20 | PRAXIS zm114 Nr. 17, 01.09.2024, (1382) der persönlichen Nähe länger bei der Stange, bilanziert die TK. Je höher die Verbundenheit, desto später wollen Angestellte in den Ruhestand. Dasselbe gilt im Hinblick auf die Flexibilität: Wer seine Arbeitszeit und seinen Arbeitsort flexibel gestalten kann und damit damit weniger Konflikte zwischen Work und Life hat, scheidet später aus dem Berufsleben aus. Umgekehrt bedeutet das: Wer einen großen Konflikt zwischen Arbeits- und Privatleben spürt, will früher gehen, unabhängig vom finanziellen Polster. Übrigens: Je weniger Fehlzeiten Beschäftigte in jüngeren Jahren hatten, desto eher waren sie mit 67 auch noch berufstätig. Auch Handrock hat beobachtet, dass bei Älteren häufig ein Bedürfnis nach erhöhter Flexibilität besteht, damit sie ihren familiären Verpflichtungen nachgehen können, wie zum Beispiel Angehörige pflegen oder Enkel betreuen. Eine der wichtigsten Stellschrauben ist, die eigene Arbeitszeit individuell anpassen zu können – das ist auch ein zentrales Ergebnis der TK-Umfrage. Doch während fast drei Viertel der Befragten sich diese Option wünscht, hat nur ein Drittel auch wirklich die Möglichkeit. Unterm Strich geht aus der Befragung hervor, dass sich ältere Beschäftigte eine größere Selbstbestimmung im Job wünschen. Mehr Freiräume erhöhen die Motivation Gesteht man ihnen mehr frei verfügbare Urlaubstage zu, gibt man ihnen mehr Freiraum bei der Gestaltung ihrer Teilzeit und lässt man sie die Verwaltungstätigkeiten auch mal im Homeoffice machen, erhöht sich Handrocks Erfahrung die Bereitschaft, länger im Team zu verbleiben. Durch die langsame Reduzierung der wöchentlichen Arbeitsstunden könne dann auch ein flexibler Übergang in den Ruhestand erfolgen. Die Expertin hat noch einen weiteren Hinweis: „Bei Personen, die in Partnerschaft leben, stellt die Verrentung des Partners eine Verlockung dar, ebenfalls in Ruhestand zu gehen. Aber minimale Beschäftigungen in Kombination mit flexiblen Urlaubsmodellen können hier die Bereitschaft zum Weiterarbeiten fördern. Dabei ist es durchaus möglich, ältere Mitarbeitende auch über das Rentenalter hinaus, zum Beispiel für einzelne Nachmittage, fest zu gewinnen, was das ganze Team oft spürbar entlastet.“ Gabel rät Chefs, einen ergonomischen Arbeitsplatz anzubieten, der auf die Bedürfnisse älterer Mitarbeiterinnen zugeschnitten ist. Ohnehin sei das betriebliche Gesundheitsmanagement für die Altersgruppe relevanter denn je: „Implementieren Sie Programme zur Förderung der Gesundheit und des Wohlbefindens älterer Mitarbeitenden, um ihre Leistungsfähigkeit und Motivation zu erhalten.“ Nicht zuletzt sei das Energielevel ein anderes als bei jungen Kollegen. Aufgaben und Einsatzzeiten könnten entsprechend angepasst werden. Der Report räumt hier auch mit Klischees auf: Zwar haben ältere Beschäftigte wirklich oft keine rechte Lust mehr auf neue Technik, doch wenn diese unliebsame Aufgaben erledigen und Abläufe vereinfachen, sind auch siedabei. Das Abstellgleis ist der sichere Rausschmeißer Unternehmenskultur, der Führungsstil und das Betriebsklima werden auch von älteren Angestellte auf der HabenSeite verbucht, sind die Ergebnisse des Reports. Vertrauen und Wertschätzung auf beiden Seiten stärken Bindung und Zufriedenheit. Sogenannte „Health Benefits“, zusätzliche Gesundheitsleistungen, die der Arbeitgeber finanziert, können ein weiterer Baustein sein. Ganz wichtig: Arbeitgeber sollten keinen Raum für Altersdiskriminierung im Betrieb zulassen und Vorbehalte gegen ältere Kollegen abbauen. Kommt das Gefühl auf, langsam aber sicher überflüssig am Arbeitsplatz zu werden, könne das enorm die Motivation bremsen und dazu führen, dass der Angestellte tatsächlich aussteigt. Themen wie Fortbildung und Karrieregestaltung bleiben daher auch für Ältere wichtig. Zudem sollten Chefinnen und Chefs nicht die Erwartungen an Ältere zurückschrauben, sondern klarmachen, dass man ihre Leistung nach wie vor erwarte und dafür gegebenenfalls Anpassungen vornehme. LL Für den Gesundheitsreport „Fachkräftemangel: Was hält die Generation 50+ im Job?“ wertete die TK die Krankschreibungen von 5,7 Millionen bei ihr versicherten Erwerbspersonen aus. Dazu zählten auch Empfänger von Arbeitslosengeld I. Außerdem wurden die Abrechnungsdaten von mehr als 420.000 TK-Versicherten ausgewertet, die Anfang 2013 berufstätig waren und zwischen 2014 bis 2023 ein Alter von 67 Jahren erreicht hatten oder verstorben sind. Zusätzlich wurden im Januar 2024 online bundesweit 1.021 Beschäftigte ab 50 Jahren und 311 Arbeitgeber zu den Themen Renteneintritt und Mitarbeiterbindung befragt. DAS KÖNNEN ARBEITGEBER AUS DEM REPORT ABLEITEN Neben Geschlecht, finanziellen Ressourcen, Betriebsgröße und Betriebszugehörigkeit hat gerade die Unternehmenskultur einen starken Effekt darauf, wann Beschäftigte in den Ruhestand gehen möchten: n Die Verbindung zum Arbeitgeber und der Grad an Flexibilisierung und Selbstbestimmung haben den stärksten Effekt auf die Bindung von älteren Beschäftigten. Besonders Großunternehmen haben da noch Aufholbedarf. n Je sinnstiftender Beschäftigte ab 50 Jahren ihre Arbeit empfinden, desto später planen sie, in Rente zu gehen. n Je flexibler sie ihre Arbeitszeit und ihren Arbeitsort gestalten können und je niedriger der Konflikt zwischen Arbeits- und Privatleben wahrgenommen wird, desto später wollen die Beschäftigten, aus dem Berufsleben ausscheiden. n KI und neue Technologien sollten als Entlastung eingesetzt und Weiterbildungsmaßnahmen für ältere Beschäftigte genutzt werden, um psychische und körperliche Belastungen zu reduzieren.
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