Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 17

ZAHNMEDIZIN | 51 Geweberückbildung [Guerra et al., 2014]. Die Therapie medianer Halszysten ist in aller Regel die vollständige operative Entfernung. Hierzu muss häufig ein Teil des Os hyoideum mit entfernt werden. Nach entsprechender Umstellung des operativen Vorgehens durch Sistrunk konnten die Rezidivraten von 50 Prozent auf vier bis zehn Prozent gesenkt werden [Amos und Shermetaro, 2024; Gioacchini et al., 2015; Mettias et al., 2023]. Bei diesem operativen Vorgehen werden das mittlere Drittel des Os hyoideum sowie ein Teil des Zungengrunds um das Foramen caecum zusätzlich reseziert [Sistrunk, 1920]. Funktionseinschränkungen sind bei Teilresektionen des Os hyoideum nicht zu erwarten [Lesoine, 1970]. Obschon sich dieses Standardvorgehen zur Resektion als sichere Methode etabliert hat [Maddalozzo et al., 2001; Pool et al., 2020], sind Fälle von schwerwiegenden Komplikationen beschrieben. Dazu zählen die Ruptur der Trachea [Erikci und Hosgör, 2014], die Perforation des Larynx [Matos et al., 2021] und Nervschädigungen [Erikci und Hosgör, 2014]. Aufgrund des Operationsumfangs kann die Sistrunk-Prozedur postoperativ zu Schluckbeschwerden führen [Sullivan et al., 2001]. Um intra- und postoperative Komplikationen zu vermeiden und dem Patienten eine möglichst strukturerhaltende Behandlung anzubieten, wurde im vorliegenden Fall auf eine Durchführung der Operation nach Sistrunk verzichtet und neben der vollständigen Zystenentfernung lediglich der anteriore Anteil des Os hyoideum entfernt, so dass dieses in seiner Kontinuität erhalten bleiben konnte. Ein ähnliches, ebenfalls wenig invasives Vorgehen wurde bereits bei kleineren Zysten des Halses erfolgreich durchgeführt [Sullivan et al., 2001; Knight et al., 1983]. Die chirurgische Resektion ist – wie dargelegt – bei medianen Halszysten wie auch bei ektopen Schilddrüsenanlagen die Therapie der Wahl. Alternative therapeutische Konzepte bei medianen Halszysten bestehen in der regelmäßigen Entlastung der Zyste mittels Punktion. Auf diese Weise kann gegebenenfalls kurzfristig eine Besserung der Atem- und Schluckbeschwerden erreicht werden. Es wird jedoch nicht die ursächliche Malformation therapiert, sondern lediglich wiederholt das Symptom der zervikalen Raumforderung kuriert. Eine definitive Entfernung kann auf diese Weise nicht erreicht werden. Ein anderer Ansatz ist die Ethanol-Ablation. Dabei wird hochprozentiges Ethanol in die Zyste infundiert, um so den Zystenbalg zu denaturieren und die Zyste zu eliminieren [Ahn, 2023]. Dieses zunehmend im asiatischen Raum angewendete Verfahren liefert – wie die chirurgische Therapie – gute Ergebnisse bezüglich einer langfristigen Rezidivfreiheit [Stillman et al., 2023]. Die Möglichkeit der histologischen Aufarbeitung zur abschließenden Diagnosesicherung entfällt hier jedoch. Maligne Entartungen werden mit circa einem Prozent aller Fälle selten beschrieben [Amos und Shermetaro, 2024; Rayess et al., 2017]. Kommt es zur Entartung, so liegt häufig ein papilläres Schilddrüsenkarzinom (aus einer medianen Halszyste) oder ein follikuläres Schilddrüsenkarzinom (aus einer Schilddrüsenektopie) vor [KluboGwiezdzinska et al., 2011]. Entartungen zu Plattenepithelkarzinomen oder Mukoepidermoidkarzinomen sind ebenfalls beschrieben worden [Sen et al., 2023]. Die Entartungswahrscheinlichkeiten sind für Schilddrüsenektopien ebenso wie für mediane Halszysten identisch, was noch einmal die Bedeutung einer operativen Sanierung hervorhebt. Differenzialdiagnostisch sollten bei Raumforderungen am Hals vor allem akut lebensbedrohliche Krankheitsbilder ausgeschlossen werden. Dazu zählen in erster Linie Logenabszesse des Halses mit Verlegung der Atemwege. Unklare Raumforderungen am Hals sollten zudem immer den Ausschluss einer Malignität nach sich ziehen, also insbesondere von Karzinomen der Schilddrüse oder des Aerodigestivtrakts sowie von Lymphknotenmetastasen des Halses. n zm114 Nr. 17, 01.09.2024, (1413) FAZIT FÜR DIE PRAXIS n Mediane Halszysten treten als Residuum des Ductus thyreoglossus mit einer Prävalenz von sieben Prozent häufig auf. n Schilddrüsenektopien treten mit einer Prävalenz von 0,01 bis 0,001 Prozent selten auf. n Maligne Entartungen treten in einem Prozent der Fälle selten auf. n Die vollständige chirurgische Resektion bei manifester Klinik ist die Therapie der Wahl. n Bei Raumforderungen des Halses sollte immer eine akute Notfallsituation ausgeschlossen werden. Abb. 6: Resektat post operationem mit einer Größe von circa 7 cm x 5 cm x 4 cm Fotos: MKG UK Aachen Abb. 5: Situs intraoperativ: Der Kopf des Patienten liegt links zum Bildrand. Zu erkennen ist die Präparation der intakten „Zyste“ nach submentaler Schnittführung. Gestrichelt markiert wurde die Schwellung präoperativ. Man erkennt das deutliche Hervorwölben der „Zyste“ aus dem Hals des Patienten.

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