Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 15-16

POLITIK | 35 Ein weiterer Unterschied zu Deutschland: Es gibt keine freie Arztwahl und beim Besuch eines Gesundheitszentrums ist eine finanzielle Beteiligung fällig. Ambulante Behandlungen und die Pflege zu Hause sind in Finnland die Regel, stationäre Behandlungen hingegen die Ausnahme. Chronisch Erkrankte und ältere Pflegebedürftige werden zu Hause von mobilen Teams versorgt, die von den zuständigen Gesundheitszentren gesteuert werden. Insgesamt setzt Finnland sehr stark darauf, dass die Einwohnerinnen und Einwohner selbst Verantwortung für ihre Gesundheit übernehmen. Gesundheitskompetenz wird bereits in der Schule gelehrt. Arbeitgeber sind verpflichtet, ein betriebliches Gesundheitsmanagement anzubieten. Und im Gegensatz zu Deutschland gibt es im finnischen Gesundheitswesen eine konsequente Digitalisierung, wie im Whitepaper ausgeführt wird. Die elektronische Patientenakte (ePA) ist seit mehr als 20 Jahren ein zentrales Werkzeug, um die Gesundheitsversorgung zu verbessern. Opt-out ist grundsätzlich möglich, wird aber selten genutzt. Seit 2008 lassen sich Rezepte für verschreibungspflichtige Medikamente digital ausstellen, Verordnungen können in jeder Apotheke abgeholt werden (inzwischen auch in weiteren Ländern wie Estland und Schweden). Alle Akteurinnen und Akteure im Gesundheitswesen, auch private Anbieter, sind verpflichtet, die ePA zu nutzen. Die Bürgerinnen und Bürger können so zu jeder Zeit alle über sie gespeicherten Daten einsehen. Preusker benennt aber auch Probleme, mit denen das finnische Gesundheitssystem zu kämpfen hat: So gebe es etwa Personalmangel, einen steigenden Kostendruck und Bestrebungen, diese zu senken. Auch der Zugang zur Versorgung sei manchmal problemazm114 Nr. 15-16, 16.08.2024, (1293) SOTE – DIE GESUNDHEITSREFORM IN FINNLAND Die umfangreiche finnische Sozial- und Gesundheitsreform (SOTE) wurde – nach jahrelangen Vorarbeiten – zum 1. Januar 2023 umgesetzt. Ziel ist die Stärkung der finanziellen Basis der Versorgung, gleiche Zugangsmöglichkeiten für alle und die Reduzierung von Ungleichheiten. Gesundheitszentren sind die Hautanbieter für die Primärversorgung. Zentrale Aufgaben sind die Basis-Versorgung von akuten und chronisch erkrankten Patienten, Gesundheitsberatung, Impfungen, Vorsorgeuntersuchungen und die zahnärztliche Versorgung. Die Zentren bieten Sprechstunden von Pflegekräften, Ärztinnen und Ärzten, Zahnärztinnen und Zahnärzten, Zahnhygienikern und Physiotherapeuten. An größeren Standorten ist eine zusätzliche Diagnostik (zum Beispiel Röntgen) möglich. Patientinnen und Patienten haben mehrere Möglichkeiten des Zugangs zur Versorgung: Bei akuten Problemen erfolgt eine telefonische Konsultation des Gesundheitszentrums. Geschulte Krankenpflegekräfte nehmen sofort eine Einschätzung vor, ob und wann ein Besuch im Zentrum notwendig ist, bei Bedarf kann ein Arzt noch während des Erstkontakts konsultiert werden. Bei nicht-akuten Problemen wird ein Fragebogen im Internet ausgefüllt, der Basis für die weitere Diagnostik und die Terminvergabe ist. Auch der direkte Gang vor Ort zum Zentrum ist möglich, dann erfolgen dort eine Einschätzung durch die Krankenpflegekräfte. Für Notfälle – auch nachts, an Wochenenden und Feiertagen – gibt es gemeinschaftliche Notdiensteinrichtungen der Grund- und Spezialversorgung. Außerdem existiert eine 24-Stunden-Bereitschaft an größeren Zentren. Es gibt eine landesweite Beratungs-Telefonnummer 116117 und eine landesweite Notrufnummer 112. Eine staatliche Online-Plattform für medizinische Versorgung (Kanta) beinhaltet unter anderem eine ePA, in der beispielsweise Diagnosen und Rezepte, aber auch Entscheidungen zur Organspende hinterlegt und teilweise angefordert werden können. Inzwischen sind nahezu alle erhobenen gesundheitsbezogenen Daten digitalisiert. Nach persönlicher Identifizierung können Nutzerinnen und Nutzer auf ihren personalisierten Patientenbereich (My Kanta Pages) zugreifen. ZAHNÄRZTLICHE VERSORGUNG Nur zahnärztliche Notfälle oder Sozialfälle laufen in Finnland über das staatliche System, berichtet der Autor des Whitepapers, Sven Preusker, gegenüber den zm. Dafür zuständig seien Zahnkliniken, die an Krankenhäusern oder Notaufnahmen angesiedelt sind. Man könne dort auch Termine machen – allerdings mit sehr langen Wartezeiten. Für Kinder und Jugendliche bis zum 18. Lebensjahr sei die Zahnbehandlung im öffentlichen System kostenfrei (auch Kieferorthopädie), berichtet Preusker weiter. Reguläre Check-ups würden in der ersten, in der fünften und in der achten Klasse stattfinden, die Gemeinde, wo die Schule besucht wird, lade dazu ein. Auch bei den regulären schulärztlichen Untersuchungen werde auf Mundgesundheit eingegangen. Die meisten Behandlungen erfolgen laut Preusker aber privat. Die staatliche Sozialversicherung Kela zahlt dabei einen (kleinen) Anteil der Rechnung. Weitere Informationen sind etwa auf der Webseite https://www.infofinland.fi/ en/health/dental-care zu finden.Wer keine dringende Behandlung benötigt, muss demnach mehrere Monate warten. Spätestens innerhalb von vier Monaten muss ein Zugang zur medizinischen Versorgung erfolgen. Wer einen Termin vereinbaren möchte, ruft den örtlichen Mundgesundheitsnotdienst an und es wird schnell geholfen. Abends und am Wochenende ist die Notfallversorgung in größeren Einheiten zentralisiert. Wer auf dem Land lebt, muss möglicherweise in die nächste Stadt reisen, um versorgt zu werden. Wer eine anspruchsvollere Behandlung benötigt, erhält eine Überweisung zur weiteren Behandlung. Wer seinen Termin nicht storniert hat, bekommt eine Gebühr ohne Anwesenheit berechnet.

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