Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 19

20 | TITEL Behandlung von kariösen Läsionen aufgenommen [World Health Organization, 2021]. So ist im Manual der WHO: „Ending childhood dental caries“ SDF bereits als Therapieverfahren aufgeführt [WHO, 2020]. Es ist zu beachten, dass SDF die (Mundschleim-)Haut und die Gingiva vorübergehend verfärben kann, weshalb der Kontakt mit diesen Geweben während der Anwendung vermieden werden sollte (Abbildung 3). Eine Isolierung, zum Beispiel mit flüssigem Kofferdam, ist eine Option (Abbildung 4). Da die Mitarbeit der Kinder oft gering ist, sollten zumindest die Lippen vorher mit Vaseline eingecremt werden, um unbeabsichtigte extraorale Verfärbungen zu reduzieren. Behandlung von Kindern und Patienten mit besonderen Bedürfnissen Bei der Behandlung von Patienten mit besonderen Bedürfnissen scheint sich der Schwerpunkt der präventiven und restaurativen Strategien zu verlagern, indem minimalinvasive Methoden wie SDF und die Hall-Technik eingesetzt werden (Abbildung 5). Minimalinvasive Therapien haben sich als geeignet und wirksam für die Behandlung von Kariesläsionen sowohl bei Milchzähnen als auch an bleibenden Zähnen erwiesen und reduzieren somit die Notwendigkeit von Eingriffen unter Vollnarkose [Molina et al., 2022]. Einsatz bei älteren Patienten SDF hat sich sowohl bei der Prävention als auch bei der Behandlung von Wurzelkaries bei Senioren als wirksam erwiesen (Abbildung 6). Systematische Übersichtsarbeiten zeigen, dass 38-prozentiges SDF das Auftreten neuer kariöser Läsionen auf freiliegenden Wurzeloberflächen signifikant reduziert und bestehende Läsionen arretiert. Eine jährliche Anwendung von 38-prozentiger SDF-Lösung reduziert das Auftreten neuer Wurzelkaries um 50 bis 68 Prozent und zeigt eine noch größere Effektivität über längere Zeiträume [Chan et al., 2022; Hendre et al., 2017]. Reduktion des Bedarfs an zahnärztlicher Vollnarkose bei Kindern In einer aktuellen Studie der Poliklinik für Kinderzahnheilkunde der Universitätsmedizin Greifswald wurden die Auswirkungen der Applikation von 38-prozentigem SDF auf die Reduktion der Notwendigkeit einer zahnärztlichen Vollnarkose (zVN) bei Kindern untersucht, die zwischen 2019 und 2021 behandelt wurden. Retrospektiv wurden die Daten von 65 Kindern mit hohem Kariesrisiko analysiert (Durchschnittsalter= 4,3±1,6 Jahre; dmft/DMFT= 6±4,2/0,7±1), die keine invasiven Behandlungen am Behandlungsstuhl tolerieren konnten. Bis zur Nachuntersuchung nach zwei Jahren wurde die Mehrheit (58/65) der für eine zVN infrage kommenden Kinder ausschließlich am Behandlungsstuhl ohne Narkose behandelt, was zu einer 89-prozentigen Reduzierung der zVNs führte. Die Studie ergab, dass SDF bei der Behandlung von Karies bei Hochrisikokindern wirksam ist und den Bedarf an zVN erheblich verringert, und wurde wahrscheinlich aufgrund dieser erheblichen klinischen Relevanz von der Weltkariesorganisation ORCA im letzten Jahr prämiert [Abdulrahim et al., 2023a]. zm114 Nr. 19, 01.10.2024, (1586) NUTZEN VON SILBERDIAMINFLUORID SDF reduziert unter anderem Überempfindlichkeiten, verhindert die Entstehung beziehungsweise arretiert bestehende kariöse Läsionen an Milch- und bleibenden Zähnen an allen Flächen inklusive der Wurzeloberfläche. Aufgrund dieser vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten und seiner Wirksamkeit in der Kariestherapie hat SDF weltweit an Interesse gewonnen und ist heute in den meisten Ländern verfügbar. Abb. 5: a) Kariesinaktivierung (Zähne 84, 85) mittels Silberdiaminfluorid und b) restaurative Therapie mit SMART-Techniken: 84 Hall-Technik (SMART-Hall) und 85 kunststoffmodifizierte Glasionomerzement-Füllung (SMART) bei einem dreijährigen Mädchen mit ECC. Foto: Santamaría Abb. 4: Eine Isolation der Gingiva mittels flüssigen Kofferdams ist bei Riva Star® empfehlenswert, um eine Irritation der Mukosa und eine Verfärbung dieser Bereiche zu vermeiden. Bei Riva Star Aqua® ist dies wegen der geringeren Reizung von Weichgewebe nicht mehr vorgesehen. Foto: Mourad a b

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