Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 18

zm114 Nr. 18, 16.09.2024, (1512) 46 | GESELLSCHAFT FOSSILE ZÄHNE ERKLÄREN VERÄNDERUNGEN IM EUROPA DER EISZEIT Klimawandel verursachte dramatischen Rückgang von Jägern und Sammlern Der Klimawandel hat die Demografie der Eiszeit-Menschen erheblich beeinflusst. Das zeigt eine große Analyse fossiler Zähne auf der Basis eines Algorithmus für maschinelles Lernen. Anhand des bislang grö ßten Datensatzes menschlicher Fossilien aus dem eiszeitlichen Europa beschreibt ein internationales Forschungsteam unter Tübinger Leitung, wie prä historische Jä ger und Sammler im Zeitraum zwischen 47.000 und 7.000 Jahren vor Christus mit Klimaverä nderungen umgegangen sind. Vor etwa 45.000 Jahren sind die ersten modernen Menschen wä hrend der letzten Eiszeit nach Europa eingewandert und markierten damit den Beginn des „Jungpalä olithikums“. Diese frühen Gruppen besiedelten den europä ischen Kontinent durchgehend – selbst wä hrend des sogenannten Letzten Glazialen Maximums vor etwa 25.000 Jahren, als Gletscher einen Großteil Nord- und Mitteleuropas bedeckten. „In der Archä ologie wird schon lange diskutiert, welchen Einfluss klimatische Verä nderungen und die damit einhergehenden neuen Umweltbedingungen auf die Demografie der damaligen Jä ger und Sammler hatten“, berichtet Studienleiter Dr. Hannes Rathmann vom Senckenberg Centre for Human Evolution and Palaeoenvironment an der Universitä t Tübingen. Er entwickelte in Zusammenarbeit mit Kollegen der Universitä t Tübingen, der Universitä t Ferrara (Italien) und der New York University (USA) eine neue Methode zur Analyse der Zä hne, die auf einem maschinellen Lernalgorithmus namens Pheno-ABC basiert. „Dadurch konnten wir einen beispiellosen Datensatz sammeln, der erheblich grö ßer ist als bisherige Skelett- und genetische Datensä tze“, erzä hlt Rathmann. „Unsere neu zusammengestellte Sammlung umfasst Zahndaten von 450 prä historischen Menschen aus ganz Europa, die den Zeitraum zwischen 47.000 und 7.000 Jahren abdecken.“ Dabei konzentrierten sich die Forschenden auf „morphologische“ Zahnmerkmale – kleine Varianten innerhalb des Gebisses, wie Anzahl und Form der Kronenhö cker, Kammund Rillenmuster auf der Kauflä che oder das Vorhandensein beziehungsweise Fehlen von Weisheitszä hnen. „Diese Merkmale sind vererbbar, was bedeutet, dass wir sie nutzen kö nnen, um genetische Beziehungen unter den EiszeitMenschen zu verfolgen, ohne gut erhaltene alte DNA zu benö tigen“, verdeutlicht Rathmann. Foto: Tom Björklund Rekonstruktion einer Jäger-Sammler-Gruppe aus der Eiszeit

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