Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 19

zm114 Nr. 19, 01.10.2024, (1624) 58 | ZAHNMEDIZIN die Dimension der Mini-Implantate festzulegen. Des Weiteren verbesserte eine geführte Insertion die Kontrolle von Neigung und Parallelität der Mini-Implantate, so dass die Stabilität der Hyrax-Apparatur erhöht ist [Migliorati et al., 2022; Becker et al., 2019]. Daher kann die Behandlungsplanung mithilfe der DVT als Mittel der Wahl im Vergleich zu zweidimensionalen Aufnahmen angesehen werden, wenn eine MiniImplantat-Insertion erforderlich ist. Der beschriebene Patientenfall stellte angesichts der skelettalen Klasse-IIIKonfiguration und der engen Lage der Zahnkeime im Oberkiefer ein anspruchsvolles anatomisches Bild dar. Zunächst war eine transversale Oberkiefererweiterung erforderlich, um den Platz im Zahnbogen zu vergrößern und den intrinsischen Zahndurchbruch zu fördern. Aufgrund der zahlreichen verlagerten Zähne umfasste der Behandlungsplan nicht nur eine kieferorthopädische Therapie, sondern auch die Notwendigkeit einer chirurgischen Freilegung der verlagerten Zähne, um deren kieferorthopädische Einstellung in den Zahnbogen zu ermöglichen. Wegen der reduzierten Anzahl der Zähne durch das Wechselgebiss, den stark verzögerten Zahndurchbruch sowie die Retention und Verlagerung einiger Zahnkeime war der Einsatz herkömmlicher kieferorthopädischer, dento-alveolär abgestützter Apparaturen nicht möglich. Die zunehmende Verwendung kieferorthopädischer Mini-Implantate ohne eine dento-alveoläre Verankerung hat in letzter Zeit zur Entwicklung verschiedener, an den individuellen Behandlungsbedarf angepassten MARPE-Techniken geführt [Wilmes et al., 2022]. Aus den folgenden Gründen wurde die Verwendung einer HyraxApparatur im vorgestellten Fall als optimal erachtet. Erstens ermöglichte sie die skelettale Erweiterung des Oberkiefers ohne, dass eine zusätzliche dentoalveoläre Verankerung, zum Beispiel an den ersten Molaren mittels einer Hybrid-Hyrax, notwendig gewesen wäre. Dadurch wird das Auftreten von potenziell mit dieser Apparatur verbundenen Komplikationen und unerwünschten dentalen Nebenwirkungen vermieden [Casaña-Ruiz et al., 2020; MacGinnis et al., 2014]. Des Weiteren ermöglicht die rein skelettale Abstützung den Einsatz der Apparatur nicht nur im jugendlichen Gebiss, sondern auch im parodontal geschädigten Erwachsenengebiss. Darüber hinaus wurde die Hyrax-Apparatur für mehrere Behandlungsschritte verwendet: Nach der transversalen Oberkiefererweiterung diente sie zur Retention des Ergebnisses sowie zur Einstellung der retinierten und verlagerten Zähne. Die Mini-Implantate können dabei aufgrund der hohen Primärstabilität sofort durch die Kraft der Hyrax-Apparatur belastet werden, ohne dass eine Osseointegration erforderlich ist [Hourfar et al., 2017]. Dies ermöglicht den direkten Beginn der RPE ohne eine Verzögerung in der Behandlung. Ein vollständig digitaler Arbeitsablauf basiert auf der Verwendung medizinischer Bilddaten für das CAD-Design und die Herstellung eines patientenspezifischen medizinischen Geräts mittels CAM-Technologien. In diesem Fall wurden IOS- und DVT-Daten verwendet, um die Bohrschablone für die Mini-Implantate zu erstellen, deren Herstellung anschließend im additiven Fertigungsverfahren erfolgte. Die Verwendung eines vollständig digitalen Arbeitsablaufs kann in Patientenfällen mit komplexen anatomischen Voraussetzungen verschiedene Vorteile im Vergleich zu herkömmlichen Ansätzen bieten. Der Arbeitsablauf ist effizient durchführbar und einfach in den täglichen klinischen Alltag zu implementieren. Darüber hinaus kann die Implementierung digitaler Technologien menschliche Fehler verringern und so die Patientensicherheit erhöhen [Graf et al., 2018; Graf et al., 2017]. Diesen Vorteilen können jedoch Belastungen bei der Einführung digitaler Technologien, etwa anfängliche Investitionskosten und das Vorhandensein einer Lernkurve, gegenüberstehen und so die Einführung erschweren [Küffer et al., 2022]. n FAZIT FÜR DIE PRAXIS n Computergestützte Navigationstechniken unter Verwendung von IOS und DVT ermöglichen eine patientenindividuelle, genaue und sichere Planung der Mini-Implantat-Insertion. n CAD/CAM-Technologien für die Gestaltung und Herstellung der Bohrschablone sind eine praktikable und effiziente Lösung, die leicht in die klinische Routine integriert werden kann.Der vorgestellte Workflow unter Verwendung von CAD/CAMbasierten Bohrschablonen könnte auch bei der Ausbildung unerfahrener Kliniker hilfreich sein. n Der vorgestellte Workflow unter Verwendung von CAD/CAM-basierten Bohrschablonen könnte auch bei der Ausbildung unerfahrener Kliniker hilfreich sein. n Die skelettal verankerte HyraxApparatur bietet die Möglichkeit einer kieferorthopädischen Behandlung für komplexe Patientenfälle mit reduziertem Gebiss, wobei sowohl die transversale Erweiterung des Oberkiefers und deren Retention als auch die Einstellung der retinierten und verlagerten Zähne in den Zahnbogen mit einer einzigen Apparatur möglich sind. n Die Mini-Implantate und die HyraxApparatur können in einer Sitzung eingebracht werden. n Durch die verwendete Bohrschablone wurde einerseits das Risiko der Verletzung der retinierten und verlagerten Zahnkeime verringert und andererseits durch eine parallele Insertion der Mini-Implantate die Stabilität und Effizienz der HyraxApparatur erhöht. n Insgesamt zeigt das beschriebene klinische Beispiel, dass die Anwendung einer etablierten Methode wie der CAD/CAM-hergestellten Bohrschablone auch für die Insertion von Mini-Implantaten in komplexen kieferorthopädischen Fällen sinnvoll sein kann.

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