Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 15-16

ZAHNMEDIZIN | 29 zm114 Nr. 15-16, 16.08.2024, (1287) IST „LISTERINE COOL MINT“ KREBSERREGEND? Es ist nicht alles Gold, was als „Studie“ glänzt In einer belgischen Studie wird vor der regelmäßigen Verwendung von „Listerine Cool Mint“ gewarnt, weil die Mundspüllösung durch Mikrobiomveränderungen angeblich krebserregend sein könnte. Wie zu erwarten war, gehen solche pointierten Aussagen in Publikumsmedien schnell viral. Die Behauptung ist jedoch wissenschaftlich nicht haltbar. Mehr noch: Die Methodik und die erschreckend eindimensionale Schlussfolgerung werden unter Wissenschaftlern harsch kritisiert, wie unsere Nachfrage bei Prof. Nicole Arweiler zeigt. Die Gruppe Forschender warnt vor Listerine, weil der regelmäßige Gebrauch der alkoholhaltigen Mundspüllösung das Mikrobiom so verändern soll, dass Bakterien, die mit verschiedenen Krebserkrankungen in Verbindung gebracht wurden, vermehrt auftreten sollen. Wer die Studie genauer liest, kommt jedoch schnell zu dem Schluss, dass die Behauptung weder vom Studiendesign noch von den erhobenen Daten gedeckt ist. Das im Journal of Medical Microbiology veröffentlichte Papier ist Teil einer größeren Studie, in der die Verwendung von Mundspüllösungen als Methode zur Verringerung der Übertragung von sexuell übertragbaren Infektionen (STIs) bei Männern, die Sex mit Männern haben, untersucht wurde. Der Pharynx gilt den Studienautoren zufolge als „wichtiges Reservoir für die Infektion und Übertragung bestimmter STIs“ – insbesondere Neisseria gonorrhoeae besiedele häufig den Oropharynx und spreche an dieser anatomischen Stelle weniger gut auf Antibiotika an, heißt es in der Studie [Laumen et al., 2024]. Die Forschenden wollten dabei auch untersuchen, ob die verwendete Mundspülung Auswirkungen auf das orale Mikrobiom der Patienten hat. Für die Teilstudie wurden 64 Männer rekrutiert, die Sex mit Männern haben, eine HIV-Präexpositionsprophylaxe (PrEP) einnehmen und in den vergangenen zwei Jahren eine symptomatische oder asymptomatische sexuell übertragbare Infektion (Chlamydia trachomatis / Neisseria gonorrhoeae / Syphilis) hatten. Die Hälfte der Probanden hatte deshalb in den sechs Monaten vor Studienbeginn einen antimikrobiellen Wirkstoff eingenommen, die andere Hälfte nicht. Für die doppelt verblindete, randomisierte, kontrollierte Studie erhielten die Teilnehmer eine ihnen unbekannte Mundspüllösung, die sie über einen Zeitraum von drei Monaten verwenden sollten – danach wurde gewechselt (entweder Listerine Cool Mint oder ein Placebo). Die Probanden wurden instruiert, einmal täglich eine Minute mit 20 ml unverdünntem Mundwasser zu gurgeln und zu spülen. Darüber hinaus sollten sie die Mundspüllösung vor und nach dem Sex verwenden – ebenso ihr Partner. Abstriche wurden zu Studienbeginn, nach drei und nach sechs Monaten entnommen, wobei die Dauer zwischen der letzten Mundspülung und dem Abstrich nicht erfasst wurde. Die Abstriche wurden „durch Abreiben beider Tonsillen und des hinteren Oropharynx“ durchgeführt [Laumen et al., 2024]. Die Studie umfasste nur 54 Probanden Aufgrund des Ausscheidens von zehn Probanden konnten vollständige Proben schließlich nur von 54 Teilnehmern gesammelt werden. Lediglich 63,9 Prozent der Probanden verwendeten ihre jeweiligen StudienDie Botschaft einer aktuellen Studie über ein mögliches Krebsrisiko durch eine Listerine-Mundspüllösung ist ungefiltert in viele Publikumsmedien gelangt. Foto: JYPIX - stock.adobe.com

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