Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 13

66 | PRAXIS zm114 Nr. 13, 01.07.2024, (1148) in Baden-Württemberg. Der Zahnarzt ist stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für inklusive Zahnmedizin bei der Bundeszahnärztekammer (BZÄK) und Referent seiner Landeszahnärztekammer für inklusive Zahnmedizin. Beworben hat sich seine Praxis auf Anregung einer Mitarbeiterin des Sozialdienstes der Diakonie Stetten, berichtet Elsäßer. Die Ehrung bezeichnete er als „eine riesige Überraschung und eine tolle Bestätigung", vor allem, da die Jury ausschließlich mit Experten aus der Behindertenhilfe besetzt ist. Trotzdem sieht sich der Preisträger noch nicht am Ziel. „Es ist leider noch nicht alles so, wie es sein könnte“, sagt er. „Bleiben wir gemeinsam dran!“ Pragmatisch Barrieren abbauen Seit Mitte der 1995 versorgt der Zahnarzt mit seinem Team Patienten mit Behinderung. Ziel sei immer auch gewesen, gesundheitspolitische Verbesserungen anzustoßen: „Damals habe ich voller Idealismus und etwas blauäugig die Praxis in Stetten gegründet. Zu der Zeit waren die Begriffe Inklusion oder Teilhabe noch nicht in der politischen Diskussion. Auch eine UN-Behindertenrechtskonvention gab es nicht. Wir schauten einfach bei unseren Patienten, was geht, was geht nicht und wenn nicht, warum nicht.“ Über die Jahre entwickelte sich so ein komplexes Praxiskonzept: Nicht-behinderte Patienten sollten auf hohem Niveau behandelt, Patienten mit Behinderung im Wachzustand und gegebenenfalls in Narkose adäquat versorgt und später auch Patienten mit Pflegebedarf und Behinderung in den Wohneinrichtung aufsuchend betreuen werden. „Dafür sind gesamtheitliches und interdisziplinäres Denken sowie engagiertes Tun des gesamten Praxisteams notwendig, denn in der zahnärztlichen Betreuung von Menschen mit Behinderung sind nicht nur die Patienten selbst mit ihren sehr individuellen Bedarfen zu berücksichtigen, sondern auch deren gesamtes unterstützendes Umfeld, wie Angehörige, Heilerziehungspfleger, Pflegefachkräfte, rechtliche Betreuer, Ärzte und Therapeuten“, erklärt Elsäßer. LL ZUMPREIS Eine unabhängige Fachjury aus zwölf Expertinnen und Experten der Verbände von Menschen mit Behinderungen sowie aus Kommunen und Ländern, wählte die Preisträger weisungsfrei und anonymisiert aus. Die Bundesfachstelle Barrierefreiheit setzte das Verfahren dann im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales um. INITIATIVEN FÜR RISIKOGRUPPEN PRÄMIERT Elsäßer erhält Wrigley Prophylaxe Preis 2024 Mitte Juni wurde zum 30. Mal der Wrigley Prophylaxe Preis verliehen – einmal in der Kategorie „Wissenschaft“ und zweimal in der neugeschaffenen Kategorie „Praxis & Gesellschaft“. Unter den Preisträgern ist auch die Arbeitsgruppe um Dr. Guido Elsäßer. Elsäßers Praxis kooperiert seit vielen Jahren mit der Diakonie Stetten e. V., einer großen Einrichtung der Eingliederungshilfe in BadenWürttemberg, in der mehr als 1.500 Menschen aller Altersgruppen mit unterschiedlichsten Behinderungen leben. Viele Bewohner brauchen Unterstützung bei der Mund- und Zahnpflege, die jedoch auf die individuellen Bedürfnisse zugeschnitten sein muss. Zum Beispiel haben Personen mit Zerebralparesen häufig Schluckstörungen mit Aspirationsgefahr und brauchen besondere Hilfsmittel beim Zähneputzen. Bei Störungen aus dem AutismusSpektrum sind dagegen ritualisierte Abläufe wichtig. Für das Personal sind diese Besonderheiten oft eine Herausforderung, denn die pflegenden Berufsgruppen sind ebenso unterschiedlich wie die Bewohner. Vor dem Hintergrund gründeten Fachkräfte der Einrichtung und die kooperierende Zahnarztpraxis eine Arbeitsgruppe und legten einrichtungsinterne Mundpflegestandards fest. Diese basieren auf dem 2021 veröffentlichten Expertenstandard in der Pflege zur Förderung der Mundgesundheit und berücksichtigen außerdem die Besonderheiten einer Einrichtung für Menschen mit Behinderungen. Flankierend erarbeitete die Gruppe eine neue Schulungsstrategie mit hohem Praxisanteil, Arbeits- und Umsetzungshilfen, etwa Aufklärungsbögen in Leichter Sprache oder eine Checkliste für den Umgang mit abwehrendem Verhalten beim täglichen Zähneputzen. Das Konzept wurde mit dem zweiten Platz im Bereich Praxis & Gesellschaft prämiert, der mit 3.000 Euro dotiert ist. Zahnärztinnen und Zahnärzte sehen mehr als Zähne! Den Hauptpreis im Bereich Praxis & Gesellschaft, der mit 4.500 Euro dotiert ist, erhielt die Initiative „Zahnärztinnen und Zahnärzte sehen mehr als Zähne!“ von Prof. Bettina Pfleiderer, Leiterin der Arbeitsgruppe Cognition & Gender der Medizinischen Fakultät der Universität Münster, und ihr Team Dr. Jana Lauren Bregulla, Greta Heuel und Madeleine Stöhr. Die Initiative soll Zahnärztinnen, Zahnärzten und Studierenden der Zahnmedizin typische Anzeichen für „Dental Neglect“ vermitteln, damit sie das Thema angemessen ansprechen und ihre Handlungsmöglichkeiten kennen. „Dental Neglect“ kann als eine Form der häuslichen Gewalt gewertet wer-

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