleren Kavitäten steht die Vermeidung von bakterieller Penetration zwischen Werkstoff und Kavitätenboden durch strikte Anwendung der Adhäsiv-Technik und einer suffizienten Abdichtung im Vordergrund. Zelltoxische Schäden sind eher unwahrscheinlich. In tiefen Kavitäten hingegen sollte ein zusätzlicher Pulpaschutz erfolgen. Medizinprodukte-Gesetzgebung und Verantwortung des Zahnarztes Für die Marktzulassung ist der Hersteller verantwortlich. Er schreibt die Indikation und die Art der Anwendung in den Gebrauchsinformationen – auch gemäß ISO-Normen – vor. Die Verantwortung der Zahnärztin und des Zahnarztes ist, diesen Vorgaben strikt zu folgen. Bei Abweichung (sogenanntem Off-Label-Use) wird die gesamte Verantwortlichkeit auf den Behandelnden übertragen. Eine weitere Aufgabe des Zahnarztes oder der Zahnärztin ist die Meldung von materialbedingten Zwischenfällen und Unverträglichkeiten im Sinne der „Post-Market Surveillance“. Dabei geht man davon aus, dass auch bei der zurzeit besten verfügbaren und gewissenhaftesten präklinischen Prüfung es später bei großflächigem Einsatz an vielen Patienten zu Problemen kommen kann. Der Zahnarzt muss daher derartige Nebenwirkungen den zuständigen Stellen mitteilen – in Deutschland der Bundeszahnärztekammer. Fazit Aus Kompositen freigesetzte Substanzen können auf verschiedene Weise Pulpazellen schädigen. In flachen oder mitteltiefen Kavitäten beispielszm114 Nr. 13, 01.07.2024, (1136) Abb. 9: Rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen: A) Unbehandelte Pulpazellen, gewonnen aus extrahierten Weisheitszähnen, kultiviert auf Dentin. B) Zellen wurden durch eine Dentinbarriere von 0,2 mm einem experimentellen Komposit, 15 Prozent HEMA enthaltend, ausgesetzt. C) Morphologisch veränderte Zellen nach indirekter Exposition durch einen selbstadhäsiven Komposit. D) Morphologisch veränderte Zellen nach indirekter Exposition durch einen kunststoffmodifizierten Glasionomerzement. Foto: Ella Ohlsson

RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=