Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 17

zm114 Nr. 17, 01.09.2024, (1376) 14 | POLITIK sorgung dar. Viele Akteurinnen und Akteure erbringen in unterschiedlichen Settings zu unterschiedlichen Kosten gleichartige Leistungen wie Mandeloperationen oder Graue-StarOperationen. Reformansätze wie etwa, Akteure in beiden Sektoren tätig werden zu lassen, oder die Vereinheitlichung der Vergütung unabhängig von Art und Ort der Leistungserbringung, erweisen sich laut Untersuchung als sehr schwierig in der Umsetzung. Zur Methodik: Health System Performance Assessment (HSPA) ist eine von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) unterstützte Methode, die eine kontinuierliche und systematische Messung der Leistungsfähigkeit von Gesundheitssystemen ermöglicht. Der jetzt vorliegende HSPA-Bericht ist das zweite von insgesamt drei Modulen. Ziel ist auch, die Stärken und Schwächen des deutschen Gesundheitswesens zu benennen. Gemessen wurden: 1. der Zugang zum Gesundheitssystem und zur Versorgung, 2. die Qualität der Versorgung, 3. der Beitrag zur Bevölkerungsgesundheit und die Responsivität, das heißt, wie auf die Erwartungen der Bevölkerung eingegangen wird, 5. die Effizienz, also das Verhältnis der Zielerreichung und der eingesetzten Ressourcen. Je nach Datenverfügbarkeit umfasste die Zeitspanne die Jahre 2000 bis 2023. pr Das Projekt „Pilotierung einer systematischen Messung der Leistungsfähigkeit und Effizienz des deutschen Gesundheitssystems (Health System Performance Assessment – HSPA)“ wurde im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums an der TU Berlin unter der Leitung von Prof. Dr. Reinhard Busse durchgeführt. Die knapp 500 Seiten umfassende Analyse richtet sich an ein Fachpublikum. WAS ANDERE SAGEN: Eine bevölkerungsrepräsentative Untersuchung von Allensbach ergab, dass jeder zweite Deutsche davon überzeugt ist, dass die Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems erodiert. Zwischen 2012 und 2022 bewerteten durchgängig rund 80 Prozent die Gesundheitsversorgung und das Gesundheitssystem positiv. Auch jetzt hält zwar die große Mehrheit den Status quo für (noch) zufriedenstellend, aber mittlerweile glaubt jeder Zweite, dass das System verfällt. Das Vertrauen, bei Bedarf gut versorgt zu werden, ist seit 2022 steil zurückgegangen. Die Gründe dafür sind sind Erfahrungen mit Engpässen, längeren Wartezeiten auf einen Arzttermin und eine verschärfte Situation rund um Ärztemangel und Pflege. Der Expertenrat „Gesundheit und Resilienz“ der Bundesregierung bilanzierte in seiner aktuellen Stellungnahme: In das deutsche Gesundheitssystem werde zwar sehr viel Geld gesteckt, es sei aber nicht gut auf die Zukunft vorbereitet und im internationalen Vergleich sehr teuer. Mit 12,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts sind die Gesundheitskosten in Deutschland nach den USA im OECD-Vergleich am höchsten. Und auch EU-weit steht Deutschland bei den Ausgaben mit deutlichem Abstand an der Spitze. Das liege vor allem daran, dass überdurchschnittlich viele Krankenhausbetten vorgehalten und stark überdurchschnittlich viele Leistungen wie etwa Arzt-Patienten-Kontakte und stationäre Behandlungen erbracht werden. Bei der Lebenserwartung gehört Deutschland in Westeuropa zu den Schlusslichtern und verliert weiter den Anschluss. Das ergab eine aktuelle Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) und des Max-Planck-Instituts für demografische Forschung. Untersucht wurden Sterblichkeitstrends über mehrere Jahrzehnte hinweg. Der Rückstand Deutschlands auf die durchschnittliche Lebenserwartung bei Geburt im restlichen Westeuropa betrug demnach im Jahr 2000 rund 0,7 Jahre. Dieser Abstand hat sich bis 2022 auf 1,7 Jahre vergrößert, heißt es dort. Der Beginn der 2000er-Jahre sei dabei einen Wendepunkt durch die Sterblichkeit an nichtübertragbaren Krankheiten. Deutschland wurde mit 14 weiteren europäischen Ländern verglichen. ZWEI FRAGEN AN PROF. DR. REINHARD BUSSE „Wir konnten zeigen – manches stimmt, vieles auch nicht!“ Welche Bedeutung hat diese Forschungsarbeit? Prof. Dr. Reinhard Busse: Noch vor Kurzem galt für viele: „Wir haben eines der besten Gesundheitssysteme der Welt.“ Doch welche Belege gab es dafür? Guter Zugang, hohe Qualität, überdurchschnittlicher Beitrag zur Bevölkerungsgesundheit, System erfüllt auch die nichtmedizinischen Erwartungen der Bevölkerung, ist besonders effizient? Wir konnten zeigten – manches stimmt, vieles auch nicht, alles im allem eine gute Basis, um das System Evidenz-basiert zu verbessern. Welche Empfehlungen ergeben sich daraus an die Politik? Realistischerweise gibt es nur zwei Lösungen: 1. Wir verbessern bei gleichbleibenden Ressourcen das Ergebnis, senken also unnötige Krankenhausfälle bei Indikationen wie Bluthochdruck oder Diabetes – und verringern die Krankenhaussterblichkeit etwa bei Herzinfarkt durch weniger Krankenhausstandorte, die aber alle über einen Linksherzkatheter verfügen. 2. Wir verringern die dem System zur Verfügung gestellten Ressourcen, insbesondere die finanziellen. Derzeit setzt die Politik – zu Recht – zunächst auf den ersten Weg. Die Fragen stellte Gabriele Prchala. Foto: TU Berlin

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