58 | TITEL tige Deckung erreichbar ist. Allerdings ist aufgrund der Verschiebung und des Vernähens mehrerer kleiner Lappenanteile die Methode äußerst techniksensibel und daher nur erfahrenen Anwendern zu empfehlen. Vergleich der Operationsmethoden Im Bereich der mukogingivalen Chirurgie existiert eine Vielzahl von Methoden, um traumatisch bedingte Zahnfleischrückgänge der Klassen RT1 und bedingt auch RT2 zu decken. Die verschiedenen Lappentechniken lassen sich mit verschiedenen autologen, xenogenen und allogenen Transplantaten und/oder Biologika kombinieren [Chambrone und Tatakis, 2015; Tavelli et al., 2020]. In den vergangenen Jahren haben sich hier insbesondere Schwerpunkte im Bereich der koronalen Verschiebelappen und der Tunneltechniken gebildet [Cairo et al., 2014; Cairo et al., 2016]. Diese eignen sich aber insbesondere für RT1/RT2-Rezessionen, die nicht über die mukogingivale Grenze hinausreichen (Miller-Klasse I). Bei RT1/RT2-Rezessionen, die über diese Grenze hinausgehen (MillerKlasse II) und daher keine keratinisierte Gingiva apikal der Rezession aufweisen, sind eher Methoden geeignet, die eine laterale Verschiebekomponente aufweisen. Der doppelt-lateral verschobene Lappen nach Nelson [Nelson, 1987] und der lateral verschobene Lappen nach Grupe & Warren [Grupe und Warren, 1956; Grupe, 1966] sind für tiefe singuläre Rezessionen geeignet, haben aber den Nachteil, dass sie in der originalen Form keine deutliche Koronalverschiebung des Lappens ermöglichen. Die hohe Rezidivgefahr des Lateralen Verschiebelappens und die starke Anfälligkeit für sichtbare Vernarbungen lassen diesen – verglichen mit den Weiterentwicklungen der lateralen Verschiebelappen – mehr und mehr in den Hintergrund treten. Weiterer Bekanntheit erfreut sich der Lateral Geschlossene Tunnel (LCAT) nach Sculean & Allen [Sculean und Allen, 2018; Sculean et al., 2021]. Diese Methode zeigt durch das fast völlige Ausbleiben postoperativer Vernarbungen einen deutlichen Vorteil gegenüber den oben genannten Verfahren. Allerdings weisen Patienten nach Tunneltechniken verglichen mit Verschiebelappen tendenziell eine größere postoperative Morbidität auf. Nachteil der Tunneltechniken ist zudem die eingeschränkte koronale Verschiebbarkeit, die mit einer geringeren Quote mittlerer und vollständiger Wurzeldeckungen einhergeht [Pini Prato et al., 2005; Salhi et al., 2014; Santamaria et al., 2017; Neves et al., 2020]. An dieser Stelle setzt der Lateral Geschlossene Koronal Verschobene Lappen (LCAF) nach Tunkel an [Tunkel et al., 2024]. Anders als beim LCAT werden hier auch die Papillen vom interdentalen Col gelöst, so dass ein wirklicher Verschiebelappen gebildet wird. Dies ermöglicht eine Überdeckung der SchmelzZement-Grenze von mehr als 2 mm, so dass die vollständige Wurzeldeckung vorhersagbarer erreicht werden kann. Die vorübergehende sichtbare LappenGrenzlinie im Bereich der Papillen ist nach drei bis zwölf Monaten in der Regel ohne weitere Maßnahmen annähernd vollständig verschwunden, so dass auch hier ein Ergebnis visueller Narbenfreiheit erwartet werden kann. Ansonsten ist das Funktionsprinzip des LCAF vergleichbar mit dem LCAT. Im Gegensatz zum LCAT existieren vom LCAF allerdings noch keine klinischen Fallstudien, Fall-Kontroll-Studien oder gar randomisierte, kontrollierte klinische Studien, so dass die wissenschaftliche Evaluation dieser Methode noch abgewartet werden muss. Sowohl LCAT als auch LCAF finden ihre Anwendung bei singulären tiefen RT1-Rezessionen (Miller-Klasse-II-Rezessionen). Bei multiplen eng oder direkt benachbarten Rezessionen stoßen diese an ihre Grenzen. Hier ist als eines der wenigen einzeitigen Verfahren der Mehrfach Gestielte Koronal Verschobene Lappen (MPCAF) die Methode der Wahl [Tunkel et al., 2021; Tunkel et al., 2022]. Bei dieser der Nelson-Technik angelehnten Methode können beliebig viele über die mukogingivale Grenze hinausgehende Rezessionen gedeckt werden. Durch die Lösung der Papillen ist auch hier eine deutliche Koronalverschiebung und somit eine verbesserte Vorhersagbarkeit der Deckung möglich. Allerdings lässt sich nur durch die Bildung zweier Entlastungsinzisionen der Verschluss des Lappens ermöglichen, wodurch der Nachteil der Narbenbildung gegeben ist. Deren Auswirkungen lassen sich aber durch die kreisförmige Ausführung und die Verlegung der Inzisionen in den Seitenzahnbereich minimieren. Zusammenfassung Der Lateral Geschlossene Tunnel, der Lateral Geschlossene Koronale Verschiebelappen und der Mehrfach Gestielte Koronal Verschobene Lappen sind die modernen Methoden lateraler Verschiebelappen, die kombiniert mit Transplantaten, Matrizes und Biologika methodische Möglichkeiten bilden, auch bei tiefen, über die mukogingivale Grenze hinausgehenden Rezessionen, vorhersagbare und weitgehend narbenfreie Deckungen in einem einzigenEingriff zu erzielen. Die mukogingivale Chirurgie stellt einen wichtigen und für die Patienten aufgrund des Gewebegewinns auch positiven Eingriff dar. Wenn man sich als Behandler diesem Feld nähern möchte, sollte man zunächst mit koronalen Verschiebelappen anfangen. Zahnärzte, die bereits Erfahrung auf dem Gebiet der plastischen Parodontalchirurgie gesammelt haben, werden dann in den Bereich der Tunneltechniken und der lateralen Verschiebelappen weitergehen. Obwohl die lateralen Verschiebelappen und lateral geschlossenen Tunnel aufgrund ihrer technischen Komplexität nicht gleich zu Beginn operiert werden sollten, werden sie für den parodontalchirurgisch interessierten Kollegen im Zuge zunehmender Erfahrung zum wichtigen Instrument für die erfolgreiche Deckung parodontaler Rezessionen werden. n zm114 Nr. 21, 01.11.2024, (1820) CME AUF ZM-ONLINE Laterale Verschiebelappen zur Deckung parodontaler Rezessionen Für eine erfolgreich gelöste Fortbildung erhalten Sie zwei CME-Punkte der BZÄK/DGZMK.
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