74 | GESELLSCHAFT METASTUDIE AUS ÖSTERREICH Medizinerinnen haben ein höheres Suizidrisiko als ihre Kollegen Ärzte haben ein erhöhtes Suizidrisiko. Das zeigte schon eine Publikation aus dem Jahre 1903. Eine Metaanalyse der MedUni Wien beleuchtet diesen Zusammenhang nun genauer. Besonders gefährdet sind Ärztinnen. Dass Mediziner einer größeren Gefahr ausgesetzt sind, Selbstmord zu begehen, war schon vor 120 Jahren einem Autor aufgefallen. Als Gründe nannte der nicht namentlich genannte Verfasser damals im US-amerikanischen Ärzteblatt den Wettbewerb mit Quacksalbern und religiösen Sekten, die ihnen ins Handwerk pfuschen, als auch das Überangebot an Ärzten. Die meisten früheren Studien berichten über höhere Suizidraten bei männlichen und weiblichen Ärzten im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung, bilanziert nun ein Team aus Wien. Die bisherigen Ergebnisse der Metaanalysen zum Thema sind jedoch uneinheitlich: Die mittleren Effektschätzungen der ersten Metaanalyse 2004 kommen zu einer signifikant erhöhten standardisierten Mortalitätsrate von 1,41 für männliche und 2,27 für weibliche Ärzte. Die Auswertung umfasste damals 22 Studien von 1910 bis 1998 und zeigte dabei „eine gewisse Heterogenität der Studienergebnisse“, wie die Forschenden erklären. Eine zweite Metaanalyse, die 2020 neun Studien mit Beobachtungszeiträumen zwischen 1980 und 2015 umfasste, stellt wiederum eine signifikant verringerte Selbsttötungsrate von 0,68 für männliche und gleichzeitig einen signifikant erhöhten Wert von 1,46 für weibliche Ärzte fest. Dunkelziffer steigt mit Stigmatisierung Für die heterogenen Resultate machen die Autoren der neuen Untersuchung methodische Unterschiede im Studiendesign, bei den Ergebnismaßen und beim Grad der Altersstandardisierung verantwortlich. Darüber hinaus wiesen einzelne Länder und Weltregionen ein unterschiedliches Maß an Stigmatisierung von Suizid im Allgemeinen und unter Ärzten im Besonderen auf, „was mit unterschiedlichen Risiken der Dunkelziffer, dem Zugang zu Unterstützungssystemen und allgemein unterschiedlichen Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen verbunden ist". Das Suizidrisiko ist nicht höher als in der Bevölkerung, aber ... Für ihre eigene Untersuchung wählten die Forschenden um Eva Schernhammer von der Medizinischen Universität Wien zwischen 1960 und März 2024 erschienene Arbeiten aus und suchten auch nach unveröffentlichten Daten aus Quellen und Datenbanken, die in den eingeschlossenen Arbeiten aufgeführt sind. Ausgeschlossen wurden dabei Studien, die nur bestimmte Suizidmethoden bei Ärzten, nicht-tödliches Suizidverhalten oder -gedanken, psychische Gesundheit und Burn-out sowie Suizidprävention erforscht hatten. Überlappende Zeiträume in den gleichen geografischen Regionen wurden in den eingeschlossenen Studien vermieden, so dass jeder Tod eines Arztes durch Suizid nur einmal in das gepoolte Ergebnis eingerechnet wurde. Im Falle von Überschneidungen zählte jeweils nur die methodisch hochwertigere Studie. Am Ende gingen 39 Artikel in die Auswertung ein, von denen 38 über 3.303 Suizide bei Ärzten und 26 über 587 Suizide bei Ärztinnen berichten. Ergebnis: Insgesamt war das Suizidrisiko bei den Ärzten nicht höher als in der Allgemeinbevölkerung. Bei Ärztinnen war das Suizidrisiko jedoch deutlich höher (76 Prozent). Die Suizidraten unter Ärzten sind zurückgegangen, aber das Risiko für Frauen im Arztberuf ist im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung immer noch viel höher. zm114 Nr. 18, 16.09.2024, (1540)
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