Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 15-16

46 | TITEL dünn (≤ 1 mm), wenn Sonde durch Gingiva sichtbar; dick (> 1 mm), wenn Sonde nicht sichtbar) und die Breite der keratinisierten Gewebe vom Gingivarand bis zur Mukogingivalinie [Jepsen et al., 2018]. Der Begriff „parodontaler Phänotyp“ umfasst zusätzlich die Dicke des bukkalen Knochens, die allerdings nur aufwendiger (zum Beispiel mit DVT) bestimmt werden kann. Untersuchungen haben gezeigt, dass ein dünner Phänotyp das Risiko für das Entstehen und Voranschreiten von gingivalen Rezessionen erhöhen kann. Mukogingivale Zustände mit Rezessionen Gingivale Rezession ist definiert als die apikale Verlagerung des Gingivarandes bezogen auf die Schmelz-Zement-Grenze [Pini Prato, 1999], verbunden mit Attachmentverlust und Freiliegen der Wurzeloberfläche. Sie kann an allen Zahnflächen auftreten. Ätiologisch spielen die folgenden prädisponierenden Faktoren bei der Entstehung von Rezessionen eine Rolle [Cortellini und Bissada, 2018; Jepsen et al., 2018; Chambrone et al., 2019]: „ anatomisch: dünner Phänotyp, Abwesenheit befestigter Gingiva, Zahnstellung, knöcherne Dehiszenzen beziehungsweise Fenestrationen „ pathologisch: Parodontitis „ iatrogen: intrasulkuläre Platzierung von Restaurationsrändern, vor allem bei dünnem Phänotyp, Spätfolge kieferorthopädischer Zahnbewegungen, insbesondere bei bukko-lingualer Bewegung (zum Beispiel Proklination unterer Inzisivi) und dünnem Phänotyp „ traumatisch: traumatische Zahnputztechnik sowie Fremdkörper in Kontakt mit dem Gingivarand (zum Beispiel Lippenpiercing) „ Es gibt keine Evidenz dafür, dass okklusale Kräfte gingivale Rezessionen verursachen. Seit 2018 werden mukogingivale Zustände mit Rezessionen durch eine neue Klassifikation beschrieben [Jepsen et al., 2018]. Diese bezieht neben der eigentlichen Rezessionstiefe (zum Beispiel bukkal) und dem interdentalen klinischen Attachmentverlust [Cairo et al., 2011] auch den gingivalen Phänotyp, den Zustand der Wurzeloberfläche (Defekte des Wurzeldentins durch nicht-kariöse zervikale Läsionen oder Karies) und die Erkennbarkeit der Schmelz-Zement-Grenze [Pini Prato et al., 2010] mit ein [Cortellini und Bissada, 2018] (Abbildungen 1 und 2). Weitere wichtige Faktoren können die Zahnposition, ein abnormes Frenum und die Zahl angrenzender Rezessionen sein, selbstverständlich aber auch patientenbezogene Probleme wie Ästhetik und Dentinhypersensititivät. Deren Einbeziehung ist deshalb so bedeutsam, weil sie bei der Planung eines Eingriffs zur Rezessionsdeckung eine Rolle spielen. Die aktuelle Klassifikation hat die bis dahin gültige Klassifikation nach Miller (1985) mit den Rezessionsklassen I bis IV abgelöst. Dennoch wird man diese in vielen Literaturübersichten und Analysen nach wie vor finden, da sie bis vor wenigen Jahren in allen Studien verwendet wurde. Indikationen und Behandlungsziele Mukogingivale Zustände ohne Rezessionen Ob eine bestimmte Menge keratinisierter Gewebe an natürlichen Zähnen erforderlich ist, um die parodontale Gesundheit aufrechterhalten zu können, ist immer schon kontrovers diskutiert worden. Konsens besteht heute darüber, dass dafür keine minimale Menge an Gingiva erforderlich ist, vorausgesetzt der Patient ist in der Lage, eine optimale Mundhygiene zu betreiben [Jepsen et al., 2018]. Wenn die individuellen mukogingivalen Gegebenheiten des Patienten das aber nicht zulassen, kann eine Gingivaaugmentation sinnvoll sein. Angestrebt wird hier mindestens eine Breite der keratinisierten Gewebe von 2 mm und der befestigten Gingiva von 1 mm [Kim und Neiva, 2015; Scheyer et al., 2015]. Parodontalchirurgische Eingriffe zur Verdickung der Gingiva und zur Verbreitung der keratinisierten Gewebe und damit der Modifizierung des gingivalen Phänotyps werden heute als „Phenotype Modification Therapy (PMT)“ bezeichnet [Barootchi et al., 2020]. Derartige Eingriffe können auch bei Patienten mit dünnem Phänotyp indiziert sein, um Rezessionen prävenzm114 Nr. 15-16, 16.08.2024, (1304) „ 1977–1983: Studium der Zahnmedizin in Mainz und Hamburg „ 1983–1985: Weiterbildung Oralchirurgie Universität Hamburg „ 1986–1988: PostgraduiertenStudium in Parodontologie / Orale Implantologie, Loma Linda University, Kalifornien, USA „ 1989–1991: Post Doc Parodontologie / Implantologie / Orale Mikrobiologie (DFGStipendium) „ 1992–1993: wissenschaftliche Mitarbeiterin, Klinik für Zahnerhaltung & Parodontologie, Uni Kiel „ 1997: Spezialistin der Deutschen Gesellschaft für Parodontologie „ 1993–2008: Praxistätigkeit in eigener Praxis für Parodontologie und Implantologie in Hamburg „ seit 2008: Oberärztin, Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, Universität Bonn PD Dr. med. dent. Karin Jepsen Zentrum für Zahn-, Mund-, Kieferheilkunde, Universitätsklinikum Bonn, Welschnonnenstr. 17, 53111 Bonn Univ.-Prof. Dr. med. dent. Dr. med. Søren Jepsen, MS Direktor der Poliklinik für Parodontologie, Zahnerhaltung und Präventive Zahnheilkunde, Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, Universitätsklinikum Bonn Welschnonnenstr. 17, 53111 Bonn Foto: privat Foto: privat

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