Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 18

40 | TITEL te mitgedacht werden: Erstens ist die Aufklärung wie eine Visitenkarte – dort lernt der Patient den Zahnarzt kennen und macht sich ein Bild. Hier wird der Grundstein für die Zahnarzt-PatientenBeziehung gelegt. Es ist wichtig dem Patienten zu vermitteln, dass man als Zahnarzt Ansprechpartner ist und ihn begleitet – auch wenn nach der Behandlung Probleme auftreten. Die Zahnarzt-Patienten-Beziehung ist der beste Schutz vor Aufklärungsschäden. Wenn da eine vertrauensvolle Basis geschaffen wurde, dann können dieselben Negativworte gar nicht mehr so viel anrichten. Manchmal muss man auch nicht so ausführlich und lange aufklären. Dann sagt nämlich der Patient selbst: „Also wissen Sie, ich vertraue Ihnen jetzt. Dann machen wir das jetzt so.“ Und zweitens: Die Zeit, die man aufwendet, ist gut investiert, wenn man sie richtig nutzt, und damit Nebenwirkungen von Behandlungen verhindern kann. Nun zu den Strategien: Wir haben Möglichkeiten der Entschärfung des Nocebo-Effekts wissenschaftlich untersucht und eine hohe Wirksamkeit nachgewiesen. Wenn man gleichzeitig mit dem angesprochenen Risiko positive Erwartungen an die Behandlung generiert, ist der Nocebo-Effekt neutralisiert. Entscheidend ist dabei, nicht erst alle Risiken zu nennen und dann die positiven Aspekte aufzuzählen, sondern diese zusammenzunehmen. Dazu gehören ... „ der Nutzen der vorgeschlagenen Behandlung zur Reduktion anderer Risiken (zum Beispiel der Ausbreitung einer Infektion), „ die prophylaktischen Maßnahmen, um Nebenwirkungen zu vermeiden (zum Beispiel die Überwachung während der Behandlung, um sich entwickelnden Nebenwirkungen gleich zu begegnen), „ die Therapiemöglichkeit eingetretener Nebenwirkungen (zum Beispiel lokale Maßnahmen bei Nachblutungen) sowie „ ein möglicher Eigenbeitrag des Patienten (wenn er sich zum Beispiel bei fortbestehenden Schmerzen gleich wieder meldet, um eine größere Entzündung zu vermeiden). Gehen wir das Ganze wieder anhand eines Beispiels aus der Lokalanästhesie durch: „Ich gebe Ihnen jetzt diese lokale Betäubung, die als seltene Nebenwirkungen Nervenschäden, Allergien oder Gefäßverletzungen auslösen kann, ABER wir vermeiden eine weitere Verschlechterung des Befunds und Sie können nach erfolgter Behandlung wieder normal essen, weil wir Ihre Kaufunktion wiederherstellen.“ Welche Maßnahmen können Zahnärzte noch ergreifen, um den Nocebo-Effekt bei Patienten zu reduzieren? Welche Rolle spielt dabei die Aufklärung der Patienten über den Nocebo-Effekt? Man sollte den Patienten unbedingt über den Spontanverlauf bei Nichtbehandlung aufklären – und zwar schonungslos (also zum Beispiel die Ausbreitung eines Abszesses und die damit einhergehenden Gefahren). Es geht nicht nur um Informationen, sondern der Patient soll abwägen können. Wenn ein möglicher Spontanverlauf deutlich schwerwiegender ist, wird der Patient die Behandlungsrisiken gern in Kauf nehmen. Wichtig ist auch hier, die zuvor genannte Methode anzuwenden. Das Besondere ist nicht, dass man über die Risiken, den Behandlungserfolg oder über die Prophylaxe spricht, sondern dass man das gleichzeitig im selben Satz macht: „Eine Entzündung kann auftreten, ABER wir geben Ihnen ein Antibiotikum, um das Risiko deutlich zu verringern.“ Oder: „Es besteht das Risiko einer Nachblutung und von Schmerzen, aber wenn wir die Behandlung nicht durchführen, kann sich die Entzündung auf weitere Teile Ihres Körpers ausbreiten und dann lebensbedrohlich werden.“ Patienten haben auch das Recht, ausdrücklich auf eine weitere Aufklärung zu verzichten (Patientenrechtegesetz). Man kann diesen Hinweis geben, allerdings sollte man das keinesfalls primär vorschlagen. Im gegebenen Fall muss der Verzicht auf Aufklärung dann auch unbedingt sorgfältig dokumentiert werden. Aber wann wünscht sich ein Patient keine Aufklärung? Selbstverständlich nur, wenn eine vertrauensvolle Zahnarzt-Patienten-Beziehung da ist und nicht, wenn man ihm einen Aufklärungsbogen hinschmeißt, den er unterschreiben soll, damit man endlich mit der Behandlung beginnen kann. Deshalb ist der Vertrauensaufbau das Allerwichtigste. Überdies sind einige Maßnahmen vorgeschlagen worden - mit zum Teil geringen oder noch nicht verifiziertem Nutzen. Dazu gehört das „Framing“, also zum Beispiel „95 Prozent der Patienten haben diese Nebenwirkungen NICHT.“ oder „Die Nebenwirkung zeigt, dass das Medikament wirkt.“. Manchen Patienten hilft auch die Erklärung des Zusammenhangs der eigenen Erwartungen mit Symptomen (NoceboEffekt) – das gilt aber nur für bestimmte Personen. Wenn bereits ein Nocebo-Effekt eingetreten ist: Können Zahnärzte den NoceboEffekt bei ihren Patienten erkennen und darauf reagieren? Der beste Schutz vor Aufklärungsschäden ist eine vertrauensvolle ZahnarztPatienten-Beziehung. Da die Patientenbeteiligung am Outcome (Behandlungserfolg und Nebenwirkungen) immer gegeben ist (Placebo- und Nocebo-Effekte), muss man sie nicht erst erkennen, aber kann sie immer ansprechen. Wenn ich den Eindruck habe, dass ein Patient bei einem sehr kleinen Eingriff Schmerzen hat, die über das gewöhnliche Maß hinausgehen und es klinisch keine Anhaltspunkte dafür gibt, dann kann ich von einem höheren Anteil eines Nocebo-Effekts ausgehen. Mit diesem Patienten würde ich über Methoden sprechen, was er selbst gegen die Schmerzen machen kann (Kühlen, Ruhe halten, Stress-Reduktion, zum Beispiel durch Progressive Muskelentspannung oder ähnliches). Ein Teil des Stresses und des Schmerzes kommt durch das Gefühl des Ausgeliefertseins. Handlungsempfehlungen können dem Patienten das Gefühl von Autonomie zurückgeben. Wie kann man als Zahnarzt das Wissen um Placebo- und Nocebo-Effekte nutzen, um die Patientenzufriedenheit zu erhöhen? Häufig ist nicht das Behandlungsergebnis der wichtigste Faktor zur Patizm114 Nr. 18, 16.09.2024, (1506) „Aus vielen Untersuchungen schließe ich, dass der PlaceboEffekt in der Zahnheilkunde genutzt werden MUSS.”

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