Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 19

76 | ZAHNMEDIZIN liegt aber eine Assoziation mit einigen Syndromen wie der Robin-Sequenz vor. Spaltbildungen gehen häufig mit erheblichen funktionellen Störungen der Ernährung, der Atmung und der Zahnstellung einher. Zudem können Fehlbildungen dieser Art das Gehör und die Sprachbildung stark beeinträchtigen. Außerdem manifestieren sie sich im Erscheinungsbild der Patienten, was negative Auswirkungen auf das soziale Leben die mundgesundheitsbezogene Lebensqualität hat [Payer et al., 2022]. Die Spaltbildung kann unterschiedliche Bereiche des Gesichtsbereichs betreffen und wird in Abhängigkeit der Lokalisation unterteilt. Zum vorderen Spaltabschnitt zählen Lippe und Kiefer. In diesem Bereich kann eine einseitige oder eine doppelseitige Spalte auftreten. Zum hinteren Spaltabschnitt gehören der Hart- und der Weichgaumen. Sind der vordere und der hintere Spaltabschnitt komplett betroffen, liegt eine LKG-S vor. Isoliert kann eine Lippen-Kiefer-Spalte oder eine Gaumenspalte auftreten. Therapie DieBehandlunginTübingenerfolgtmit einer Gaumenabdeckplatte in Kombination mit einem Tape der Lippe. Sie soll Mund- und Nasenhöhle voneinander trennen und somit das funktionelle Trinken und eine physiologische Zungenposition gewährleisten. Zudem verhindert die Platte die Einlagerung der Zunge in die Spaltregion und kann so negative Einflüsse auf das Wachstum abhalten beziehungsweise es in eine physiologische Richtung fördern. Ziel ist, die Spalte vor dem operativen Verschluss zu verkleinern. Idealerweise werden die kleinen Patienten bereits am Universitätsklinikum Tübingen entbunden und kommen direkt nach der Geburt auf die Abteilung Neonatologie der Klinik für Kinderund Jugendmedizin. Hier erfolgen unmittelbar nach der Geburt die digitale Abdrucknahme, der intraorale Scan und die Herstellung der Gaumenabdeckplatte mittels digitalem Workflow (Abbildungen 4b und 5). Dies kann idealerweise an einem Tag erfolgen, das heißt vormittags wird der intraorale Scan durchgeführt und nachmittags kann die fertige Apparatur eingesetzt werden. Die Apparatur wird mittels Haftcreme im Mund fixiert. Beim ersten Einsetzen wird die Platte auf Passung kontrolliert und bei Bedarf direkt vor Ort stationär angepasst. Die Eltern werden direkt über die Handhabung und Hygienemaßnahmen aufgeklärt. Idealerweise setzen die Eltern beim ersten Mal die Gaumenplatte selbstständig ein und nehmen sie wieder heraus, um dies zu üben und so Sicherheit im Umgang zu erlangen. Zusätzlich zur Gaumenabdeckplatte wird ein Lippen-Taping durchgeführt (Abbildung 6). Dieses hat die Aufgabe, den zirkulären perioralen Muskel in eine physiologische Position zu zwingen und zugleich die fehlgestellten Spaltsegmente in Position zu bringen. Das Tape (Steri-Strip, 3M Health Care, MN, USA) wird mit einem kieferorthopädischen Gummiband (Intra-orales, latexfreies Gummiband, mittlerer Zug, 1,3 N, 1/8 Zoll, Dentaurum, Ispringen, Deutschland) verbunden, um kontrolliert Spannung auszuüben. Es gilt das Prinzip, das Tape zuerst auf das größere Spaltsegment zu kleben, Spannung auf das Gummi auszuüben, indem dies in Richtung des kleineren Segments gezogen wird und anschließend darauf zu fixieren (Abbildung 6a). Die Besonderheit bei doppelseitigen Spalten ist das stark nach anterior und kranial dislozierte Zwischenkiefersegzm114 Nr. 19, 01.10.2024, (1642) Abbildung 4: Intraoralscan mit der jeweiligen kieferorthopädischen Plattenapparatur: a) Oberkieferscan eines Patienten mit Trisomie 21 und Stimulationsplatte, b) Intraoralscan eines Patienten mit Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte links und Gaumenabdeckplatte, c) Intraoralscan eines Patienten mit Robin-Sequenz und Tübinger Atemplatte mit velopharyngealer Verlängerung Fotos: Weismann C/Aretxabaleta M/UKT/ZMK/KFO ZM-LESERSERVICE Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion angefordert werden. a c b

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