Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 14

36 | ZAHNMEDIZIN der präoperativen DVT-Aufnahmen und der Intraoralscans wurden die Splinte für die Operation 3-D-gedruckt, nachdem die Zielokklusion festgelegt worden war. Der Oberkiefer wurde in der Le-Fort-I-Ebene osteotomiert und um 0,5 mm nach anterior und um 2,5 mm nach rechts verlagert. Durch die Kippung entstanden eine rechtsseitige dorsale Impaktierung um 1,5 mm und eine linksseitige Kaudalverlagerung um 1 mm. Der Unterkiefer wurde um 1 mm nach anterior verlagert, wobei es zu einer Schwenkung von 5 mm nach anterior links und um 2 mm nach posterior rechts kam (Abbildung 4). Sechs Wochen postoperativ begann eine adjuvante Behandlung mittels Physiotherapie und Lymphdrainage. Sechs Monate postoperativ erfolgte planmäßig die Entfernung der Osteosyntheseplatten. In diesem Rahmen wurde auf Wunsch der Patientin zusätzlich eine Augmentation der Oberund Unterlippe sowie der Nasolabialfalten mittels autologem Fett aus dem Bauchbereich vorgenommen. Zudem erfolgten eine Anhebung des linken Mundwinkels und eine Narbenreduktion am Hals mittels CO2-Laser. Die Abbildungen 5 und 6 verdeutlichen den klinischen Verlauf bei einer Nachsorgezeit von insgesamt zwei Jahren. Nach Abschluss der Korrektureingriffe berichtete die Patientin von einem harmonischeren Erscheinungsbild ihres Gesichts, was eine erhebliche Verbesserung ihrer Lebensqualität zur Folge hatte. Dieser Fallbericht zeigt die Bedeutung einer Herangehensweise, bei der sowohl medizinische als auch ästhetische Maßnahmen berücksichtigt werden. In der Kombination konnte nicht nur die funktionelle Wiederherstellung, sondern auch eine signifikante ästhetische Verbesserung erreicht werden. Diskussion Lippen-Kiefer-Gaumenspalten (LKGSpalten) gehören zu den häufigsten kongenitalen kraniofazialen Anomalien. In Europa beträgt die Prävalenz etwa 1,36 pro 1.000 Lebendgeburten [Mossey und Modell, 2012]. Die Inzidenz variiert global erheblich und zeigt signifikante ethnische und geografische Unterschiede [Dixon et al., 2011]. Geschlechtsspezifische Unterschiede sind evident: LKG-Spalten treten häufiger bei männlichen Neugeborenen auf, während isolierte Gaumenspalten bei weiblichen Neugeborenen dominieren. Wie im beschriebenen Fall treten Spaltenbildungen häufiger links- als rechtsseitig auf [Gundlach und Christina, 2006]. Die morphogenetischen Prozesse, die zur Bildung der kraniofazialen Strukturen führen, finden zwischen der vierten und der zwölften Woche der Embryogenese statt. In dieser Phase fusionieren die Maxillarwülste sowie die lateralen und die medialen Nasenwülste, um die Oberlippe und den Gaumen zu formen. Störungen in diesen komplexen Fusionsprozessen, bedingt durch genetische (unter 30 Prozent) oder umweltbedingte Faktoren (über 70 Prozent), können zur Bildung von LKG-Spalten führen [Stanier und Moore, 2004; Lauer et al., 2023]. Syndromale Formen wie das Van-derWoude-Syndrom oder das Pierre-Robin-Syndrom umfassen häufig isolierte Gaumenspalten als Teil des klinischen Bildes. Aufgrund der komplexen funktionellen und ästhetischen Herausforderungen, die durch LKG-Spalten entstehen, ist eine multidisziplinäre Therapie unerlässlich. Die Auswirkungen der Fehlbildung können unter anderem das ästhetische Erscheinungsbild, die Sprachentwicklung, die Kaufunktion, das Hörvermögen, die Nasenatmung und das psychosoziale Wohlbefinden beeinträchtigen. Die „American Cleft Palate-Craniofacial Association“ (ACPA) empfiehlt ein interdisziplinäres Behandlungsteam, das aus Chirurgen, Kieferorthopäden, Physiotherapeuten und Logopäden besteht. Bei Bedarf sollten zusätzlich weitere Fachrichtungen einbezogen werden, wie Hals-NasenOhren-Ärzte, Zahnärzte, Psychologen, Humangenetiker, Audiologen, Pädiater und Ernährungsberater [Jensen et al., 2023]. zm114 Nr. 14, 16.07.2024, (1210) Abb. 4a: Rekonstruktion des postoperativen DVTs Abb. 4b: Panoramaschichtaufnahme ein Jahr nach der Operation Fotos: Universitätsmedizin Mainz CME AUF ZM-ONLINE Bimaxilläre Umstellungsosteotomie bei spaltbedingter Kieferfehlstellung Für eine erfolgreich gelöste Fortbildung erhalten Sie zwei CME-Punkte der BZÄK/DGZMK.

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