Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 14

ZAHNÄRZTLICHE MITTEILUNGEN | WWW.ZM-ONLINE.DE Fluorid-Umfrage Deutschlands Hochschullehrerinnen und -lehrer der Zahnmedizin sind sich einig: Fluoride sind in der Kariesprophylaxe nicht gleichwertig ersetzbar. SEITE 50 Iatrogene Implantatluxation Bei einer Panendoskopie kommt es zu einer Ösophagusperforation. Gleichzeitig wird ein offenbar gelockertes Implantat entfernt und ins Mediastinum verlagert. SEITE 62 Stimmungsbarometer der Zahnärzte Mehr als die Hälfte würde sich heute nicht mehr niederlassen, 70 Prozent denken sogar darüber nach, vorzeitig aus der Versorgung auszusteigen. SEITE 22 Praxis zu, Mund auf! AUSGABE 14 | 2024 zm 16.07.2024, Nr. 14

am 13. & 14. September in Düsseldorf Die minilu Academy live im minilu Wonderland: Geballte Fortbildung fürs gesamte Praxisteam Freitag, 13.09.24 Keynotes Uhrzeit Thema 09-10 Prophylaxe-Vortrag und MyLunos Demo mit Dürr Dental 10-11 Tipps zur PAR-Abrechnung mit Michaela Prins, Dental Angels 11-12 Mundhygiene mit Dr. Ralf Seltmann & TePe 12-13 Recruiting als Schlüssel zum Erfolg mit Maik Ganzer, Dentalfreund 13-14 Nachhaltigkeit in der Zahnarztpraxis mit Birgit Schlee 14-15 Dental Hygienist – Die Zukunft der Zahnmedizin mit Prof. Dr. Plugmann, SRH 15-16 Neues zum Thema Wurzelkaries mit Prof. Dr. Roland Frankenberger & GC 16-17 Auswege aus der Budgetierung mit Melanie Diwisch, Dental Angels 17-18 Social Media Marketing mit Ivoclar Samstag, 14.09.24 Keynotes Uhrzeit Thema 09-10 Dental Hygienist – Die Zukunft der Zahnmedizin mit Prof. Dr. Plugmann, SRH 10-11 Individualität und Einsatzbereiche der Handinstrumente mit Birgit Schlee & Young Innovations 11-12 Be your own Superhero mit Ali Mahlodji 12-13 Stressmanagement & Selbstfürsorge mit Nanni Glück & Ivoclar 13-14 Der Theken-Talk mit den Dental Angels 14-15 Aufstiegschancen als ZFA mit Sabrina Reitz 15-16 Prophylaxe-Vortrag und MyLunos Demo mit Dürr Dental Workshops Uhrzeit Thema 09-11 Notfallmanagement in der Zahnarztpraxis mit Dr. Kristina Gärtner 11-12 Bleaching Workshop mit Ivoclar 12-13 Tooth Gems – mehr Glitzer für dich mit Ivoclar 14-15 Fit in der Praxis und schmerzfrei durch de Praxisalltag mit Dr. Ben Baak 15-16 Bleaching Workshop mit Ivoclar 16-17 Tooth Gems – mehr Glitzer für dich mit Ivo 17-18 Bleaching Workshop mit Ivoclar Workshops Uhrzeit Thema 09-11 Notfallmanagement in der Zahnarztpraxis mit Dr. Kristina Gärtner 11-12 Kein Workshop – ab zur Main Stage! 12-13 Bleaching Workshop mit Ivoclar 13-14 Kein Workshop – ab zur Main Stage! 14-15 Bleaching Workshop mit Ivoclar 15-16 Tooth Gems – mehr Glitzer für dich mit Ivoclar Plätze ggf. begrenzt. Änderungen vorbehalten. ww.pink15.de/festival Bis zu 16 CME en oclar Ä ww Sicher dir jetzt vorteilhafte Gruppenrabatte! https://miniluswonderland.ticket.io/abc2gwdg/

EDITORIAL | 3 Druck im Kessel steht mit diesem Problem nicht allein da. Im Nachbarland Frankreich ist das Thema Gewalt gegen Gesundheitsberufe noch größer. Dort setzt man jetzt auf eine rigorose Strafverschärfung. In Fällen, in denen das Opfer durch einen Angriff mehr als acht Tage arbeitsunfähig wird, droht eine Strafe von fünf Jahren Haft und 75.000 Euro Geldbuße. Beleidigungen werden mit 7.500 Euro geahndet. Wie immer bei Strafanhebungen stellt sich natürlich die Frage nach der abschreckenden Wirkung. Gleichwohl ist dieses Strafmaß ein deutliches Zeichen, wie schwerwiegend ein Staat und die Gesellschaft bestimmte Straftaten einschätzt. Das könnte durchaus auch ein Vorbild für Deutschland sein. Dann gibt es diese Fälle in der Medizin und der Zahnmedizin, bei denen man sich wundert, dass sie überhaupt passieren können. Wir berichten über einen Fall, in dem bei einem betagten Patienten während einer Panendoskopie zur Abklärung einer Dysphagie die Speiseröhre perforiert wurde. Gleichzeitig hatte sich durch die Untersuchung offenbar ein Implantat gelöst und war durch die Perforation in das Mediastinum gewandert – was zu einer lebensbedrohlichen Situation führte. Schlussendlich ging aber alles gut aus. Viel Spaß bei der Lektüre Sascha Rudat Chefredakteur Bereits in der vorherigen Ausgabe haben wir über die Proteste der Zahnärzteschaft berichtet. Zwischenzeitlich haben die Proteste richtig Fahrt aufgenommen. Egal, ob in Tübingen, Koblenz oder Berlin – bei den dezentralen Protestveranstaltungen sind mehr Zahnärztinnen und Zahnärzte gekommen als die Veranstalter erwartet hatten. Das allein zeigt, wie groß das Bedürfnis ist, dem eigenen Unmut Luft zu machen. Wir haben mit einigen gesprochen, die zum ersten Mal auf einer Demo waren. Eine Zahnärztin, die in vorderster Reihe einen Demonstrationszug anführen sollte, erzählte, dass sie und ihr Nebenmann sich vor dem Start fragend angeschaut haben: „Haben wir überhaupt einen Schlachtruf?“ Das zeigt, dass derzeit eine Mobilisierung in der Fläche stattfindet, die bis vor Kurzem schwer vorstellbar war. Offenbar ist aber der Leidensdruck durch die aktuelle Gesundheitspolitik so gestiegen, dass man dagegen jetzt auf die Straße geht. Auffallend ist auch, dass das Medienecho durchgehend positiv war. Selbst die Boulevard-Presse, die sonst nicht gerade zurückhaltend ist, wenn es darum geht, Zahnarzt-Klischees aus der Mottenkiste zu holen, hat keine Stimmung gegen die Proteste gemacht. Möglicherweise lag es auch daran, dass vieler Orten nicht nur auf Protestkundgebungen und Demos gesetzt wurde, sondern dass man verschiedene Formate wie Podiumsrunden mit Politikern gewählt hat. Auffällig war dabei natürlich, dass es vor allem Politikerinnen und Politiker der jeweiligen Oppositionsparteien waren, die sich in den Dialog mit der Zahnärzteschaft begeben haben. Aber das liegt in der Natur der Sache. Nun nützen die schönsten und üppig besuchten Proteste nichts, wenn sie von den Adressaten nicht gehört werden. Aus dem BMG war wenig zu vernehmen, aber es ist davon auszugehen, dass man die zunehmende Mobilisierung der Zahnärzteschaft, der Ärzteschaft, der Apothekerinnen und Apotheker sowie der verschiedenen Assistenz- und Pflegeberufe sehr wohl registriert. Und wenn nicht in Berlin, dann auf jeden Fall in den Gesundheitsministerien der jeweiligen Länder. Dort kennt man auch die Nöte in den einzelnen Regionen meist besser als in Berlin. Zu diesem Bild passt das kürzlich durchgeführte KZBV-Stimmungsbarometer. Zwar halten 99 (!) Prozent der Befragten ihre Arbeit für nützlich und sinnvoll. Trotzdem würde sich mehr als die Hälfte nicht mehr niederlassen. Gar 70 Prozent denken darüber nach, vorzeitig aus dem Beruf auszusteigen. Bei diesen Zahlen sollten bei der Politik wirklich die Alarmglocken schrillen. Gewalt gegen Gesundheitspersonal ist seit einiger Zeit auch hierzulande ein immer größeres Thema. Die Angriffehaben zugenommen – auch wenn diese bei der Zahnärzteschaft glücklicherweise nicht so zahlreich sind wie bei anderen Berufsgruppen im Gesundheitswesen. Aber Deutschland Foto: Lopata/axentis

4 | INHALT 18 Süß, süßer, Süßstoff Zuckerersatz mit karieshemmender Wirkung? Xylit erhöht das Risiko für kardiale Ereignisse um 57 Prozent. 34 Umstellungsosteotomie bei spaltbedingter Kieferfehlstellung Eine Lippen-Kiefer-Gaumenspalte macht häufig Sekundärkorrekturen im jungen Erwachsenenalter nötig. MEINUNG 3 Editorial 6 Leitartikel 8 Leserforum POLITIK 14 Neues Gesetz verschärft Straftatbestand Frankreich bestraft Gewalt gegen Ärzte rigoros 22 Stimmungsbarometer der Zahnärzteschaft Schlechte Stimmung an der Basis 39 Verband medizinischer Fachberufe (vmf) Was tun, damit ZFA nicht von Pflegediensten abgeworben werden? 48 Hauptstadtkongress in Berlin Wie man mit immer weniger Ärzten immer mehr Patienten versorgt 56 Neue Roadmap für Gesundheitskompetenz Eine Schlüsselrolle haben die Heilberufe ZAHNMEDIZIN 16 Große Kohortenstudie in den USA Parodontitis mit erschreckend hohem Sterberisiko assoziiert 20 Aus der Wissenschaft Frühe parodontale Wundheilung nach Chlorhexidin-Spülungen 34 Der besondere Fall mit CME Bimaxilläre Umstellungsosteotomie bei spaltbedingter Kieferfehlstellung 42 Erste gemeinsame Jahrestagung von DGPro und DGZ Substanzschonung als gemeinsamer Nenner 50 Umfrage unter Deutschlands Hochschullehrerinnen und -lehrern der Zahnmedizin Fluoride sind nicht gleichwertig ersetzbar 62 Kleines Implantat – großes Problem Iatrogene Implantatluxation führt zu thoraxchirurgischem Eingriff Inhalt zm114 Nr. 14, 16.07.2024, (1178)

INHALT | 5 42 Der Natur abgeschaut Um die Adhäsion von Bakterien zu erschweren, soll die Oberflächenbeschichtung von Titanimplantaten der Blüte der fleischfressenden Kannenpflanze nachempfunden werden. TITELSTORY 24 Protesttag der Zahnärzteschaft 24 Laut werden gegen Bürokratie und Budgetierung 29 Interview MdB Christian Bartelt (FDP): „Das BMG sollte Fehler eingestehen und naheliegende Lösungen angehen“ PRAXIS 13 Fördergelder für Weiterbildung So bleiben Fachkräfte fit 66 Bundesgerichtshof zu ästhetischen Hautunterspritzungen Werbung für Schönheits-OPs mit Vorher-nachher-Fotos ist verboten MEDIZIN 18 Internationale Studie Xylit erhöht das Risiko für kardiale Ereignisse um 57 Prozent GESELLSCHAFT 32 Gesundheitskrise in den USA Sonst wird das Implantat halt wieder rausgedreht 40 Bericht der Weltgesundheitsorganisation „Tabak, Alkohol und verarbeitete Lebensmittel töten“ MARKT 68 Neuheiten RUBRIKEN 12 Ein Bild und seine Geschichte 46 News 59 Formular 60 Termine 67 Impressum 86 Zu guter Letzt Foto: zm-sth Titelfoto: zm-sth TITELSTORY 24 Praxis zu, Mund auf! Am 18. Juni 2024 protestierten in vielen Kammern und KZVen Zahnärztinnen, Zahnärzte und ihre Praxisteams gegen die aktuelle Gesundheitspolitik. zm114 Nr. 14, 16.07.2024, (1179)

Es ist schon erstaunlich, wie wir Menschen Probleme verdrängen können, die sich eigentlich mit großem Vorlauf ankündigen. Besonders eindrucksvoll zeigt sich das bei der demografischen Lage. Es ist nun schon mehr als ein halbes Jahrhundert her, dass Deutschland den „Pillenknick“ so radikal wie kaum ein anderes Land umgesetzt hat. Seit dieser Zeit bekommen Frauen bei uns mit großer Konstanz nur noch 1,43 ± 0,14 Kinder. Das Wort „Konstanz“ bezieht sich dabei aber leider nicht auf den Bevölkerungsstand, weil Kinder, die in der Vergangenheit nicht geboren wurden, heute nicht Eltern sein können. Logisch, dass sich die Entwicklung der „Einheimischen“ damit in einem immer schnelleren Abwärtsstrudel befindet. Corona hat die Lage nicht verschärft, sondern nur offenkundig gemacht. Viele haben nämlich im Zeichen der anfänglichen Perspektivlosigkeit gerade in den Niedriglohn-Sektoren ihre Lebensplanung neu aufgesetzt und große Lücken hinterlassen. Aus der Vielzahl von demografischen Problemen, die nicht nur auf uns, sondern auf alle wohlhabenderen Länder zukommen, hatte sich die Bundeszahnärztekammer für ihre diesjährige Klausurtagung in Münster zwei besonders drängende Bereiche herausgegriffen. Mitarbeitende werden immer knapper Die 72.800 aktiven Zahnärztinnen und Zahnärzte in Deutschland beschäftigen im Durchschnitt 3,08 ZFAs, 0,44 Azubis, 0,21 Zahntechniker und 0,8 Personen mit einer anderen oder auch keiner Ausbildung. Diese hohe Beschäftigtenzahl wird kaum zu halten sein, denn der Personalmangel trifft alle Branchen und einfache Lösungen gibt es nicht. Jede Praxis wird ihre eigenen Wege gehen müssen: 1. Die Influencerinnen-Kampagne, die von der Zahnärztekammer Nordrhein konzipiert wurde und jetzt unter dem Dach der BZÄK fortgesetzt wird, ist erstaunlich erfolgreich. Bei vielen jungen Frauen konnte das Interesse für den Beruf der ZFA geweckt werden. Jetzt gilt es, diese Damen in den Praxen zu halten. 2. Qualifizierte Einwanderung ist eine große Chance, jedoch müssen wir aus Gründen der Fairness auf Länder mit intakter Demografie schauen. Keines davon liegt vor der Tür. Anders als andere Freie Berufe – Rechtsanwälte, Steuerberater – hat die Zahnmedizin den Vorteil, dass die Anforderungen an die Sprachkenntnisse für Einzelbereiche geringer sein können. Die Bundesregierung meint, Wege für die qualifizierte Einwanderung geebnet zu haben und sieht die Auslandshandelskammern als Ansprechpartner. Die Bundeszahnärztekammer und der Bundesverband der Freien Berufe analysieren gerade mögliche Konzepte, sprechen mit Agenturen und entwickeln einen „Code of conduct“. 3. Praxen können Mitarbeitende jedweder Vorbildung anlernen. Diese Personen dürfen dann nicht beim Röntgen unterstützen und keine delegierbaren Leistungen ausführen, für die hygienische Aufbereitung gibt es jedoch Qualifizierungskurse. 4. Die 2-Hand-Behandlung wird eine Renaissance erleben. Viele Kolleginnen und Kollegen filtern dazu schon heute ihre Patienten, so dass komplexere Behandlungen an bestimmten Tagen zusammengefasst werden. KI und Digitalisierung haben Potenzial, das aber bislang noch nicht über Insellösungen hinausreicht. Der Punkt, an dem es kippt Namhafte Ökonomen prognostizieren einen Kipp-Punkt für unsere Sozialsysteme. Schon Mitte des nächsten Jahrzehnts könnte es so weit sein, dass die Schmerzgrenze der Beitragszahler erreicht ist. Sie werden dann wohl keine Revolution starten, aber viele könnten mit den Füßen abstimmen – und das Land verlassen. Damit verlieren wir doppelt: Beiträge und Arbeitskraft. Jetzt gilt es, in den Gesundheitsberufen den Gesundheits- oder besser Präventions-„Wirkungsgrad“ deutlich zu erhöhen, und alles was keine direkten Beiträge leistet – Kontrolleure, Prüfer, Verwalter, Bedenkenträger, Gremien, Ausschüsse, Normensetzer – drastisch zurückzufahren. Klar, dass diejenigen, die dieses neue, aus der Not geborene „Vertrauen“ missbrauchen, hart bestraft werden müssen. Auch auf die Patienten kommen Veränderungen zu. Sie werden sich auf größere Eigenverantwortung einstellen müssen. Aber Eigenverantwortung ist sowieso der einzige Weg, auf dem Prävention funktioniert. Der Journalist Frank Schirrmacher hat einmal gesagt, dass unsere demografische Situation etwas ist, was es in der Menschheitsgeschichte so noch nie gegeben hat. Langsam begreifen wir, welche Pionierrolle da auf uns zukommt. Prof. Dr. Christoph Benz Präsident der Bundeszahnärztekammer Damoklesschwert Demografie 6 | LEITARTIKEL Foto: BZÄK/axentis.de

PM-DE-PROS-23-00001-20230628 * Im Vergleich zum natürlichen Schutz im Mund. ** Nielsen MarketTrack, Zahnpasta, Erosion (kundendefiniertes Segment), Absatz in Pack, LEH+DM, Deutschland, MAT KW 26/2022. © 2024 Haleon oder Lizenzgeber. Marken sind Eigentum der Haleon Unternehmensgruppe oder an diese lizenziert. Haleon Germany GmbH. Jetzt registrieren undkostenlose Produktmuster anfordern. EMPFEHLEN SIE DIE NR.1-MARKE** und helfen Sie, den Zahnschmelz Ihrer Patient:innen aktiv zu stärken. Fluorid-optimierte Formulierung: Schützt 2 x stärker vor Erosionab dem ersten Tag.* MIT INTENSIV SCHUTZ – DAMIT ZAHNSCHMELZ AUCH MORGEN NOCH DA IST!

zm114 Nr. 14, 16.07.2024, (1182) Leserforum Lieber Herr Frankenberger, wir schreiben Ihnen, weil wir uns lange kennen und weil Sie vermutlich schon eine Replik von uns auf Ihre Stellungnahme zum Pulpaschutz als Reaktion auf unseren Beitrag in der zm 19/2023 erwarten. Wir begründeten den Pulpaschutz evolutionsbiologisch, strukturbiologisch, chemisch und insbesondere aus der Fülle der Erkenntnisse zur Biokompatibilität der Füllungstherapie, nicht etwa, wie Sie schreiben, als „eine emotionale Angelegenheit erfahrenerer Zahnärzte und Zahnärztinnen“. Das ist ein ziemlicher Unterschied. Der Disput kommt zur rechten Zeit, weil gerade zum 31. Mai 2024 die Kommentierung der neuen Fassung der ISO Norm 7405 „Zahnheilkunde – Bewertung der Biokompatibilität von in der Zahnheilkunde verwendeten Medizinprodukten“ (ISO/DIN 7405:2024) abgeschlossen wurde und die weitere Bearbeitung in der ISO TC 106 nun im Oktober 2024 fortgeführt wird, um 2025 als endgültige Norm zu erscheinen. Es ist davon auszugehen, dass alle deutschen Lehrstühle für Konservierende Zahnheilkunde sich an der Einsicht in die neue Fassung beteiligt haben und, bei Bedarf, kommentiert haben. Es sind dort alle Schritte der Biokompatibilitätsprüfung, hier besonders die Pulpa- und Dentin-Anwendungsprüfung sowie die Pulpaüberkappungsprüfung normgerecht erläutert. Damit wird seit vielen Jahrzehnten, deutlich früher als die Medizinprodukte-Gesetzgebung, der internationale State of the Art der Sicherheitsbewertung unserer zahnärztlichen Füllungstherapie formuliert. Das ändert auch nichts an dem völlig unverständlichen Umstand, dass die Medizinprodukte-Verordnung (MPV) die Übergangsfristen für Produkte mittleren Risikos wie Füllungsmaterialien auf den 31.12.2028 verschiebt. Es ist also klug, wenn wir alle Entscheidungen in der täglichen Praxis dem wissenschaftlichen Credo des bekannten und gesicherten Pulpaschutzes unterordnen: kein iatrogenes Nekrose-Progressions-Risiko, immer sicherer Pulpaschutz mit Phosphatzement/Glasionomerzement, wenn vitale oder leere Dentintubuli eröffnet werden. Die Begründung liegt in der sehr gut bekannten und vielfältigen Pathobiologie der Kariesprogression, die eben wegen ihrer Vielfalt an jedem Zahn anders verläuft. Außer eher selteneren Caries-superficialis-Läsionen ist die häufigste Form eine Caries media, deren Kavitätenboden im kariösen, sklerotischen, harten Dentin mit 40 bis 75 Prozent eröffneten Tubuli liegt. Nach allen Originalpublikationen sowie systematischen Übersichten und Metaanalysen der letzten drei Jahrzehnte zur Biokompatibi- „KEINE EMOTIONALE ANGELEGENHEIT“ Pulpaschutz ist keine „Zeitverschwendung“ Zum Beitrag „Unterfüllung bei zahnfarbenen Restaurationen – notwendig oder Zeitverschwendung?“ von Prof. Dr. Roland Frankenberger, Prof. Dr. Gabriel Krastl und Prof. Dr. Rainer Haak, zm 11/2024, S. 14–17. Foto: ©Federico Rostagno - stock.adobe.com

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10 | LESERFORUM / BEKANNTMACHUNG zm114 Nr. 14, 16.07.2024, (1184) lität ist keine „Dentinversiegelung“, also Bonding, ein langfristig stabiler und sicherer Verschluss der Tubuli, die im direkten Kontakt mit der Pulpa stehen. Das betrifft genauso Calciumsilicatzemente, deren Biokompatibilität die der Phosphatzemente und Glasionomerzemente nicht übertrifft. Schließlich gibt es auch keine „Cp-Medikamente“, weil Calciumhydroxid niemals auf einen geschlossenen Kavitätenboden gehört und am Dentin gar keine Wirkung auslösen kann. Dafür tummeln sich dort alle nur denkbaren Harzprodukte mit und ohne Portlandzement, die dann auch gleich noch für Überkappungen beworben werden. Alles was lichthärtend offeriert wird, sind Harze, und die sind fast immer ein Risiko für die Pulpa. Dagegen unterliegen auch neue Materialentwicklungen wie die eines Kollagen-reaktiven Monomers mit aussichtsreichen Perspektiven [Tang et al., 2023] den gleichen Testanforderungen des Pulpaschutzes wie das Dentin-Bonding. Die beste pathobiologisch gut begründete Caries-profundaVersorgung ist am nicht schmerzenden Zahn die vollständige Entfernung von nekrotisch erweichtem kariösen Dentin, die Versorgung des pulpanahen mit Tubuli verbundenen Dentins mit Phosphatzement oder Glasionomerzement als schonendster Verbund. Dem kann ein Dentin-Bonding folgen, wenn reichlich pulpaabgewandte Flächen zur Verfügung stehen. Der schmerzende Zahn erhält in der Regel nach Präparation eine neutrale provisorische Füllung. Lieber Herr Frankenberger, wir widersprechen Ihnen ungern, aber in unserer 29-Jahres-Composite-Studie hatten wir von 194 longitudinal kontrollierten Fällen nur 7,22 Prozent Füllungsfrakturen trotz korrektem Pulpaschutz [Montag et al., 2018]. Fazit: Nur nach den anerkannten Regeln des Pulpa-DentinAnwendungstests geprüfte Medizinprodukte gewährleisten einen ausreichenden Schutz vitaler Zähne im Rahmen der Füllungstherapie. Deshalb ist der Pulpaschutz mit grazilen Phosphatzement/Glasionomerzement-Versorgungen keine „Zeitverschwendung“. Mit kollegialen Grüßen, Ihre Tomas Lang und Peter Gängler Literatur: Tang K, Wang F, Dai SQ, Yang ZY, Duan LY, Luo ML, Tay FR, Niu LN, Zhou W, Chen JH. Enhanced Bonding to Caries-Affected Dentin Using an Isocyanate-Based Primer. J Dent Res. 2023 Dec;102(13):1444-1451. doi: 10.1177/00220345231199416. Epub 2023 Nov 10. PMID: 37950512. Montag R, Dietz W, Nietzsche S, Lang T, Weich K, Sigusch BW, Gaengler P. Clinical and Micromorphologic 29-year Results of Posterior Composite Restorations. J Dent Res. 2018 Dec;97(13):1431-1437. doi: 10.1177/0022034518788798. Epub 2018 Aug 1. PMID: 30067429. Dr. Tomas Lang, Essen; Prof. Dr. Peter Gängler, Witten Die zm-Redaktion ist frei in der Annahme von Leserbriefen und behält sich sinnwahrende Kürzungen vor. Außerdem behalten wir uns vor, Leserbriefe auch in der digitalen Ausgabe der zm und bei www.zm-online.de zu veröffentlichen. Bitte geben Sie immer Ihren vollen Namen und Ihre Adresse an und senden Sie Ihren Leserbrief an leserbriefe@zm-online.de oder an die Redaktion: Zahnärztliche Mitteilungen, Chausseestr. 13, 10115 Berlin. Anonyme Leserbriefe werden nicht veröffentlicht. BEKANNTMACHUNG DER KZBV 47. Änderungsvereinbarung zumBMV-Z KZBV und GKV-SV haben die 47. Änderungsvereinbarung zum BMV-Z getroffen. Die Vereinbarung ist auf https://kzbv.de/bundesmantelvertrag veröffentlicht. Dort finden Sie auch die aktualisierte Gesamtausgabe des BMV-Z. Sehr geehrte Leserinnen und Leser, Sie finden die offiziellen Bekanntmachungen der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) ab dieser Ausgabe immer in verkürzter Form mit dem Link zur Vollversion der Bekanntmachung auf der Website der KZBV. Foto: babimu – stock.adobe.com

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zm114 Nr. 14, 16.07.2024, (1186) 12 „Ich freue mich, Ihnen mitteilen zu können, dass das Albert Einstein College of Medicine ab August dieses Jahres gebührenfrei sein wird.“ Mit diesen schlichten Worten löste Dr. Ruth Gottesman im Frühjahr 2024 tosenden Applaus im Audimax der New Yorker Uni aus. Die Medizinerin und ehemalige Dozentin des College war dabei nicht nur Überbringerin der guten Nachricht für aktuell rund 1.000 Studierende, sondern auch eine der bisher großzügigsten Spenderinnen für eine Bildungseinrichtung in den USA. Möglich wird das kostenlose Studium durch ihre Gabe von 1 Milliarde US-Dollar (umgerechnet 930 Millionen Euro). Als Gottesmans Ehemann David 2022 im Alter von 96 Jahren starb, hinterließ er ihr ein beträchtliches Aktienportfolio mit der Anweisung, „zu tun, was immer sie für richtig halte“, sagte sie der New York Times. Sie habe sofort gewusst, was sie mit dem Geld machen will – die angehenden Ärzte und Zahnärztinnen am Einstein finanzieren, damit jene ihre Karriere ohne Schulden beginnen können. Die Studiengebühren betragen aktuell mehr als 59.000 Dollar pro Jahr, weshalb fast 50 Prozent der Absolventen mit mehr als 200.000 US-Dollar Schulden in den Job starten. Damit ist ab diesem Sommer Schluss. Das Volumen der Spende soll die Abschaffung der Studiengebühren dauerhaft sicherstellen. Gottesman hofft zudem, dass dadurch das Studium auch für jene zugänglich wird, die es sich bisher nicht leisten konnten. Nur eine Bedingung hat sie an die Hochschule gestellt: Das Einstein College of Medicine, das in der Vergangenheit bereits für Spenden von ein paar Hundert Millionen Dollar seine Krankenhäuser umbenannte, darf niemals seinen Namen ändern. Der Name sei unschlagbar. „Wir haben den verdammten Namen – wir haben Albert Einstein.“ mg Fotos: Dennis – stock.adobe.com; YouTube – WFAA EIN BILD UND SEINE GESCHICHTE

PRAXIS | 13 zm114 Nr. 14, 16.07.2024, (1187) FÖRDERGELDER FÜR WEITERBILDUNG So bleiben Fachkräfte fit Im Rahmen des „Gesetzes zur Stärkung der Aus- und Weiterbildungsförderung“ aus 2023 können auch kleinere Betriebe wie zahnärztliche Praxen neue Förderungen in Anspruch nehmen: die Beschäftigtenqualifizierung und das Qualifizierungsgeld. Bei der Beschäftigtenqualifizierung handelt es sich um eine Anpassungsqualifizierung, die als präventive Maßnahme gegen Arbeitslosigkeit dienen soll“, erklärt Andre Stephan-Park, Pressesprecher in der Zentrale der Bundesagentur für Arbeit (BA). „Es geht also um Personen, bei denen abzusehen ist, dass sie zusätzliche Qualifikationen benötigen, um ihre Arbeit auch zukünftig gut zu erledigen. Das kann zum Beispiel heißen, dass ein Mitarbeiter neue Aufgaben im Bereich Digitalisierung wahrnehmen soll, die während seiner Ausbildung noch nicht Teil des Lehrstoffswaren.“ Die Arbeitswelt verändere sich, so Stephan-Park, und die Beschäftigtenqualifizierung unterstütze Mitarbeitende dabei, sich an die aktuellen Anforderungen der Berufswelt anzupassen und sich weiterzuentwickeln. Aber: Die Beschäftigtenqualifizierung kann nicht für Aufstiegsfortbildungen in Anspruch genommen werden. Seit dem 1. April 2024 haben zudem auch kleinere Unternehmen Anspruch auf Qualifizierungsgeld. Es wird als Entgeltersatzleistung in Höhe von 60 Prozent des bisherigen Nettogehalts ausgezahlt. Beschäftigte mit Kindern haben Anspruch auf 67 Prozent. Um das Qualifizierungsgeld zu erhalten, müssen laut BA folgende Voraussetzungen gegeben sein: n Betriebe mit weniger als zehn Beschäftigten halten in einer schriftlichen Erklärung fest, dass bei ihnen Bedarf für eine Strukturwandel-bedingte Qualifizierungsmaßnahme besteht. n Die Beschäftigten, die daran teilnehmen sollen, stimmen der Weiterbildung zu. Diese kann nicht vom Chef oder der Chefin verordnet werden. n Die gewählte berufliche Weiterbildung umfasst mehr als 120 Stunden. Das bedeutet aber nicht, dass man sie an einem Stück absolvieren muss. n Der Bildungsträger ist für die Förderung nach der „Akkreditierungsund Zulassungsverordnung Arbeitsförderung“ (AZAV) zugelassen. n Es werden Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt, die über eine ausschließlich arbeitsplatzbezogene, kurzfristige Anpassungsfortbildung hinausgehen. Eine Schulung für eine betriebsspezifische Software, etwa ein Praxisverwaltungssystem, wird nicht bezuschusst. n Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber müssen das Qualifizierungsgeld spätestens drei Monate vor Beginn der beruflichen Weiterbildung schriftlich bei der BA beantragt haben. Stephan-Park rät Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern, die Interesse am Qualifizierungsgeld oder der Beschäftigtenqualifizierung für ihre Mitarbeitenden haben, zunächst ein Beratungsgespräch mit dem Arbeitgeber-Service der BA zu vereinbaren. Das ist unter der gebührenfreien Rufnummer 08004555520 möglich. sth Foto: Butch-stock.adobe.com GESETZ ZUR STÄRKUNG DER AUS- UND WEITERBILDUNGSFÖRDERUNG Um dem Wandel in der Arbeitswelt zu begegnen, wurde im vergangenen Jahr das „Gesetz zur Stärkung der Aus- und Weiterbildungsförderung“ verabschiedet. Wesentliche Teile, wie das Qualifizierungsgeld, sind zum 1. April 2024 in Kraft getreten. Das Aus- und Weiterbildungsgesetz enthält folgende Anpassungen im SGB III: Verlängerung der Regelungen in § 106a SGB III – berufliche Weiterbildung während Kurzarbeit (Inkrafttreten am Tag nach Verkündung - 21. Juli 2023), Einführung Berufsorientierungspraktikum als § 48a SGB III, Einführung Mobilitätszuschuss als § 73a SGB III, Neuregelung der Einstiegsqualifizierung (§ 54a SGB III), Reform Weiterbildungsförderung Beschäftigter (§ 82 SGB III), Einführung Qualifizierungsgeld als §§ 82a bis c SGB III (Inkrafttreten zum 1. April 2024), Regelungen zur außerbetrieblichen Berufsausbildung (§ 76 SGB III) (Inkrafttreten zum 1. August 2024). Das vormals im Referentenentwurf enthaltene Vorhaben einer Bildungs(teil) zeit ist nicht mehr Teil dieses Gesetzes. Es bleibt das Ziel, den Koalitionsvertrag auch an dieser Stelle umzusetzen. Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) „

14 | PRAXIS NEUES GESETZ VERSCHÄRFT STRAFTATBESTAND Frankreich bestraft Gewalt gegen Ärzte rigoros Auch in Frankreich häufen sich körperliche und verbale Übergriffe auf das Gesundheitspersonal: Endlich kommt nun ein Gesetz, das die Sanktionen verschärft und den Straftatbestand der Beleidigung erweitert. Der Text wurde am 14. März in erster Lesung von der Nationalversammlung einstimmig verabschiedet. Mit dem Vorschlag will die Regierung den im September 2023 vorgelegten nationalen Plan zur Sicherheit von Gesundheitsfachkräften in ein Gesetz gießen – das heißt im Strafgesetzbuch die Strafen für Gewalttäter gegen Ärzte und ihre Teams verschärfen sowie um den Straftatbestand der Beleidigung erweitern. Die Regelungen gelten auch für Gesundheitseinrichtungen und Labore. Derzeit wird das Gesetz vom Senat gelesen. Keine Nachsicht gegenüber Gewalttätern Das Gesetz besteht aus drei Hauptartikeln: Artikel 1 erhöht die Strafen für Gewalt gegen das Personal von Gesundheitseinrichtungen. Angriffe, die zu einer Arbeitsunfähigkeit von mehr als acht Tagen führen, werden mit einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und einer Geldbuße von 75.000 Euro bestraft. Attacken, die keine Arbeitsunfähigkeit zur Folge haben, werden mit drei Jahren Freiheitsstrafe und 45.000 Euro Geldbuße sanktioniert. Erhöht werden auch die Strafen für den Diebstahl medizinischer Ausrüstung in einer Gesundheitseinrichtung: Darauf stehen künftig eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren und eine Geldbuße von 75.000 Euro. Artikel 2 weitet die Straftat der Beleidigung auf alle Mitarbeitenden von Gesundheitseinrichtungen und freiberufliche Angehörige der Gesundheitsberufe aus. Beleidigungen werden dabei mit einer Geldstrafe von 7.500 Euro geahndet. Artikel 3 ermöglicht dem Arbeitgeber, im Fall von Gewalt oder Drohungen gegen einen seiner Angestellten mit dessen Einverständnis als Nebenkläger aufzutreten und Strafanzeige zu erstatten. Auf Vorschlag der Regierung stellten die Abgeordneten klar, dass in einem Dekret festgelegt werden muss, welche Organisation befugt ist, eine entsprechende Beschwerde für betroffene Freiberufler einzureichen. Beleidigungen, Belästigungen, Gewalt, Morddrohungen ... Derzeit werden Drohungen und körperliche oder verbale Angriffe gegen das Gesundheitspersonal bereits mit drei Jahren Haft und 45.000 Euro Geldstrafe geahndet, Todes- und Morddrohungen mit fünf Jahren Haft und 75.000 Euro Geldstrafe. In Frankreich werden täglich etwa 65 stationär oder ambulant tätige Gesundheitsberuflerinnen und Gesundheitsberufler Opfer verbaler oder körperlicher Angriffe am Arbeitsplatz. So wurde im Juni 2023 eine Zahnarzthelferin in einer Praxis in der Bretagne von einem Patienten angefahren. Im nordostfranzösischen Reims starb eine Krankenpflegerin in einem Krankenhaus nach einer Messerattacke. Im Jahr davor erschütterte der Messerangriff auf einen Zahnarzt und seine AssistenFoto: aldorado_stock.adobe.com zm114 Nr. 14, 16.07.2024, (1188) WELTWEIT 38 PROZENT IM GESUNDHEITSBEREICH ERLEBEN KÖRPERLICHE GEWALT Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) aus dem Jahr 2022 werden 38 Prozent der Gesundheitsfachkräfte weltweit im Laufe ihrer Karriere Opfer körperlicher Gewalt. Vor allem Pflegekräfte, Personal, das direkt an der Patientenversorgung beteiligt ist, sowie Mitarbeiter der Notaufnahme und Sanitäter sind gefährdet.

PRAXIS | 15 tin in Indre-et-Loire die Branche. Die Unsicherheit und das Gefühl der Bedrohung nehmen auch in Frankreich bei Zahnärzten und Zahnärztinnen zu. Das Observatoire National des Violences en Milieu de Santé (ONVS) sammelt seit 2005 auf freiwilliger Basis Meldungen zu Gewalttaten gegen Personen und zu Sachbeschädigungen in französischen Gesundheitseinrichtungen. Die Daten belegen über alle Sektoren seit mehreren Jahren fast 20.000 Gewaltmeldungen pro Jahr, was etwa 30.000 Personen- und 5.000 Sachbeschädigungen pro Jahr entspricht. Wie die Zahnärztegewerkschaft Union dentaire bestätigt, wurden dem ONVS im Jahr 2021 insgesamt 19.328 Fälle von Gewalt gemeldet, wobei das medizinische Personal 84 Prozent der Opfer ausmachte. Die Taten reichen dabei von verbalen Angriffen bis hin zu physischer Gewalt und der Bedrohung mit Waffen. Die Hauptgründe für die Attacken sind demnach Vorwürfe in Bezug auf eine Behandlung (51,4 Prozent) sowie die Verweigerung der Behandlung (21,2 Prozent). Für die Zahnmedizin liegen bislang keine gesonderten Daten vor. „Das Personal muss sich sicher fühlen“ Eine im Februar 2023 durchgeführte Umfrage des französischen Gesundheitsministeriums ergab, dass das Gesundheitspersonal im Vergleich zur restlichen Erwerbsbevölkerung Im Job doppelt so oft Beleidigungen und körperliche oder verbale Gewalt erfährt. Insgesamt 37 Prozent der Beschäftigten in Krankenhäusern geben an, regelmäßig körperlichen Angriffen ausgesetzt zu sein. Ende Mai hatten die Kammern der Ärzte, Zahnärzte, Krankenschwestern, Physiotherapeuten, Podologen und Hebammen als Reaktion auf das geplante Gesetz eine Pressemitteilung veröffentlicht, in der sie an „ihr starkes und dauerhaftes Engagement für die Sicherheit aller von ihnen vertretenen Gesundheitsfachkräfte erinnern, unabhängig von ihrem Status: unabhängig oder angestellt“. Die Angehörigen der Gesundheitsberufe müssten sich im Job sicher fühlen. „Die Verteidigung dieses Sicherheitsgefühls zu einer Zeit, in der die Gewalt gegen Pflegekräfte ständig zunimmt, gehört voll und ganz zu der vom Gesetzgeber übertragenen Aufgabe der Selbstverwaltung, die die Einführung dieser Strafrechtspolitik begleiten muss.“ ck zm114 Nr. 14, 16.07.2024, (1189) DIE GEFAHR LAUERT IN DER STADT 2023 registrierte die „Beobachtungsstelle zur Sicherheit von Ärzten“ (L’observatoire de la sécurité des médecins) mit 1.244 Angriffen eine Zunahme der Gewalt gegen Medizinerinnen und Mediziner um 23 Prozent, „ein beispielloses Ergebnis seit der Gründung dieser Behörde“, wie die Verfasserinnen und Verfasser schreiben. Zum 20. Mal in Folge hatte die französische Ärztekammer (Conseil national de l‘Ordre des médecins) ihre Auswertung zur Sicherheit von Ärzten veröffentlicht. Zum Vergleich: 2021 wurden 1.009 und 2003 nur 638 Vorfälle gezählt. Der Großteil der Vorfälle ereignete sich mit 56 Prozent in den Städten, 21 Prozent in ländlichen Gebieten und 19 Prozent in den Vororten. Besonders betroffen waren demnach Ärzte in den Regionen Hauts-deFrance und Auvergne-Rhône-Alpes sowie im Großraum Paris. Am sichersten war es in Burgund und auf Korsika. Die Mehrzahl der Betroffenen waren mit 56 Prozent Ärztinnen. Unterschieden nach Fachgruppen standen die Hausärzte an vorderster Front: Sie waren zu 71 Prozent Opfer von Attacken und Vorfällen wie dem Diebstahl von Rezepten oder Berufsausweisen. Ihnen folgten Psychiater, Kardiologen und Gynäkologen. Bei mehr als zwei Dritteln der Fälle ging es um verbale Angriffe in Form von Beleidigungen und Drohungen. Besonders häufig wurden Patienten aggressiv, wenn Ärzte sich weigerten, ein bestimmtes Medikament zu verordnen oder einen Patienten krankzuschreiben. Auch ihre Partner oder Begleiter flippten manchmal aus. Unzufriedenheit mit der Behandlung, die Weigerung, ein Rezept oder eine Bescheinigung zu fälschen oder eine zu lange Wartezeit waren ebenfalls häufig Gründe. warum Patienten ausrasteten. Bemerkenswert: Von den 1.244 Angriffen leiteten nur 31 Prozent der betroffenen Ärztinnen und Ärzte rechtliche Schritte ein.

16 | ZAHNMEDIZIN GROẞE KOHORTENSTUDIE IN DEN USA Parodontitis mit erschreckend hohem Sterberisiko assoziiert Eine große Kohortenstudie hat den Zusammenhang zwischen Parodontitis und Sterblichkeit unter Berücksichtigung von Demografie, Lebensstil, klinischen Messungen und Komorbiditäten in den USA genauer untersucht. Frühere Untersuchungen hatten einen Zusammenhang zwischen Parodontitis und erhöhter Sterblichkeit vermutet, doch fehlte es bisher an belastbaren Beweisen Die Arbeit umfasste 15.030 erwachsene US-Bürger, die aus sechs NHANES-Zyklen (National Health and Nutrition Examination Survey) von 1999 bis 2014 rekrutiert wurden. Analysiert wurden zudem die Sterblichkeitsdaten aus dem National Death Index bis Dezember 2019. Die Teilnehmer wurden bis Dezember 2019 nachbeobachtet, was einer mittleren Nachbeobachtungszeit von neun Jahren entspricht. Die Gesamtmortalität und die ursachenspezifische Mortalität wurden mit multivariablen Cox-Proportional-Hazardsund Fine-Gray-Modellen modelliert, um konkurrierende Risiken zu berücksichtigen. Es wurden Anpassungen für demografische Variablen, Lebensstilfaktoren, klinische Messungen und Komorbiditäten vorgenommen. Zu den Ergebnissen: n Das Gesamtmortalitätsrisiko war bei Personen mit Parodontalerkrankungen um 22 Prozent höher als in der Kontrollgruppe. Das Mortalitätsrisiko durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen (CVD), Atemwegserkrankungen und Diabetes war bei Teilnehmern mit schwerer Parodontitis am höchsten. n Das Risiko einer Gesamtmortalität stieg mit der Schwere der Parodontitis schrittweise an: Bei Teilnehmern mit leichter oder mittelschwerer Parodontitis erhöhte sich das Risiko um 4 Prozent im Vergleich zur Kontrollgruppe. Parodontitis war dabei signifikant mit einem erhöhten Risiko für Diabetes-bedingte Mortalität verbunden. Patienten mit schwerer Parodontitis hatten ein um 59 Prozent höheres Risiko für Diabetesbedingte Mortalität. n Personen mit schwerer Parodontitis haben das größte Sterberisiko aufgrund von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, bösartigen Erkrankungen und Erkrankungen der unteren Atemwege. n Die durch Krebs oder bösartige Erkrankungen verursachte Mortalität war die zweithäufigste zugrunde liegende Todesursache bei Probanden mit Parodontitis. Teilnehmer mit schwerer Parodontitis oder Zahnlosigkeit hatten ein um 28 Prozent höheres Risiko einer malignen Mortalität als Kontrollpersonen. Forschende haben in einer prospektiven Kohortenstudie den Zusammenhang zwischen Parodontalerkrankungen und der Gesamtmortalität sowie der ursachenspezifischen Mortalität in den USA untersucht. Foto: Paul-stock.adobe.com zm114 Nr. 14, 16.07.2024, (1190)

ZAHNMEDIZIN | 17 n Parodontitis war zudem signifikant mit einem erhöhten Sterblichkeitsrisiko aufgrund von Grippe und Lungenentzündung sowie Erkrankungen der unteren Atemwege verbunden. Das Sterberisiko aufgrund von Erkrankungen der unteren Atemwege war bei Teilnehmern mit schwerer Parodontitis um 62 Prozent höher. Eine schwere Parodontitis erhöht das Mortalitätsrisiko Diese Ergebnisse unterstreichen den Autorinnen und Autoren zufolge den signifikanten Einfluss einer schweren Parodontalerkrankung auf das Mortalitätsrisiko: „Die erhöhten Risiken für die Gesamtmortalität sowie für bestimmte Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Atemwegserkrankungen und Diabetes deuten darauf hin, dass eine Parodontitis die zugrunde liegenden Erkrankungen verschlimmern oder zu systemischen Entzündungen beitragen kann, was wiederum den Gesundheitszustand insgesamt verschlechtert.“ Die Ergebnisse verdeutlichen die Rolle der Mundgesundheitspflege und der Behandlung von Parodontalerkrankungen für die Senkung des Gesamtmortalitätsrisikos. „So liefert diese groß angelegte, prospektive Studie eindeutige Beweise dafür, dass schwere Parodontalerkrankungen mit einem erhöhten Risiko für die Gesamtmortalität und die ursachenspezifische Mortalität bei Erwachsenen in den USA verbunden sind", resümieren die Wissenschaftler. Die Ergebnisse belegen demnach die dringende Notwendigkeit, die Mundgesundheit in die allgemeine Gesundheitsfürsorge zu integrieren, um die mit Parodontalerkrankungen verbundenen negativen Folgen zu mildern. ck Larvin H, Baptiste PJ, Gao C, Muirhead V, Donos N, Pavitt S, Kang J, Wu J: All-cause and cause-specific mortality in US adults with periodontal diseases: A prospective cohort study. J Clin Periodontol. 2024 May 27. doi: 10.1111/jcpe.14002. Epub ahead of print. PMID: 38802320. PARODONTITIS IN DEN USA Rund 1,1 Milliarden Menschen weltweit haben eine schwere Parodontitis. In den USA leiden bis zu 45 Prozent der Erwachsenen an leichter, mittelschwerer oder schwerer Parodontitis. Es ist allgemein anerkannt, dass Parodontitis mit der Entwicklung nicht übertragbarer Krankheiten assoziiert ist, insbesondere mit Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. 008395 02.24 pIntuitives Farbsystem pAnwenderfreundlich pDrei Materialien mit gleicher Füllertechnologie UNIVERSALKOMPOSITE BRILLIANTFüllungsmaterialien EverGlow EverGlow Flow Bulk Fill Flow PRODUKTBROSCHÜRE HERUNTERLADEN https://media.coltene.com/EN/GB/index/search/detail/1002499725?q=everglow&nk=DOC_BRO

18 | MEDIZIN INTERNATIONALE STUDIE Xylit erhöht das Risiko für kardiale Ereignisse um 57 Prozent Höhere Werte des Süßstoffs Xylit im Blut sind mit einem deutlich erhöhten Risiko für schwere Herzerkrankungen und Schlaganfälle verbunden, zeigt eine internationale Studie unter Federführung der Berliner Charité. Die Untersuchung der Cleveland Clinic in den USA wurde jetzt im European Heart Journal veröffentlicht. Erstautor der Studie ist Dr. med. Marco Witkowski, Kardiologe am Deutschen Herzzentrum der Charité (DHZC). Bereits 2023 hatte der Wissenschaftler in einer von der Cleveland Clinic geleiteten Studie in Zusammenarbeit mit dem DHZC im Magazin „Nature Medicine“ gezeigt, dass der Süßstoff Erythrit mit einem erhöhten Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall verbundenist. Xylit wird in großen Mengen verkauft und als „natürlicher Süßstoff“ beworben, da es in geringen Mengen auch in Obst oder Gemüse vorkommt und vom Körper produziert werden kann. Künstliche Süßstoffe wie Xylit werden von Gesundheitsbehörden der USA und der Europäischen Union als „Generally Recognized as Safe“ (GRAS) eingestuft. Ihr Einsatz wurde von mehreren Leitlinienorganisationen für Personen empfohlen, die an Übergewicht, Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen leiden. Außerdem soll Xylit einigen Untersuchungen zufolge eine karieshemmende Wirkung haben. Daher wird der Süßstoff nicht nur als Ersatz für Zucker, sondern auch als zusätzliches Mittel gegen Karies vermarktet, etwa als Zusatz von Zahncremes, Lutschtabletten oder Kaugummis, schreibt die Charité. Xylit erhöht die Reaktivität von Blutplättchen Witkowski hat während eines mehrjährigen Forschungsaufenthalts in den USA untersucht, ob der Konsum von Xylit das Risiko für schwerwiegende Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Schlaganfälle erhöht. Dazu wurden zunächst Blutproben von insgesamt mehr als 3.300 Herz-Kreislauf-Patienten analysiert. Diese Probanden wurden daraufhin über drei Jahre hinweg beobachtet. In diesem Zeitraum kam es bei Patienten mit hohen Xylit-Konzentrationen im Blut signifikant häufiger zu Schlaganfällen, sogenannten „kardialen Ereignissen“ wie einem Herzinfarkt oder zu einem Todesfall. Dieser Zusammenhang konnte in der Folge weiter erhärtet werden: In Laborversuchen wie auch bei Tests mit Gesunden zeigte sich, dass Xylit die Reaktivität von Blutplättchen erhöht, was die Bildung von Blutgerinnseln fördert und somit das Risiko für Herz-KreislaufErkrankungen steigern kann. Konkret wurde festgestellt, dass das Risiko für schwerwiegende kardiale Ereignisse bei erhöhten Xylit-Werten im Blut um 57 Prozent erhöht war. Verbraucher sollten SüßstoffKonsum überdenken „Unsere Forschung weist auf mögliche Risiken von Xylit hin und zeigt, dass Süßstoffe nicht unbedingt die harmlose Zuckeralternative sind, für die sie oft gehalten werden. Besonders bei Menschen mit bestehenden Herz-Kreislauf-Risiken könnte der Konsum von Xylit zusätzliche Gesundheitsgefahren bergen“, erklärt Witkowski. „Es ist wichtig, dass Verbraucher sich dieser Risiken bewusst sind und ihren Konsum dieser Süßstoffe überdenken. Bei Unsicherheiten sollten sie sich an ihren Arzt oder Ernährungsberater wenden.“ Angesichts der weit verbreiteten Verwendung von Xylit in Lebensmitteln und Zahnpflegeprodukten halten es die Autorinnen und Autoren der Studie für wichtig, die potenziellen Gesundheitsrisiken weiter zu untersuchen. mg Marco Witkowski et al.: Xylitol is prothrombotic and associated with cardiovascular risk, European Heart Journal, 2024;, ehae244, https://doi.org/10.1093/ eurheartj/ehae244 zm114 Nr. 14, 16.07.2024, (1192) FORSCHER FÜR ERYTHRIT-STUDIE AUSGEZEICHNET Die Herzstiftung hat Dr. Marco Witkowski mit dem Wissenschaftspreis der Josef-Freitag-Stiftung ausgezeichnet. Er hatte 2023 in einer Studie gezeigt, dass Erythrit womöglich die Thrombose- und die Infarktgefahr erhöht. Das internationale Forscherteam unter Beteiligung von Witkowski hatte anhand von Blutproben bei mehr als 4.000 Probanden aufgezeigt, dass erhöhte Blutkonzentrationen des Zuckeralkohols Erythritol („Erythrit“) mit thromboembolischen Komplikationen in Verbindung stehen. Ihre Ergebnisse hatten der Facharzt für Kardiologie an der Klinik für Kardiologie, Angiologie und Intensivmedizin des Deutschen Herzzentrums der Charité (DHZC), Campus Benjamin Franklin, und seine Forscherkollegen im hochkarätigen Journal „Nature Medicine“ publiziert (https://bit.ly/zm_Erythrit). In seiner Arbeitsgruppe will Witkowski nun Süßstoffe und andere Nahrungsmittelbestandteile „systematisch auf ihre thrombogenen Effekte untersuchen“. Witkowski, M. et al.: The artificial sweetener erythritol and cardiovascular event risk. Nat Med 29, 710–718 (2023). https://doi.org/10.1038/s41591-023-02223-9 Foto: Thomas Hauss/Deutsche Herzstiftung

MEDIZIN | 19 Xylit, häufig auch als „Birkenzucker“ bezeichnet, ist ein „Zuckeralkohol“, der als kalorienarmer Süßstoff Lebensmitteln und Getränken zugesetzt wird. In der Lebensmittelindustrie wird Xylit geschätzt, weil es die Textur, die Feuchtigkeit und die Haltbarkeit von Produkten verbessert, ohne einen Nachgeschmack zu hinterlassen. Foto: mnimage - stock.adobe.com zm114 Nr. 14, 16.07.2024, (1193) BEI SÜẞSTOFF(KOMBINATION)EN HERRSCHT GROẞER FORSCHUNGSBEDARF Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) gab anlässlich der Studienergebnisse bisher keine neue Bewertung für Xylit heraus. Die jüngste Stellungnahme stammt aus dem Februar 2023 und bildet den Forschungsstand vom 23. September 2019 ab. Sie kommt zu dem Schluss, die „Mehrheit der Studien bestätigt keine Gesundheitsbeeinträchtigung – allerdings ist die Studienlage unzureichend“. Die aktuelle Datenlage zur gesundheitlichen Wirkung von Süßstoffen reicht aus Sicht der Behörde nicht aus, um eine abschließende gesundheitliche Risikobewertung vorzunehmen. Der Grund: Die bis September 2019 vorliegenden epidemiologischen Studien betrachteten ausschließlich die Süßstoffexposition aus Light-Getränken. „Die tatsächliche Exposition könnte aber wesentlich höher sein, da einzelne Süßstoffe sowie Kombinationen aus verschiedenen Süßstoffen auch in Fertigprodukten und Kosmetika (etwa Zahnpasta) verwendet werden“, schreibt das BfR. Da derzeit hauptsächlich Studien zu einzelnen Süßstoffen vorliegen, bestehe auch Forschungsbedarf zu den gesundheitlichen Wirkungen von Süßstoffkombinationen. Die BfR-Bewertung konzentrierte sich auf diejenigen Süßungsmittel, die nicht zu den zuckerähnlichen Zuckeraustauschstoffen wie zum Beispiel Xylit und Erythrit gehören. Sofern aus den ausgewerteten Humanstudien hervorgehe, welche Stoffe im Einzelnen verwendet wurden, liege der Fokus der Bewertung auf den fünf synthetischen Süßstoffen Sucralose, Aspartam, Saccharin, Cyclamat und Acesulfam K. In der Europäischen Union zugelassen sind derzeit 19 Süßungsmittel, darunter acht Zuckeraustauschstoffe: Sorbit (E 420), Mannit (E 421), Isomalt (E 953), Polyglycitolsirup (E 964), Maltit (E 965), Lactit (E 966), Xylit (E 967) und Erythrit (E 968). Chemisch betrachtet handelt es sich bei diesen Stoffen um Zuckeralkohole (Polyole). Vor ihrer Zulassung wurden alle Süßungsmittel als Teil der rund 300 zugelassenen Lebensmittelzusatzstoffe von einem internationalen Expertengremium gesundheitlich bewertet. In unregelmäßigen Abständen werden die Stoffe von den zuständigen Gremien jeweils neu geprüft, allerdings nicht alle gleichzeitig, schreibt das BfR. Deshalb wurden Prioritäten festgelegt: „Die Süßungsmittel hatten dabei eine niedrige Priorität, sie waren gemäß EU-Verordnung bis Ende des Jahres 2020 neu zu bewerten", allerdings wurden von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit inzwischen längere Fristen eingeräumt. Das Zwischenfazit des BfR lautet darum, dass die Datenlage uneinheitlich und für einige betrachtete Bevölkerungsgruppen (zum Beispiel Kinder und Schwangere sowie für bestimmte gesundheitliche Aspekte) sehr begrenzt ist. „Hieraus ergibt sich weiterer Forschungsbedarf, um fundierte Schlussfolgerungen, insbesondere zu langfristigen Auswirkungen von Süßungsmitteln für verschiedene Bevölkerungsgruppen, ableiten zu können.“

20 | ZAHNMEDIZIN AUS DER WISSENSCHAFT Frühe parodontale Wundheilung nach Chlorhexidin-Spülungen Peer W. Kämmerer Die primäre Wundheilung ist ein wesentliches Ziel der parodontalen Chirurgie. Dabei sind die Vermeidung von Biofilm-Bildung und die Stabilität der Wunde entscheidend für den Heilungserfolg. Eine aktuelle Studie zeigt, dass Chlorhexidin-haltige Mundspüllösungen die frühe Wundheilung nach parodontalchirurgischen Eingriffen verbessern können. Besonderes Augenmerk liegt hier auf der Kombination von Chlorhexidin mit Hyaluronsäure. Ziel der Studie war, die parodontale Wundheilung bei Patienten zu bewerten, die nach einem parodontalchirurgischen Eingriff mit einem Chlorhexidin-haltigen Mundspülmittel mit oder ohne Hyaluronsäure behandelt wurden. Chlorhexidin wird häufig zur Reduktion von Plaque und Gingivaentzündungen verwendet, während Hyaluronsäure zusätzlich die Wundheilung fördern kann. Studienaufbau Die randomisierte, parallel angelegte klinische Studie wurde an der Universität Pisa durchgeführt und umfasste eine Nachbeobachtungszeit von zwei Wochen. Insgesamt wurden 33 Patienten mit Parodontitis in die Studie eingeschlossen und in drei Gruppen eingeteilt: i) Chlorhexidin + Anti-Verfärbungssystem + Hyaluronsäure, ii) Chlorhexidin + Anti-Verfärbungssystem und iii) keine Behandlung (Kontrollgruppe). Die Patienten wurden nach einem standardisierten Protokoll operiert und die Wundheilung anhand des Early Healing Index (EHI) sowie der Plaque- und der Gingivaentzündungswerte nach drei, sieben und 14 Tagen bewertet. Die Patienten waren bezüglich der Behandlung verblindet und erhielten dunkelkodierte Mundspülflaschen. Das Mundspülprotokoll bestand aus einer 10-Milliliter-Spülung für 60 Sekunden zweimal täglich (alle zwölf Stunden) für 14 Tage. Ergebnisse Zu Beginn der Studie wiesen alle Patienten vergleichbare klinische Parameter auf. Nach drei Tagen war die Wundheilung in den Gruppen mit Chlorhexidin signifikant besser als in der Kontrollgruppe. Die Gruppe mit Chlorhexidin und Hyaluronsäure zeigte die besten Ergebnisse hinsichtlich Wundheilung, Plaque-Reduktion und Gingiva-Entzündung über alle Zeitpunkte hinweg. Nach 14 Tagen hatten 91 Prozent Foto: eddows - stock.adobe.com zm114 Nr. 14, 16.07.2024, (1194)

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