zm114 Nr. 17, 01.09.2024, (1418) 56 | PRAXIS nahm Kontakt mit einer Interessentin, Dr. K., auf. Die Kollegin war auf der Suche nach einer Praxis, die sie mittelfristig übernehmen kann. Der bisherige Praxisinhaber wollte allerdings gerne noch ein paar Jahre weiter mitarbeiten. Es sollte also zuerst eine Gemeinschaftspraxis werden. In dieser ersten Phase galt es, unterschiedliche Positionen miteinander in Einklang zu bringen. Dabei halfen eine offene Kommunikation und der Aufbau von Vertrauen. Der Abgeber und seine potenzielle Nachfolgerin entschieden sich, externe Unterstützung in Form von Supervision und Coaching in Anspruch zu nehmen, weil beide eine neutrale Sichtweise schätzen, die ihre jeweiligen Anliegen übersetzt, moderiert und in ein ausgewogenes Verhältnis bringt. Phase II: Vorstellungen abgleichen, Team einbinden In einem persönlichen Vorgespräch mit jedem Partner arbeiteten wir dessen individuelle Ziele, Werte, Stärken und Schwächen heraus. In gemeinsamen Sitzungen schauten wir anschließend nach Übereinstimmungen und Unterschieden zwischen den zukünftigen Praxisinhabern. Dabei warfen wir insbesondere einen Blick darauf, ob ihre Vorstellungen von Praxisphilosophie und -führung zueinander passen, welche Ziele sie verfolgen und welche Werte ihnen in der täglichen, künftig gemeinsamen Arbeit wichtig sind. Am Ende dieses Prozesses visualisierten wir die Ergebnisse, um ein verbindendes Bild zu schaffen: Welche gemeinsamen Ziele, Werte und Zukunftswünsche gibt es, die beiden Partnern als Orientierung und Grundlage für die zukünftige Zusammenarbeit dienen können? Dr. S. und Dr. K. fanden zum Beispiel heraus, dass sie in vielen Dingen ähnliche Vorstellungen haben. Ein wichtiger Schritt, denn beide hatten früher negative Erfahrungen in einer Gemeinschaftspraxis gemacht. Die Coachings waren auch hilfreich, um überprüfen zu können, wie tragfähig ihr gemeinsames Werte-Fundament ist. Beide legen beispielsweise besonderen Wert auf Offenheit, Transparenz und Vertrauen. In den folgenden Sitzungen arbeiteten sie gezielt daran, wie sie diese Werte in der täglichen Praxisführung umsetzen und leben können. Die beiden entschieden sich dann auch schnell dafür, das bestehende Praxisteam aktiv in den Übergangsprozess einzubinden. Sie informierten und sensibilisierten die Angestellten über die Übernahme. In gemeinsamen, von uns als Coach moderierten Teamsitzungen konnten die Mitarbeitenden ihre Bedenken, Ideen und Wünsche zum Übergang und zur neuen Praxiskonstellation äußern. All das bekam also Raum und wurde gehört. Klar war, dass die Umstellung von einer Einzelpraxis auf eine Gemeinschaftspraxis hohe Anforderungen an alle Beteiligten stellt. Es mussten neue Strukturen geschaffen, Rollen definiert und Prozesse angepasst werden, um die Zusammenarbeit reibungslos zu gestalten. Die externe Begleitung durch Supervision und Coaching half, diese vielschichtigen Herausforderungen systematisch anzugehen und die unterschiedlichen Phasen der Übergabe und Integration zu meistern. Wir konnten etwa konkrete Konfliktsituationen aus der Praxis thematisieren und im Team gemeinsam reflektieren. Diese Offenheit unterstützt alle Teammitglieder grundsätzlich dabei, Fehler anzusprechen und gemeinsam nach Lösungen zusuchen. Phase III: gemeinsame Praxisvision entwickeln Wir führten weitere Coachingsitzungen, regelmäßige Einzelgespräche und moderierte Besprechungen zwischen den Praxisinhabern durch. Ein wichtiger Aspekt bei der Steuerung der Praxisentwicklung war die Gestaltung der künftigen Praxisführung als Doppelspitze, da Dr. S. und Dr. K. als gleichberechtigte Partner auftreten wollen. Hier vereinbarten wir, regelmäßige Jours fixes im Terminkalender einzuplanen, damit es einen kontinuierlichen Austausch zwischen den Praxisinhabern gibt. Diese Treffen sind nicht nur wichtig, um organisatorische und strategische Themen zu besprechen, sondern auch um sicherzustellen, dass beide vor dem Team mit einer Stimme sprechen und eine klare, abgestimmte Kommunikation nach außen gewährleisten. Dabei kam unter anderem ein strukturierter Fragebogen zum Einsatz, der gezielt (auch) die Stärken und Potenziale der bestehenden Praxis abfragt und in den weiteren Planungsprozess einbezieht. Kurz vor dem gemeinsamen Neustart räumten sich die neuen Praxisinhaber und das Team dann einen Tag Auszeit vom Behandlungsalltag ein, um sich noch besser kennenzulernen. Dieser wurde zum wichtigen Kick-off für den Neuanfang. Alle entwickelten und definierten gemeinsam leitende Ideen, Regeln und Werte für die Zusammenarbeit: Sie wollten offen und transparent kommunizieren, Respekt gegenüber den individuellen Stärken und Grenzen zeigen, Teamgeist und Zusammenhalt leben, eine konstruktive Feedback-Kultur schaffen und das gemeinsame Ziel verfolgen, die hohe Qualität und Patientenorientierung so gut wie möglich gemeinsam voranzutreiben. Am Ende hielten wir all das schriftlich als Vereinbarung fest – auch wie man den gemeinsamen Start gestalten und wie man sicherstellen will, dass alle Teammitglieder an einem Strang ziehen und sich mit ihrer Arbeit identifizieren können. Ein Beispiel für eine „Supervision und Coaching sind nicht nur während des Übergangsprozesses hilfreich, sondern können auch langfristig bedeutend sein.” Christina Wolf Dipl.-Verwaltungswirtin, Personalkauffrau und systemisch ausgebildete Supervisorin, Coach (DGSv) und Organisationsberaterin Foto: Christina Wolf
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