Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 15-16

zm114 Nr. 15-16, 16.08.2024, (1294) 36 | POLITIK tisch. Zudem nähmen seelische Erkrankungen zu, bei langen Wartezeiten und fehlenden Therapiemöglichkeiten. Vier Ansätze, die für Deutschland interessant sein könnten Das Whitepaper stellt vier Ansätze des finnischen Gesundheitswesens heraus, die Deutschland nach Ansicht des Autorenteams adaptieren könnte: 1. Regionale Strukturen stärken Empfohlen wird, regionale Initiativen zu fördern und den (vertraglichen) Handlungsspielraum für die Beteiligten vor Ort zu erweitern. Regionale Versorgungskonzepte sollten bestehende Strukturen und Angebote miteinander vernetzen. 2. Arztunterstützende Berufe ermächtigen Vor dem Hintergrund des zunehmenden Fachkräftemangels müsse diskutiert werden, welche Aufgaben zum Beispiel Pflegekräfte künftig selbstständig übernehmen können. Auch neue Berufsbilder wie Community Nurses oder Physician Assistants könnten die Versorgung entlasten. Die Autoren räumen allerdings ein, dass die Ärzteschaft in Deutschland auf solche Vorschläge bisher verhalten reagiert habe. 3. Digital vernetzen Eine gelebte „ePA für alle“ erleichtert nachAuffassung des Autorenteams die interdisziplinäre Zusammenarbeit und sorgt für Transparenz in der Behandlung. In Deutschland müssten bürokratische Hürden abgebaut werden. Telemedizin sollte kein zusätzliches Angebot darstellen, sondern müsse Hausbesuche oder Konsultationen vor Ort ersetzen. 4. Gesundheitskompetenz stärken Prävention und Gesundheitskompetenz seien eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, schreiben die Autoren. Sie gehörten in den schulischen Lehrplan und müssten auch danach durch passgenaue Angebote immer wieder adressiert werden – egal ob in der Ausbildung oder am Arbeitsplatz. pr Vor allem in entlegenen Regionen Finnlands sind die Gesundheitszentren die erste Anlaufstelle für Patientinnen und Patienten – oft mit langen Anfahrtswegen. Foto: Igor Groshev - stock.adobe.com DÄNEMARK UND GROẞBRITANNIEN Die SBK Siemens Betriebskrankenkasse hat bisher Whitepaper zu zwei weiteren Ländern veröffentlicht: zu Dänemark und zu Großbritannien. Dänemark: Fokussiert wird hier die Rolle der Digitalisierung und der elektronischen Patientenakte (ePA). 1999 hatte Dänemark die erste landesweite E-Health-Strategie verabschiedet, 2003 wurde das staatliche Gesundheitsportal sundhed.dk eingeführt. Dort finden Bürgerinnen und Bürger ebenso wie medizinisches Fachpersonal relevante Informationen rund um die Gesundheit und das Gesundheitswesen. Die digitale Gesundheitsakte war von Anfang an ein integraler Bestandteil der Gesamtstrategie. Das „Sundhedsjournalen“ stellt seit 2012 Testergebnisse, Überweisungen, Arztbriefe und weitere medizinische Informationen digital bereit. Auch Kinder haben eine ePA, die Verwaltung übernehmen die Eltern, Ärzte können aktuelle Medikationen einsehen. Auch Angehörige können Zugriff auf die Akte eines Patienten erhalten. Alle Einwohnerinnen und Einwohner erhalten gleich nach der Geburt die sogenannte CPR-Nummer. Diese Identifikations- und Referenznummer wird übergreifend für alle Behörden verwendet, nicht nur im Gesundheitssektor. Funktionen wie das elektronische Rezept sind integriert. Seit 2004 sind Ärztinnen und Ärzte aus der Primärversorgung verpflichtet, ein IT-System für die Verwaltung elektronischer Patientenakten zu verwenden. Die Hausärzte sind über klinische Nachrichtensysteme mit Fachärzten, Apotheken, Laboren und Krankenhäusern verbunden. Die Steuerung der digitalen Angebote erfolgt von staatlicher Stelle. Großbritannien: Hier greift das Whitepaper das Thema Datenschutz heraus. In Arbeit ist demnach eine einheitliche Cybersicherheitsstrategie, die ab 2030 alle Sektoren der Gesundheitsversorgung erfassen soll. Hackerangriffe sind für britische Institutionen oft ein Problem, zum Beispiel griffen Kriminelle im Sommer 2023 das IT-System des Bart Health NHS Trusts an, eines Krankenhausbetreibers in London mit über 2,5 Millionen Patientinnen und Patienten. Gefordert wurde ein Lösegeld, die Hacker hatten 70 Terabyte an sensiblen Daten an sich gebracht. Als Konsequenz hat jetzt das NHS Cyber Security Operations Centre (NHS CSOC) die Aufgabe, den Akteuren im Gesundheitswesen in Echtzeit Schutz vor verdächtigen Aktivitäten zu bieten und Maßnahmen für das Cybersicherheitsmanagement zu definieren. In Großbritannien gibt es auch die ePA. Die Versicherten können eigenständig entscheiden, welche Daten sie teilen wollen und mit wem. Hausarztpraxen und medizinische Fachkräfte können bei Einwilligung auf Basisinformationen wie Allergien und Medikamente zugreifen. Wer will, kann auch sensiblere Informationen wie die medizinische Vorgeschichte oder Gründe für die Einnahme bestimmter Medikamente speichern. Jeder kann selbst entscheiden, ob er einer Datenfreigabe zu Forschungs- und Planungszwecken zustimmt. Es gibt ebenfalls die Option, sich komplett gegen eine Freigabe seiner persönlichen Gesundheitsdaten auszusprechen – das wird jedoch sanktioniert. Man kann dann weder den elektronischen Rezeptdienst noch die elektronische Überweisung nutzen.

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