PRAXIS | 41 Diese Studie wurde 2021 – noch während der Pandemie – an der Universität Witten/Herdecke neu aufgelegt. Die Ergebnisse sind noch nicht publiziert, werden aber auf der Jahrestagung des Arbeitskreises für Psychologie und Psychosomatik (AKPP) der DGZMK am 25. und 26. Oktober in Witten vorgestellt. So viel kann jedoch schon verraten werden: Nach wie vor ist ein Anteil von 13,1 Prozent der Zahnärzteschaft von Burn-out betroffen und 30,8 Prozent der Befragten sind Burn-out-gefährdet. Im nationalen Zehn-Jahres-Vergleich lässt sich trotz der Sensibilisierung der Zahnärzteschaft sowohl für die Kernskala emotionale Erschöpfung als auch für die Skalen Depersonalisierung und reduziertes persönliches Leistungsempfinden kaum eine Veränderung der Mittelwerte feststellen [Lefarth und Jöhren, 2024 (bislang unveröffentlicht)]. Die größten Stressoren – Misserfolge und Behandlungsfehler Der zahnärztliche Berufsalltag erfordert heute neben Fachwissen, manueller Geschicklichkeit und körperlicher Leistungsfähigkeit auch sehr gute Kenntnisse in den Bereichen Qualitätssicherung und Unternehmensführung. Personalführung, Flexibilität bei hohen Krankenständen und Mitarbeiterrekrutierung sind zentrale Themen der Praxisführung geworden. Geeignete Mitarbeitende für die Praxis zu gewinnen, war noch nie so schwierig wieheute. Die Ergebnisse der jüngsten Burn-outStudie aus Witten zeigen, dass Misserfolge und Behandlungsfehler nach wie vor als die größte Belastung empfunden werden, dicht gefolgt von dem eigenen Anspruch und dem Streben nach Perfektion. Die staatlichen Reglementierungen, etwa zum Themenkomplex Hygiene und Qualitätsmanagement, folgen direkt danach. Viele Zahnärztinnen und Zahnärzte leiden unter den zahlreichen, ausufernden Verwaltungsaufgaben und der Einhaltung von Vorschriften und Vorgaben. Das Arbeiten unter Zeitdruck, fehlende Pausen und vor allem lange Arbeitszeiten werden von der Mehrheit der Teilnehmenden als stark stressauslösend angegeben [Lefarth und Jöhren, 2024]. Die Arbeitszeit ist dabei der meistgenannte zentrale Stressor, da sich in der Folge Konflikte zwischen Arbeits- und Privatleben ergeben. Darunter fallen beispielsweise verpasste Familienmahlzeiten, fehlende Zeit mit dem Partner oder Kinderbetreuungsprobleme [Shanafelt, 2009]. Die praktische Arbeit und der Umgang mit den Patienten hingegen werden von vielen Teilnehmenden nicht als Stressbelastung, sondern als Berufung empfunden [Lefarth und Jöhren, 2024]. Auch die Studierenden sind betroffen Im 12. Studierenden-Survey des BM für Bildung und Forschung wurde das Studium der Zahnmedizin mit durchschnittlich 42,5 Stunden pro Woche veranschlagt. Damit ist es nach der Veterinärmedizin einer der zeitaufwendigsten Studiengänge – die Zeit fürs Lernen in den Abendstunden und an den Wochenenden nicht mitgerechnet [Ramm et al., 2014]. Vorlesungsfreie Zeiten sind schon heute keine Semesterferien im klassischen Sinn mehr, sondern dienen erst der Behandlung am Phantom und später der Gewinnung und Behandlung von Patienten. Im Studium führen die lange Zeit der Dauerbelastung und nicht ausreichende Bewältigungsstrategien im ersten Schritt zu stressbedingten Symptomen. Entsprechend den gerade erst veröffentlichten Untersuchungen des Studierendenparlaments (StuPa) des Freien Verbandes Deutscher Zahnärzte (FVDZ) leidet mehr als die Hälfte der Zahnmedizinstudierenden an Schlafstörungen und Antriebsmangel [2022]. Während der Pandemie wurden Burnout-Symptome unter Zahnmedizinstudierenden in verschiedenen Ländern wie Saudi-Arabien, Südkorea, Italien und den USA untersucht. Dort führte vor allem die durch die Pandemie erforderliche Anpassung von Hygienekonzepten zu einem Anstieg. Die Symptome reichen von Müdigkeit bis zu Depressionen Diese und weitere Erscheinungsbilder der hohen Stressbelastung begleiten eine Vielzahl von Zahnärzten ihr Berufsleben lang – und äußern sich in zm114 Nr. 15-16, 16.08.2024, (1299) ZM-LESERSERVICE Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion angefordert werden. Cand. med. dent Katharina Lefarth Universität Witten-Herdecke Department für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde Alfred-Herrhausen-Str. 50, 58448 Witten Foto: privat Dr. Carolin Wissel-Seith Akademie für Zahnärztliche Fortbildung Karlsruhe Lorenzstr. 7, 76135 Karlsruhe Foto: AZFK - Akademie für Zahnärztliche Fortbildung Karlsruhe Prof. Dr. Hans-Peter Jöhren Universität Witten-Herdecke Department für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde Alfred-Herrhausen-Str. 50, 58448 Witten Foto: privat
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