Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 17

ZAHNMEDIZIN | 49 Nach der Diskussion des Falles wurde mit dem Verdacht auf eine mediane Halszyste eine operative Resektion mit dem Patienten besprochen. Die angebotene Dentalsanierung wurde vom Patienten abgelehnt. Es folgte die komplikationslose Exstirpation der Raumforderung in Allgemeinanästhesie. Nach der Präparation des Situs zeigte sich die Raumforderung eng mit dem Os hyoideum verwachsen, woraufhin eine Knochenscheibe am Os hyoidem stumpf herausgelöst und abgetragen wurde. Zur Schwellungsprophylaxe wurden Drainagen in den Hals eingebracht. Die abschließende histopathologische Aufarbeitung ergab den Befund einer ektopen lingualen Schilddrüsenanlage [Carranza Leon et al., 2016]. Es zeigte sich fibrosiertes gefäßführendes Fettund Bindegewebe mit eingeblutetem, regressiv verändertem Schilddrüsenparenchym. Das Schilddrüsenparenchym stellte sich moderat entzündlich überlagert dar mit pseudoangiomatosen, regressiv bedingten Veränderungen im Stroma. Am übersandten Material fand sich kein Hinweis auf Atypien und kein Nachweis von Malignität. Dieser histopathologische Befund schloss die präoperative Verdachtsdiagnose einer medianen Halszyste aus. Vielmehr zeigte sich das Bild einer Schilddrüsenektopie. Ektopes Schilddrüsengewebe kann auch in medianen Halszysten beziehungsweise Ductusthyreoglossus-Zysten vorkommen, dort aber stets in Assoziation mit Zystenanteilen mit squamösem oder respiratorischem Epithel, die in unserem Fall fehlten [Wei et al., 2015]. Drei Tage post operationem konnte die Drainage am Hals entfernt werden. Am vierten postoperativen Tag entließen wir den Patienten in gutem Allgemeinzustand. Im Rahmen der Nachsorge ergaben Überprüfungen der Zungenmotorik und -sensibilität keine pathologischen Befunde. Es bestanden keine Schluckbeschwerden mehr. Bei noch deutlicher Restschwellung ohne Hinweis auf Abszess vereinbarten wir mit dem Patienten zunächst Kontrollen im Intervall von zwei Wochen bis zum Regress des Befunds. Diskussion Dieser Fall veranschaulicht die operative Therapie in Zusammenhang mit einer Verdachtsdiagnose, die sich in der postoperativen histologischen Aufarbeitung nicht bestätigt hat. Muss in diesem Fall also von einer fehlerhaften Therapie ausgegangen werden oder hat diese Therapie zur Prognose des Patienten entscheidend beigetragen? Mediane Halszysten sind mit einer Prävalenz von sieben Prozent eine häufige Veränderung im Bereich der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie [Amos und Shermetaro, 2024] und damit häufiger als linguale Schilddrüsenektopien, die mit einer Prävalenz von circa 0,01 bis 0,001 Prozent auftreten [Carranza Leon et al., 2016]. Ätiologisch entstehen beide Entitäten aus Residuen des Ductus thyreoglossus. Dieser stellt die Verbindung zwischen der embryonalen Gewebeanlage und der definitiven anatomischen Position der Schilddrüse dar. Vollzieht sich der Deszensus des Gewebes nicht vollständig, so entstehen Schilddrüsenzm114 Nr. 17, 01.09.2024, (1411) Dr. med. Nils Vohl Assistenzarzt Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Universitätsklinikum RWTH Aachen Pauwelsstr. 30, 52074 Aachen nvohl@ukaachen.de Foto: UK Aachen Dr. med. dent. Florian Peters Oberarzt Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Universitätsklinikum RWTH Aachen Pauwelsstr. 30, 52074 Aachen Foto: UK Aachen Dr. med. Matthias Lammert Funktionsoberarzt Institut für Pathologie, Universitätsklinikum RWTH Aachen Pauwelsstr. 30, 52074 Aachen Foto: UK Aachen Prof. Dr. Dr. Ali Modabber Leitender Oberarzt und stellvertretender Klinikdirektor Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Universitätsklinikum RWTH Aachen Pauwelsstr. 30, 52074 Aachen Foto: Privat Univ-Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Frank Hölzle Chefarzt und Klinikdirektor Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Universitätsklinikum RWTH Aachen Pauwelsstr. 30, 52074 Aachen Foto: privat ZM-LESERSERVICE Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion angefordert werden.

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