Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 20

56 | PRAXIS deutschen Patent- und Markenamts eingeben oder googeln“, erklärt er. „Wenn es eine identische eingetragene Marke im gleichen oder in einem ähnlichen Dienstleistungsbereich gibt, scheidet eine Benutzung aus. Falls nicht, wäre im nächsten Schritt eine Recherche nach ähnlichen und nicht eingetragenen geschäftlichen Bezeichnungen vorzunehmen." Erst wenn es keine Kollisionen gibt, kann der Praxisname mit ruhigem Gewissen benutzt werden. Da die Registereintragungen aber nicht immer auf Anhieb erkennbar werden, ist die Prüfung durch spezialisierte Juristen die sicherste Herangehensweise. Kritisch wird es, wenn eine Verwechslungsgefahr besteht Warum manche Namen geschützt sind, andere wiederum nicht, erklärt Buse so: „Es gibt mehrere Möglichkeiten, wie Namen oder Bezeichnungen markenrechtlichen Schutz erlangen. Die klassische Marke beziehungsweise diejenige, die den meisten bekannt ist, entsteht durch eine Eintragung. Hierbei gibt es Wort- und Bild-Marken, die beim deutschen Patent- und Markenamt oder beim Europäischen Markenamt angemeldet und eingetragen werden. Daneben gibt es aber auch nicht eingetragene Marken, die sogenannten geschäftlichen Bezeichnungen, die durch eine Benutzung im geschäftlichen Verkehr entstehen. Die Konsequenz daraus ist, dass ein Praxisinhaber auch dann Markenschutz haben kann, wenn er unter seinem Praxisnamen im geschäftlichen Verkehr auftritt, obwohl er keine Marke registriert hat. Im Unterschied zur angemeldeten Marke bezieht sich der Markenschutz zm114 Nr. 20, 16.10.2024, (1722) FALLBEISPIEL 2 „ICH DACHTE, LIEBER GEHE ICH IN ERSATZHAFT, ALS ZU ZAHLEN“ Auch Sandra Streng, die mit ihrem Partner zusammen eine kieferorthopädische Praxis in Miltenberg im Odenwald betreibt, flatterte Anfang des Jahres eine Abmahnung ins Haus. Seit Eintragung ihrer Marke „MundArt“ ins Markenregister waren bis dato 9,5 Jahre vergangen. „Die Gegenseite forderte den sofortigen Verzicht meiner Marke, obwohl ich im Markenregister mit einer Wort-Bild-Marke eingetragen bin?“, wunderte sich Streng, 300 Kilometer entfernt von der Klägerin. Sie recherchierte und fand heraus, dass die abmahnende Kollegin die Praxis Ende 2023 übernommen und damit auch den Namen mit erworben hatte. „Kurze Zeit nach der Praxisübernahme hat sie mit den Abmahnwellen in ganz Deutschland begonnen“, berichtet die Fachzahnärztin für Kieferorthopädie. Ihr Anwalt prüfte das Schreiben und befand zunächst, die Markenrechtlichen Ansprüche der Gegenseite seien verwirkt. Des Weiteren sei die Kollegin der Markenbeobachtungspflicht nicht nachgekommen. „Die Kennzeichnungskraft der Marke ist nicht gegeben“, zitiert Streng aus dem Brief und legte deshalb gegen die Abmahnung Widerspruch ein. „Zudem leuchtete mir das Vorgehen der Gegenseite nicht ein. Ich war ja schon so lange am Markt und registriert." Die Gegenseite verlangte daraufhin Einsicht in die Entwicklung der wirtschaftlichen Situation ihrer Praxis, um anhand dessen den Lizenzschaden ermitteln zu können. Mindestens zwei Prozent des Einkommens können hier geltend gemacht werden. „Zum Zeitpunkt, als ich meinen Namen auf 'MundArt' festgelegt hatte, bin ich in die Praxis von meinem Mann eingestiegen. Aus einer Einzel- wurde eine Mehrbehandlerpraxis mit einem angestellten Zahnarzt. Wir zogen von einer kleinen Praxis in ein großes Ärztehaus. Dass die dann gestiegenen Umsätze nicht auf die Namensänderung, sondern auf die Expansion zurückzuführen sind, wurde nicht berücksichtigt“, berichtet Streng. Sie war nicht bereit, ihre Einkünfte offenzulegen, hatte von Praxen gehört, dass eine monatliche Lizenzgebühr von 1.000 bis 3.000 Euro fällig werde und diese zudem rückwirkend bezahlt werden müsse. „Bei zehn Jahren rückwirkender Zahlungen hätte ich gar nicht mehr das Geld aufbringen können, da ich mit der Anteilsveräußerung meines Mannes eine große Schuldensumme aufgenommen habe, die ich nicht weiter erhöhen konnte. Ich überlegte mir wirklich ernsthaft, in diesem Worst-Case-Szenario lieber in Ersatzhaft zu gehen und ein Buch zu schreiben, als diesem Menschen irgendwas zu zahlen." Kurze Zeit später erreichte sie im laufenden Praxisbetrieb eine einstweilige Verfügung per Gerichtsdiener. „Das passierte vor den Augen der Patienten, was in einem kleinen Ort wie meinem äußert geschäftsschädigend ist“, empört sich Streng. Darin ordnete das Gericht – ohne sie vorher anzuhören – an, dass sie mit sofortiger Wirkung auf den Namen verzichten und die Verzichtserklärung unterschreiben soll. „Das bedeutetet, dass das ganze Corporate Design geändert werden muss: neue Anmeldung, neue Schilder, neue Homepage und so weiter." Diese Kosten beliefen sich schnell auf 30.000 Euro. Erneut legte sie Widerspruch ein. „Ich ging immer noch davon aus, dass ich Recht bekommen würde, da meine Marke ganz anders aussieht. Außerdem gibt es mehr als 20 Praxen in Deutschland namens Mundart. Die Klägerin war nicht ihrer Markenaufsichtspflicht nachgekommen und ich habe keinen Schaden für sie verursacht. Ich betreue nur rein kieferorthopädische Fälle. Die Gegenseite macht Implantate." Es kam zur Gerichtsverhandlung. Streng verlor. Nachvollziehen kann sie das bis heute nicht. Doch dann erhielt sie die Diagnose „Hirntumor“. „Eine Berufung war für mich unter diesen Umständen obsolet. Ich hatte damals keine Lust, mir vom Krankenbett aus weitere Einlassungen durchzulesen. Schlussendlich habe ich dieses ungerechte Urteil akzeptiert“, erklärt Streng. Ihr Gesamtschaden beläuft sich auf 50.000 Euro. Streng und ihr Partner betreiben eine große Gemeinschaftspraxis mit acht Behandlungsstühlen in Miltenberg, zu der 20 Mitarbeiter und drei Behandler gehören. Nach der Klage änderten sie den Praxisnamen in „orthovision kfo“.

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