Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 14

zm114 Nr. 14, 16.07.2024, (1238) 64 | ZAHNMEDIZIN den. Hinzu kommen starke Druckgradienten durch unfreiwilliges Pressen von Patienten als Reaktion auf anästhesiologische Medikamente im Rahmen der Narkoseführung. Dies kann zu Absprengungen, Kronenfrakturen oder sogar Avulsionen führen. Am häufigsten sind die Inzisiven von einer iatrogenen Verletzung betroffen, wobei die Frontzähne im linken Oberkiefer anfälliger sind als die Zähne in den übrigen Quadranten [Newland et al., 2007]. Eine Verletzung von Zähnen oder Implantaten wird durch verschiedene Risikofaktoren begünstigt. Anatomische Faktoren wie schlechte Sichtbarkeit des Hypopharynx, ein geringer thyromentaler Abstand oder eine kleine Mundöffnung können das Instrumentieren für den Behandler drastisch erschweren und erhöhen im Umkehrschluss das Risiko eines dentalen Traumas [Tiku et al., 2014]. Hinzu kommen Einflüsse wie die Erfahrung des Instrumentierenden oder Notfallsituationen [Gaudio et al., 2011]. Neben den anatomischen Gegebenheiten und Behandler-abhängigen Faktoren spielen der Umfang und die Qualität konservierender und prothetischer Restaurationen und vor allem die Pathologien Karies und Parodontitis eine Rolle bei der Risikoeinordnung. Der Altersgipfel von iatrogenen dentalen Schäden liegt zwischen 50 und 70 Jahren. Dies lässt sich vor allem dadurch erklären, dass der Zahnhalteapparat mit zunehmendem Alter schwächer wird, die meisten Patienten in diesem Alter aber noch weitgehend bezahnt sind. Großflächige Restaurationen können das Risiko einer Kronenfraktur signifikant erhöhen [Tan et al., 2018]. Der Verlust von Zahnhartsubstanz durch konservierende und prothetische Maßnahmen führt zu einer Schwächung der Zahnstruktur und macht die betroffenen Zähne anfälliger für Verletzungen [Bhuva et al., 2021]. Wie dieser Fall zeigt, sind auch Implantate und implantatgetragene Versorgungen potenziell gefährdet. Diese Faktoren zu kennen und zu identifizieren, kann das Risiko dentaler Traumata minimieren. Demzufolge sollte vor einem Eingriff im Bereich der Mundhöhle durch den Behandler immer eine klinische Inspektion und Anamnese mit Fokus auf die dentale Situation durchgeführt werden. Neben der ärztlich erhobenen Anamnese können dabei spezielle Fragebögen im Rahmen der Konsultation genutzt werden. Natürlich ist die Erhebung eines detaillierten Zahnstatus keine Aufgabe des behandelnden Arztes vor einer Intubation, Endoskopie oder Bronchoskopie, sondern sollte nach Möglichkeit durch zahnärztliche Kolleginnen und Kollegen durchgeführt werden. Durch die Entfernung von kariösen Läsionen, das Ersetzen von beschädigten Füllungen, die Befestigung gelockerter Kronen und die Entfernung von nicht erhaltungswürdigen sowie stark gelockerten Zähnen wird die Wahrscheinlichkeit eines Zahntraumas reduziert [Mullick et al., 2017]. Bei elektiven Eingriffen sollte dies im Vorfeld der geplanten Operation oder Maßnahme erfolgen. Kommt es im Rahmen eines medizinischen Eingriffs zum Verdacht auf ein dentales Trauma, sollte zunächst – falls möglich – der aktuelle Zahnstatus des Patienten mit dem zuvor erhobenen Befund verglichen werden. Bestätigt sich der Verdacht eines iatrogenen Traumas, spielt das richtige Management eine entscheidende Rolle zur Prävention weiterer gesundheitlicher Schäden. Gelockerte, gebrochene oder avulsierte Zähne sowie luxierte prothetische Versorgungen müssen umgehend identifiziert und geborgen werden. Hierzu können beispielsweise Pinzetten oder Magillzangen verwendet werden. Nicht selten kann es trotz rechtzeitiger Bemühungen des Behandlers zu einer Aspiration oder einer Fremdkörperingestion kommen. In diesem Fall ist eine erweiterte radiologische Diagnostik des Thorax angezeigt, um die Lokalisation genauer zu bestimmen und gegebenenfalls weitere Maßnahmen einzuleiten. Da nicht alle zahnärztlichen Werkstoffe röntgendicht sind muss in einzelnen Fällen über eine zeitnahe Bronchoskopie oder Ösophagoduodenoskopie (ÖGD) zur sicheren Identifizierung nachgedacht werden. Aspirierte Fremdkörper finden sich am häufigsten im rechten Hauptbronchus. Gründe hierfür sind neben einem steileren Abgang auch der größere Durchmesser des rechten Bronchialbaums [Kim et al., 2017]. Ein Großteil der aspirierten Fremdkörper kann durch eine Bronchoskopie geborgen werden. Sollte dies nicht gelingen, muss ein offener thoraxchirurgischer Eingriff erwogen werden. Je nach Beschaffenheit und Material kann auch ein konservatives Therapieregime mit regelmäßigen Kontrollen erfolgen [Cossellu et al., 2015]. Bei Ingestionen werden etwa 80 Prozent der Fremdkörper spontan abgesetzt. Sie passieren den Gastrointestinaltrakt in der Regel ohne Probleme. Daher gilt für kleinere (< 6 cm) und schmale (< 2 cm) Fremdkörper ein konservatives Regime als Mittel der Wahl [Eisen et al., 2002]. Bis der Fremdkörper abgesetzt wird, sollte eine regelmäßige Beobachtung des Stuhls erfolgen. Meist wird der Fremdkörper nach vier bis sechs Tagen ausgeschieden, in seltenen Fällen nach drei bis vier Wochen. Bei Anamnese mit Dysphagie oder bei spitzen Fremdkörpern kann eine ÖDG zur weiteren Diagnostik und Bergung des Fremdkörpers herangezogen werden, wobei eine Dysphagie auch noch Stunden nach Abgang des Fremdkörpers im Bereich des oberen Verdauungstraktes vorliegen kann. Chirurgische Interventionen sind bei Ingestion in der Regel nur bei Perforationen von Organen indiziert. n FAZIT FÜR DIE PRAXIS n Kariöse Läsionen, Parodontitis und insuffiziente Restaurationen erhöhen das Risiko eines iatrogenen dentalen Traumas. n Wenn notwendig sollte im Vorfeld eines Eingriffs eine zahnärztliche Statuserhebung und gegebenenfalls die Sanierung erfolgen. n Nach Aspiration oder Ingestion sollten weitere diagnostische Maßnahmen ergriffen und der Fremdkörper gegebenenfalls geborgen werden.

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