PRAXIS | 69 zm114 Nr. 17, 01.09.2024, (1431) INTERVIEW MIT PROF. FLORIAN BEUER „Dann wäre der Roboter auch für mich als Patient eine sehr interessante Option!“ Prof. Dr. Florian Beuer ist Direktor der Abteilung für Zahnärztliche Prothetik, Alterszahnmedizin und Funktionslehre am Institut für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde der Charité Berlin und wissenschaftlicher Beirat der zm. Wir haben ihn nach seiner Einschätzung zu den Zukunftsaussichten autonom agierender Roboter in der Prothetik befragt. Herr Prof. Beuer, hätten Sie sich als Proband für den ersten Testlauf des KIRoboters zur Verfügung gestellt? Univ.-Prof. Dr. Florian Beuer: Grundsätzlich sind wir uns glaube ich alle einig, dass ein Roboter in der Lage ist, präziser definierte Bewegungen auszuführen als eine menschliche Hand. Ich habe mich in der Vergangenheit etwas mit dem Einsatz von Robotern zur Insertion dentaler Implantate beschäftigt und dort ist die Übertragungsgenauigkeit der geplanten Implantatposition in die Realität höher als mit anderen Techniken. Dabei habe ich mir die Frage gestellt, ob die Implantatinsertion wirklich die Behandlung ist, die am meisten von dieser Genauigkeit profitiert. Die Entfernung der Zahnhartsubstanz bei der Präparation ist ja oft deutlich kritischer, da sie, einmal entfernt, für immer weg ist. Insofern macht die Überlegung, den Roboter für diese Behandlungen einzusetzen, vielleicht noch mehr Sinn. Um auf Ihre Frage zurückzukommen, Ich finde die Entfernung von Zahnhartsubstanz für eine dentale Versorgung immer problematisch, die Zukunft muss, zumindest was den Zahnhartsubstanzabtrag angeht, möglichst noninvasiv sein. Aber wenn schon invasiv unbedingt sein muss, dann ist der Roboter sicher eine sehr interessante Option, und die wäre es auch für mich als Patient. Klingt das, was die Firma Perceptive anstrebt, plausibel? Ist es aus Ihrer Sicht realistisch, eines Tages einen Präparationsroboter tatsächlich in der klinischen Praxis einzusetzen? Ich denke da beispielsweise an die Pulpa, deren Wohl und Wehe an Mechanik und Software hängt. Wir vertrauen in deutlich kritischeren Bereichen Software und Computersteuerung, denken Sie nur an einen Passagierflug. Ein Freund von mir ist Pilot bei einer der großen Airlines und erzählte mir, dass er von einem 12-Stundenflug nur circa 17 Minuten aktiv das Flugzeug steuert - und wenn das Wetter schlecht ist, dann sogar nur zehn Minuten. Mit der von der Firma Perceptive beschriebenen Technik wissen wir doch eigentlich besser, wo die Pulpa ist, als in der heute alltäglichen Situation des Präparierens, in der wir uns auf Durchschnittswerte und Erfahrung verlassen. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch: Ich bin mir sicher, dass es eine Zeit dauern wird, bis diese Techniken praxisreif einsetzbar sind, aber wenn wir uns vorstellen, dass bei Brückenversorgungen nach 15 Jahren nur noch zwei Drittel der Pulpen vital sind, sehen wir, dass bei unseren heute verwendeten Konzepten noch sehr viel Luft nach oben ist. Die wissenschaftliche Sicht ist ziemlich eindeutig: Ein neues System muss sich beweisen und besser sein als das alte. Trotzdem ist es mal wieder Zeit für echte Fortschritte in der Zahnmedizin. Wie ist das Verfahren der optischen Kohärenztomografie (OCT) einzuschätzen? Ist es tatsächlich geeignet, Röntgenaufnahmen überflüssig zu machen? Ich kenne das Verfahren zu wenig, als dass ich es abschließend beurteilen könnte. Aber auch hier möchte ich anmerken, dass die Grundlage unserer heutigen, wenn auch inzwischen dreidimensionalen Bilder, eine Erfindung von Konrad Röntgen aus dem Jahr 1895 ist. Das ist schon sehr lange her. Insofern ist auch hier von vielen Arbeitsgruppen weltweit die Maxime, strahlungsfrei möglichst präzise 3-DModelle von Oberflächen und darunterliegenden Strukturen zu erstellen. Ob die Röntgenaufnahme tatsächlich einmal überflüssig sein wird und wann das gegebenenfalls sein wird, dazu könnte ich bestenfalls spekulieren. Aber ich habe natürlich den Wunsch, dass das passiert. Selbstredend mit derselben Qualität der Aufnahmen, nur strahlungsfrei. Das Gespräch führte Benn Roolf. Prof. Dr. Florian Beuer ist Experte für Digitale Dentaltechnologie. Foto: Privat „Wir vertrauen in deutlich kritischeren Bereichen Software und Computersteuerung, denken Sie nur an einen Passagierflug.” Prof. Dr. Florian Beuer, Direktor der Abteilung für Zahnärztliche Prothetik, Alterszahnmedizin und Funktionslehre an der Charité in Berlin
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