Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 17

88 | zmSTARTER zm114 Nr. 17, 01.09.2024, (1450) EXPERTIN ZU TIKTOK-TRENDS Ölziehen ist kein Ersatz für Zähneputzen Auf Social Media-Plattformen wird Ölziehen als Mittel zur Förderung der Mundgesundheit beworben. Problematisch wird es, wenn man suggeriert, dass das Verfahren evidenzbasierte Methoden ersetzt. Ölziehen wird auf Social MediaPlattformen propagiert und soll viele positive Effekte auf die Mundgesundheit haben. Doch wissenschaftlich konnten diese Effekte bislang nicht belegt werden. Bedenklich wird es, wenn junge Menschen das Ölziehen als Alternative zu nachgewiesenen Mundhygienemaßnahmen nutzen. Das Ölziehen ist eine Methode der traditionellen ayurvedischen Medizin aus Indien. Dabei wird das Öl (meist Kokos-, aber auch Sesam-, Oliven- oder Sonnenblumenöl) etwa 10 bis 15 Minuten lang im Mund gespült und durch die Zahnzwischenräume „gezogen“, bevor es wieder ausgespuckt wird. Das Verfahren soll verschiedene Vorteile für die Mundgesundheit haben. Die Befürworter des Ölziehens glauben, dass es den Mund auf natürliche Weise und ohne Chemikalien reinigt. Außerdem meinen sie, dass es den Körper entgiftet, die Hautgesundheit verbessert und die Symptome von Migräne und Allergien lindert. Gegen Plaque ist Öl nicht wirksamer als Wasser Y. Natalie Jeong, Professorin und Leiterin der Abteilung für Parodontologie an der Tufts University School of Dental Medicine in Boston, Massachusetts, äußert sich kritisch gegenüber dem Trend. Laut Jeong gibt es keine stichhaltigen wissenschaftlichen Beweise dafür, dass Ölziehen tatsächlich Karies reduziert, die Zähne aufhellt oder die allgemeine Mundgesundheit verbessert. Das bedeute nicht zwangsläufig, dass es unwirksam ist, sondern vielmehr, dass seine Wirksamkeit noch nicht durch ausreichende, gut konzipierte Forschungsarbeiten wissenschaftlich nachgewiesen wurde. Probleme wie kleine Stichprobengrößen, fehlende Kontrollgruppen und unkontrollierte Variablen tragen zu diesem Mangel an endgültigen Beweisen bei, erklärt die Parodontologin. Auch die American Dental Association (ADA) empfiehlt das Ölziehen nicht als Zahnhygienemaßnahme. Ölziehen könne zwar dazu beitragen, lose Ablagerungen um das Zahnfleisch und die Zähne herum zu entfernen, sei aber diesbezüglich deutlich weniger wirksam als Bürsten und Zahnseide. Wenn sich erst einmal ein Biofilm oder Plaque gebildet hat, sei Ölziehen nicht wirksamer als das Spülen mit Wasser, da es den Plaque nicht wie mechanische Methoden wie Bürsten oder Zahnseide auflösen kann, erklärt Jeong. Geputzt werden muss trotzdem Schädlich sei Ölziehen allerdings nicht. Es gilt im Allgemeinen als sicher und verursacht laut Jeong wahrscheinlich keinen direkten Schaden. Sie betont jedoch, dass ein Risiko besteht, wenn man sich zu sehr auf die vermeintlichen Vorteile des Ölziehens verlässt und bewährte Mundhygienemethoden wie Zähneputzen, Verwendung von Zahnseide und Rauchverzicht vernachlässigt. Wird die herkömmliche Zahnpflege vollständig durch Ölziehen ersetzt, kann dies erhebliche Risiken für die Mundgesundheit mit sich bringen. Außerdem könne das versehentliche Verschlucken großer Mengen Öl während des Verfahrens zu Verdauungsproblemen wie Magenverstimmungen oder Durchfall führen. Jeong empfiehlt Ölziehen nicht, da es keine soliden wissenschaftlichen Beweise für seine Wirksamkeit gibt. Man müsse nicht zwingend davon abraten, das Ölziehen als Spülung vor dem Zähneputzen zu verwenden, wenn danach eine adäquate Mundhygiene erfolgt. Man sollte davon aber keine signifikante Vorteile erwarten. nl Ölziehen soll laut Social Media Karies reduzieren, die Zähne aufhellen und die allgemeine Mundgesundheit verbessern. Foto: vicentesimon – stock.adobe.com

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