42 | ZAHNMEDIZIN Entzündungen in der Mundhöhle werden zudem verstärkt. Als Sonderform kann das pyogene Granulom (Granuloma gravidarum oder Epulis) auftreten [Amar et Chung, 2000]. Eine Schwangerschaftsgingivitis tritt häufig gegen Ende des ersten Trimenons auf und ist im achten Schwangerschaftsmonat am stärksten ausgeprägt. Kurz nach der Entbindung – und der Normalisierung des Hormonhaushalts – bildet sie sich in der Regel zurück. Bei einem Fortschreiten der Gingivitis kann die Entzündung jedoch auf das Parodontium übergreifen und zu einer irreversiblen Parodontitis führen. Zur Abklärung, ob bereits eine Entzündung des Zahnhalteapparats vorliegt, empfiehlt sich, bei empfindlichem, geschwollenem oder blutendem Zahnfleisch die Schwangere zahnärztlich untersuchen zu lassen. Parodontitis Die Parodontitis führt zu einer Destruktion der Strukturen des Zahnhalteapparats. Einer Parodontitis geht in der Regel eine unbehandelte Gingivitis voraus. Daher steigt auch während einer Schwangerschaft das Risiko, an einer Parodontitis zu erkranken [Laine, 2002]. Zudem kann bei bereits parodontal erkrankten Frauen eine Schwangerschaft die Progression der Erkrankung begünstigen [Bobetsis, 2020; Moss et al., 2005]. Ob auch umgekehrt eine Parodontitis negative Auswirkungen auf eine Schwangerschaft hat, ist derzeit Gegenstand zahnmedizinischer Forschung. Schwangere mit einer Parodontitis scheinen ein erhöhtes Risiko für eine Frühgeburt, eine Geburt mit geringem Geburtsgewicht und eine Präeklampsie zu haben. Gleichzeitig gibt es Anzeichen dafür, dass eine bestehende Parodontitis das Risiko für einen Gestationsdiabetes erhöht [Abariga et Whitcomb, 2016]. Jedoch ist die aktuelle Datenlage hierfür nicht eindeutig, sodass es sich bislang um Hinweise auf Wechselwirkungen handelt, die einer weiteren wissenschaftlichen Fundierung bedürfen. Idealerweise wird eine Parodontitis bereits bei einem bestehenden Kinderwunsch erkannt und zahnärztlich behandelt. Bei einer bestehenden Schwangerschaft gilt vor allem das zweite Trimenon als sicherster Zeitpunkt für eine Parodontitisbehandlung. Bislang gibt es noch keine klare wissenschaftliche Evidenz, ob eine Parodontitistherapie zur Reduktion ungünstiger Schwangerschaftsverläufe beiträgt. Allerdings sollte auf die Therapie während der Schwangerschaft nicht per se verzichtet werden, um einen weiteren Attachmentverlust des Zahnbetts zu verhindern und den klinischen Status der Mutter zu verbessern. Bei gynäkologischen Risiken sollten Gynäkologen und Zahnmediziner gemeinsam besprechen, ob eine Parodontaltherapie durchgeführt werden sollte. Alternativ können begleitende antiinfektiöse Therapiemaßnahmen mit antibakteriellen Mundspüllösungen (zum Beispiel Chlorhexidin) in Kombination mit Maßnahmen wie einer Professionellen Zahnreinigung (PZR) zum Einsatz kommen [Meyer-Wübbold et al., 2020]. Karies Während einer Schwangerschaft nehmen sowohl die Speichelpufferkapazität als auch der Kalzium- und Phosphatgehalt ab, wodurch das Remineralisationspotenzial des Speichels reduziert wird [Laine, 2002; Salvolini et al., 1998]. Zudem kommt es gegen Ende der Schwangerschaft zu einer Absenkung des pH-Werts des Speichels und zu einer erhöhten Konzentration des kariesauslösenden Leitkeims Streptococcus mutans. Als Folge dieser Veränderung steigt das Kariesrisiko der werdenden Mutter, worauf in der frauenärztlichen Beratung hingewiesen werden sollte [Laine, 2002; Laine et al., 1986]. Erosionen Das Absenken des pH-Wertes in der Mundhöhle und der direkte Kontakt der Zahnoberflächen mit Säuren können zum Abtrag von Zahnhartsubstanz führen. Schwangere können von Erosionen vermehrt betroffen sein. So kann der frequente, direkte Kontakt der Zahnoberflächen mit aggressiver Magensäure im Rahmen einer Emesis gravidarum oder eines Reflux Erosionen begünstigen. Zudem kann eine veränderte Nahrungsaufnahme in Form mehrerer Zwischenmahlzeiten das Risiko zusätzlich erhöhen, vor allem wenn säurehaltige Speisen und Getränke konsumiert werden. Die Mundgesundheit des kleinen Kindes Frühkindliche Karies (ECC) Die frühkindliche Karies (Early Childhood Caries, ECC, Abb. 2) stellt nach wie vor eine Herausforderung für die Kinderzahnheilkunde dar. Zehn bis 17 Prozent der Dreijährigen und bis zu 40 Prozent der unter Sechs- bis Siebenjährigen sind von dieser kariösen Zerstörung der Milchzähne betroffen [Team DAJ. 2017]. Damit ist die frühkindliche Karies die häufigste chronische Erkrankung bei Kleinkindern und Kindern im Vorschulalter. Die wichtigsten Risikofaktoren für das Entstehen einer frühkindlichen Karies sind: zm114 Nr. 17, 01.09.2024, (1404) BZÄK KOOPERIERT MIT GYNÄKOLOGEN Gemeinsam mit dem Berufsverband der Frauenärzte e.V. (BVF) weist die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) am diesjährigen Tag der Zahngesundheit auf die fachärztliche Kooperation in der Schwangerenvorsorge hin und informiert mit einem Fachartikel in der Zeitschrift des BVF und auf dem Instagram-Kanal „Schwanger mit dir“. BZÄK und BVF wollen zum Thema „Mundgesundheit in der Schwangerschaft und in den ersten Lebensjahren des kleinen Kindes“ Kolleginnen und Kollegen beider Fachrichtungen bei ihrer Beratungsarbeit unterstützen. Zudem will man dafür sensibilisieren, dass es durchaus sinnvoll sein kann, gynäkologisch betreute Schwangere mit einem erhöhten individuellen Risiko für Erkrankungen der Zähne und des Zahnfleischs zum Zahnarzt oder zur Zahnärztin zu verweisen.
RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=