Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 15-16

ZAHNMEDIZIN | 31 zm114 Nr. 15-16, 16.08.2024, (1289) ben wurde, ob die Probanden während des Studienzeitraums regelmäßig und gegebenenfalls in welchem Umfang Alkohol konsumiert haben. Informationen über Ernährungsgewohnheiten und Rauchen wurden ebenfalls nicht abgefragt, obwohl insbesondere Rauchen deutliche Auswirkungen auf das orale Mikrobiom hat. Weitere methodische Schwächen sind die kleine Kohorte sowie der ausgewählte Probanden-Pool (ausschließlich Männer, PrEP, sexuell übertragbare Infektion innerhalb der letzten zwei Jahre). Die Ergebnisse dieser Studie sindoffensichtlich nicht repräsentativ für die Gesamtbevölkerung. Der Abstrich erfolgte nicht oral Weiterhin wurden alle Abstriche im hinteren Oropharynx und im Bereich der Tonsillen entnommen und nicht oral. Inwieweit die Mundspüllösung in diesen Bereich gelangt ist, bleibt fraglich. Ebenso stellt sich die Frage, ob diese Abstriche auch nur annähernd das Mikrobiom der Mundhöhle repräsentieren können. Über die Mundgesundheit der Probanden gibt es überdies keinerlei Informationen. Die Probanden haben angegeben, die Mundspüllösung nicht exakt gemäß dem Protokoll verwendet zu haben (nur knapp über die Hälfte verwendete die Spüllösung täglich). Auch wurden die Abstriche nur in dreimonatigen Abständen entnommen – ohne zu dokumentieren, wann zuletzt gespült wurde. Bemerkenswert ist weiterhin, dass Laumen und ihre Kollegen auch nach der Placebo-Spülung signifikante Veränderungen im Mikrobiom feststellten. Dies ist ein Hinweis darauf, dass auch andere Faktoren neben der Listerine-Spülung für die Mikrobiomveränderungen infrage kommen. Auch wenn Alkohol als Bestandteil von Mundspüllösungen durchaus kritisch diskutiert werden kann, ist die Schlussfolgerung der Autoren, auf der Basis der vorliegenden Daten auf eine Gesundheitsgefahr von Listerine zu schließen, wissenschaftlich nicht haltbar. In Verbindung mit einer darauf aufsetzenden Berichterstattung in den Publikumsmedien, die insbesondere die nicht repräsentative Zusammensetzung der Probandengruppe unterschlägt und den Eindruck erweckt, die Studienergebnisse ließen sich problemlos auf die Bevölkerung übertragen, wird der Glaubwürdigkeit der Wissenschaft im öffentlichen Raum ein Bärendienst erwiesen. nl Die Studie: Laumen JGE, Van Dijck C, Manoharan-Basil SS, de Block T, Abdellati S, Xavier BB, Malhotra-Kumar S, Kenyon C: The effect of daily usage of Listerine Cool Mint mouthwash on the oropharyngeal microbiome: a substudy of the PReGo trial. J Med Microbiol. 2024 Jun;73(6). doi: 10.1099/jmm.0.001830. PMID: 38833520. klar, dass die Untersuchung keine für die breite Bevölkerung repräsentativen Daten liefern wird. Das Mikrobiom dieser doch immungeschwächten Teilnehmergruppe kann kein „Baseline-Mikrobiom“ darstellen, so dass auch das Cross-Over-Design – also die Anwendung einer Kontroll-Spüllösung und der Testlösung im Wechsel – nicht zu wirklich kontrollierten Bedingungen führt. Wenn dann dennoch ein Risiko nicht spezifisch für die Probandengruppe, sondern repräsentativ für die gesamte Population abgeleitet wird, widerspricht das elementaren Regeln wissenschaftlichen Schlussfolgerns. Das müssen sich die Autorinnen und Autoren leider vorwerfen lassen. Die Warnung für alle vor der Mundspüllösung Listerine Cool Mint ist aber genau die Botschaft, die Publikumsmedien transportieren … Ja – leider. Natürlich haben Journalisten eine Sorgfaltspflicht und es ist ja nicht so, dass alles kritiklos übernommen wurde. Da kamen teils Fachexperten und Medizinjournalisten zu Wort und etliches wurde sinnvoll eingeordnet. Aber die für die Einschätzung der Repräsentativität wichtigen Informationen zur Probandengruppe fehlen fast überall. Wie beurteilen Sie die Verwendung alkoholhaltiger Mundspüllösungen? Wer sollte sie nehmen? Was ist an Nebenwirkungen bekannt? Während es für mittlerweile alle antibakteriellen Mundspüllösungen eine alkoholfreie Alternative gibt, sehe ich strenge Kontraindikationen bislang nur bei Kindern, Jugendlichen, Schwangeren, bei Menschen mit sehr trockener Mundschleimhaut (wegen des Austrocknungseffekts von Alkohol) und bei ehemaligen Alkoholikern. Denn als Nebenwirkung ist nur der „wasserentziehende“ Effekt wirklich nachgewiesen. Man sollte auch bedenken, dass die alkoholfreien Varianten andere Agenzien als Lösungsvermittler benötigen, die möglicherweise auch Nebenwirkungen haben könnten. Bezüglich der Wirksamkeits-Äquivalenz von alkoholfreien zu alkoholhaltigen Varianten gibt es für Listerine und andere spezielle Produkte verschiedene Studien, für manche Produkte steht aber der Nachweis dazuaus. Daher können gesunde Erwachsene mit Zahnfleischentzündungen oder einer hohen Keimbelastung durchaus auch mit einer alkoholhaltigen Mundspüllösung spülen (schließlich wird in dieser Gruppe ja auch Alkohol getrunken), der Markt hat aber für die – auch in der Leitlinie zum chemischen Biofilm-Management bei Gingivitis – empfohlenen Mundspüllösungen wirksame alkoholfreie Produkte. Das Gespräch führte Benn Roolf. Prof. Dr. Arweiler hat nach eigenen Angaben keine Interessenkonflikte. „Die Informationen zur Probandengruppe fehlen fast überall.” FEEDBACK

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