ZAHNMEDIZIN | 81 des physiologischen Wachstums der Patienten muss nach drei bis vier Monaten eine zweite Platte angefertigt werden. Die zweite TPP wird bei einem weiteren stationären Aufenthalt angepasst. Nach weiteren drei bis vier Monaten muss eine weitere Polygraphie durchgeführt werden, um zu prüfen, ob eine neue TPP notwendig ist oder ob die Therapie beendet werden kann (OAI < 3). Nach der TPP-Behandlung erhalten die Patienten in der Regel eine Stimulationsplatte (Abbildung 4a) und zusätzlich die entsprechende CastilloMorales-Therapie zu Hause, um die orale und die periorale Muskulatur weiterhin zu trainieren und stärken. Dies hat langfristig das Ziel, das Wachstum des Unterkiefers in die physiologische Richtung zu lenken. Trisomie 21 Die häufigste Form der Trisomie ist die Trisomie 21 (TS21), auch DownSyndrom (DS) genannt. Die Prävalenz beträgt 4,9 von 10.000 Neugeburten in Europa [de Graaf et al., 2021]. Das typische Bild der TS21 ist gezeichnet durch eine hypotone intra- und extraorale Muskulatur mit habitueller offener Mundhaltung und extraoraler Zungenruhelage auf der Unterlippe. Die Folgen sind ebenfalls starke funktionelle Probleme im Alltag. Therapie Damit die hypotone Muskulatur trainiert wird, werden Patienten mit einer TS21 ab dem dritten Lebensmonat mit einer Stimulationsplatte (Abbildung 4a) [DGKJ et al., 2016] in Kombination mit der Regulationstherapie nach dem Castillo-Morales-Konzept versorgt. Die Stimulationsplatte wird ebenfalls ambulant und im komplett digitalen Workflow hergestellt. Dies basiert auch auf einem intraoralen Scan und kann, wie bei der Gaumenabdeckplatte, an einem Tag erfolgen. Die Kontrollintervalle sind alle acht bis zehn Wochen in der Poliklinik für Kieferorthopädie. Dabei wird der Stimulationsknopf durch Schleifen und Polieren an der entsprechenden Stelle verändert – mit der Funktion, einen neuen Anreiz und ein anderes Gefühl im Mund zu vermitteln. Zu Beginn wird der Stimulationsknopf posterior an der Platte angebracht, um eine Zungenanhebung zu gewährleisten. Danach wird der Knopf anterior an der Platte platziert. Alternativ können anterior in die Apparatur Kerben eingefräst werden. Die Tragezeit sollte nicht dauerhaft sein, sondern zu unterschiedlichen Tageszeiten erfolgen und variieren, damit es zu keiner Routine kommt und der Patient sich daran gewöhnt. Die Stimulationselemente sollten interessant bleiben, um die Muskulatur zu trainieren und zu stärken. Außerdem ist es empfehlenswert, die Apparatur während der logopädischen Übungen in den Mund einzusetzen. Die Platte wird ebenfalls mittels Haftcreme im Mund befestigt. Eine Neuanpassung ist in der Regel alle fünf bis sechs Monate indiziert. Wenn die Seitenzähne durchbrechen, ist die Therapie vorerst beendet. Dies ist bei TS21Patienten deutlich verspätet. Wenn alle Milchzähne in situ sind, kann die Therapie in Abhängigkeit der Compliance weitergeführt werden. Nebenwirkungen der Apparatur Nebenwirkungen sind zum Beispiel intraorale Druckstellen oder durch das Tape hervorgerufene Hautreizungen. Alle Nebenwirkungen der bislang in der Poliklinik für Kieferorthopädie am Universitätsklinikum Tübingen digital hergestellten Apparaturen sind ohne Folgen für den Patienten und restlos ausgeheilt. Druckstellen sind bei den von uns angefertigten Stimulationsplatten noch nie aufgetreten. Am häufigsten treten Schleimhautnebenwirkungen bei der TPP auf. Dies ist eine Folge von sehr starker Belastung der Schleimhaut. Dabei sind Einkerbungen von Druckstellen abzugrenzen. Druckstellen (Abbildung 9a) sind zu Beginn linsenförmige, weiße Auffälligkeiten mit einem roten Rand. Wenn sich diese verschlimmern, können sie schmerzhaft und blutig werden. Sie entstehen, wenn der Rand der Apparatur zu lang ist, insbesondere im Übergang von der befestigten zur flexiblen Mundschleimhaut, zum Beispiel am Ende des Oberkiefers (Tuberbereich), in der Umschlagfalte oder am Lippenbändchen. Eine weitere typische Stelle für Druckstellen ist das freiliegende Pflugscharbein bei LKG-S-Patienten. Auch bei zu intensivem Trinktraining kann es zu Druckstellen kommen, die auf die vermehrte Belastung der Plattenapparaturen zurückzuführen sind. Aufgrund des physiologischen Wachstums des Patienten kommt es bei den TPPs immer zu Einkerbungen, insbesondere im Frontzahnbereich des Oberkiefers (Abbildung 9b). Diese äußern sich als Stufe in der Umschlagfalte, die die gleiche Farbe hat wie die umliegende Schleimhaut (blassrosa). Da sie nicht schmerzhaft sind, besteht keine Notwendigkeit des direkten Handelns. Allerdings ist das ein Zeichen, dass die Plattenapparatur zu klein wird und eine neue angepasst werden muss. n zm114 Nr. 19, 01.10.2024, (1647) Abbildung 9: a) Druckstelle im Bereich der Umschlagfalte linksseitig (Kreis) [Knechtel et al., 2023], b) Patient mit Robin-Sequenz mit einer stufenförmigen Einkerbung der Schleimhaut linksseitig (Pfeile) a b Fotos: Weismann C/Aretxabaleta M/UKT/ZMK/KFO
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