Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 19

POLITIK | 71 für die Lohnfortzahlung sorgen. Pimpertz: „Der Beschäftigtenaufbau schlägt mit 24 Prozent zu Buche.“ Weshalb ist der Krankenstand überhaupt so gestiegen? Das erklärt aber nur einen Teil der Entwicklung. Den anderen begründet der Krankenstand: Verzeichnete der BKKDachverband 2010 noch durchschnittlich 13,2 Krankentage für seine Mitglieder, waren es 2022 bereits 22,6. Aktuelle Daten legen für Pimpertz nahe, dass der Krankenstand auch 2023 kaum gesunken ist. Warum aber sind die Deutschen heute länger und öfter krank? Die IWStudie stellt die kursierenden Erklärungen auf den Prüfstand. n So würden immer wieder Zusammenhänge zwischen konjunktureller Entwicklung und Krankenstand angeführt: Beispielsweise hieße es oft, aus Sorge vor einem Jobverlust würden Beschäftigte eher auf einen Krankenschein verzichten, wenn die Arbeitsmarktlage angespannt ist. „Der seit fast 20 Jahren beobachtbare Trend zu höheren Krankenständen nährt allerdings Zweifel an dieser Erklärung“, urteilt Pimpertz. n Auch die demografische Entwicklung werde demnach zur Begründung herangezogen: In alternden Belegschaften sei damit zu rechnen, dass Krankheitsbilder gehäuft auftreten, die im Alter öfter vorkommen. n Zudem veränderten sich die Krankheitsursachen. Schließlich habe der Anteil der psychischen Erkrankungen an allen Arbeitsunfähigkeitstagen stetig zugenommen. Gleichzeitig führten diese zu besonders langen Ausfallzeiten von durchschnittlich 40,4 Kalendertagen. n Am Ende sei bis heute nicht geklärt, welchen Einfluss die Pandemie auf die Krankenstandentwicklung hat. Von medizinischer Seite werde argumentiert, dass die Bevölkerungsimmunität wegen der langen Maskenpflicht gesunken ist. Wie lange es dauert, bis sie wieder das ursprüngliche Niveau erreicht, sei aber unklar. Der Rückgang vollziehe sich jedenfalls sehr langsam und das Niveau liege immer noch deutlich unter dem von 2019. Laden einige Angebote förmlich zu Missbrauch ein? „Die komplexen Zusammenhänge eröffnen einen weiten Interpretationsspielraum“, bilanziert Pimpertz. Das möge dazu beitragen, dass die telefonische AU bei Atemwegserkrankungen umstritten ist, ebenso Berichte über digitale Angebote, die eine elektronische AU versprechen, ohne dass man dafür einen Arzt telefonisch kontaktieren muss. „Derartige Angebote sind missbrauchsanfällig und bergen die Gefahr, nicht nur erkrankte Arbeitnehmer in Misskredit zu bringen, sondern auch Ärzte, die sich um eine seriöse Einschätzung des Gesundheitszustands ihrer Patienten bemühen“, schlussfolgert Pimpertz. Gegen diese potenziellen Missbrauchsgefahren könnten einfache Vorkehrungen helfen: „Grundsätzlich ließe sich die Möglichkeit zur telefonischen Krankschreibung auf den Hausarzt oder einen in Deutschland ansässigen Arzt beschränken. Treten Atemwegserkrankungen dagegen während eines Auslandsurlaubs auf, sollte Beschäftigten der persönliche Kontakt mit einem ortsansässigen Arzt zugemutet werden können. Beides würde sowohl dem berechtigten Interesse der Arbeitgeber Rechnung tragen als auch dem Interesse all jener Arbeitnehmer, die sich erst dann krankmelden, wenn es wirklich nicht mehr geht.“ ck Die Studie: Pimpertz, Jochen, 2024: Kosten der Entgeltfortzahlung – binnen 14 Jahren verdoppelt, IWKurzbericht, Nr. 70, Köln zm114 Nr. 19, 01.10.2024, (1637) LOHNFORTZAHLUNG UND KRANKENGELD Legen kranke Mitarbeiter ein ärztliches Attest vor, wird das Gehalt für bis zu sechs Wochen vom Arbeitgeber weitergezahlt. Diese Verpflichtung gilt auch dann, wenn Unternehmen erst ab dem dritten Krankheitstag eine Bescheinigung einfordern. Der „gelbe Schein“ kann bei Atemwegserkrankungen auch nach telefonischem Kontakt durch den Arzt ausgestellt werden. Die Sechs-Wochen-Frist bezieht sich auf ein und dieselbe Diagnose. Wer zum Beispiel aufgrund eines Rückenleidens krankgeschrieben ist, danach wieder seiner Arbeit nachgeht, aber nach kurzer Zeit deswegen erneut krankheitsbedingt ausfällt, für den summieren sich die attestierten Abwesenheiten im laufenden Kalenderjahr auf. Die Frist beginnt dagegen von Neuem, wenn man an einem anderen Leiden erkrankt. Dauert die Genesung länger als sechs Wochen, dann zahlen die gesetzlichen Krankenkassen im Anschluss ein Krankengeld in Höhe von 70 Prozent des Bruttogehalts, längstens bis zum Ende der 72. Woche. Arbeitgeberaufwendungen für die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall in Milliarden Euro 36,9 Bruttoentgeltfortzahlung Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitgeber 40,5 45,5 49,6 49,8 52,8 56,8 56,8 62,9 64,9 64,3 64,6 71,9 76,7 2010 *2022: vorläufig; **2023: geschätzt; Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitgeber einschließlich gesetzliche Unfallversicherung; Entgeltfortzahlung ohne Mutterschutz 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 *2022 **2023 Das kostet die Lohnfortzahlung die Arbeitgeber (Quelle: IW).

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