Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 21

TITEL | 63 eher anterioren Gaumen gewonnen. Durch den Erhalt des bedeckenden Gewebes soll eine primäre Heilung sichergestellt werden. Die Höhe des Gaumendachs und somit die Entfernung zur Arteria palatina sowie die Dicke der Schleimhaut, vor allem über den palatinalen Wurzeln der Molaren zusammen mit den Rugae des anterioren Gaumens, sind die limitierenden Faktoren bei dieser Technik. Trotz des Verbleibs des Epithels kann es zu sekundärer Wundheilung mit entsprechender Morbidität postoperativ kommen, besonders bei Techniken, die mehrere Inzisionen beinhalten, wie den sogenannten Trap-Door-Techniken, so dass sich die „Single-IncisionTechnik“ durchgesetzt hat [Fickl et al., 2014]. Gegen eine übermäßige Blutung und postoperative Morbidität empfiehlt sich klinisch die routinemäßige Anwendung einer Verbandplatte, entweder in der Tiefziehtechnik oder präoperativ mittels eines Thermoplasts, so dass sich früh ein stabiles Blutkoagel bildet und die Wundheilung an der Entnahmestelle ungestört ablaufen kann. Dadurch wird die Morbidität klinisch deutlich reduziert. Das sBGT zeigt ästhetisch sehr gute Ergebnisse mit Blick auf Oberflächenstruktur sowie Farbe und kann unter anderem im Rahmen der Envelope- oder Tunneltechnik oder auch über einer Extraktionsalveole bewusst exponiert belassen werden, um zusätzlich befestigte Gingiva zu gewinnen. Deepithelialisiertes Bindegewebstransplantat (dBGT) Diese Technik hat in den vergangenen Jahren an Popularität gewonnen und beinhaltet die Entfernung des Epithels intraoral vor oder extraoral nach der Entnahme quasi eines freien Schleimhauttransplantats, wodurch mehr Lamina propria und Bindegewebe sowie weniger Submukosa und Fettgewebe erhalten bleiben, was klinisch auch einfach zu erkennen ist. Dies macht das dBGT besonders geeignet für die Verbreiterung der keratinisierten Mukosa und die Gewebeverdickung [Bertl et al., 2015]. Zusätzlich kann die Entnahme weiter dorsal erfolgen, da bei korrekter, oberflächlicher Entnahme in 1,5 bis 2 mm Dicke das Risiko für eine Gefäßverletzung minimal ist und auf dem Knochen noch Gewebe verbleibt. Die Wundheilung nach dieser Technik erfolgt anders als beim sBGT immer sekundär, somit wurden bei Vergleichsstudien eine signifikant erhöhte Morbidität, Schwellungen und ein erhöhtes Nachblutungsrisiko beschrieben [Del Pizzo et al., 2002; Griffin et al., 2006], was jedoch bei entsprechender Versorgung des Gaumens umgegangen werden kann [Zucchelli et al., 2010]. Die Versorgung der Spenderregion kann mit Kollagenvlies, Cyanoacrylatkleber, Verbandplatte oder einer Kombination erfolgen. Dies kann die Morbidität deutlich reduzieren [Tavelli et al., 2019b]. Ein Vorteil von dBGT ist die Stabilität der Gewebedicke im Laufe der Zeit, was im Gegensatz zur beschriebenen Schrumpfung von sBGT steht, die häufig beobachtet wird [Zucchelli et al., 2018]. Eine Übersichtsarbeit, die sBGT und dBGT im Rahmen der Rezessionsdeckung verglich, empfahl primär die Anwendung des dBGT. So lag die mittlere Wurzelabdeckung nach zwölf Monaten mit dem sBGT bei 89,3 Prozent im Vergleich zu 94 Prozent beim dBGT. Die Daten der dBGT-Gruppe stützten sich jedoch nur auf die Ergebnisse einer einzigen Arbeitsgruppe und die Gruppen mit der höchsten durchschnittlichen Wurzeldeckung wurden für das sBGT berichtet, so dass hier ein gewisser Centereffekt vermutet werden kann. Weiterhin besteht bei dBGT ein gewisses Risiko für ästhetische Komplikationen wie eine keloidartige Narbenbildung, eine unnatürliche Randsituation oder eine deutlich hellere und glattere Oberfläche, wenn das Transplantat nicht korrekt gehandhabt wird, der Decklappen sehr dünn ist oder das Transplantat offen einheilt [Gluckman et al., 2019; Zucchelli et al., 2014b]. Neuere Daten haben weiterhin gezeigt, dass die Durchblutung des Decklappens durch ein dBGT signifikant länger reduziert ist als bei einem sBGT, was in der Folge zu häufiger auftretenden späten Komplikationen wie Zystenbildungen führt [RagghiantiZangrando et al., 2021]. Die vollständige Entfernung des Epithels – egal ob intra- oder extraoral – wird nicht immer erreicht [Couso-Queiruga et al., 2023], was letztlich zu Problemen bei der Einheilung mit unvollständiger Verbindung zum Decklappen oder mit der Wundunterlage wie der Wurzeloberfläche führen kann. So wurde von einer deutlich erhöhten Dehiszenzrate in etwa jedem zweiten Fall bei dicken dBGT (> 1,5 mm) mit entsprechend reduziertem ästhetischem Ergebnis berichtet [Zucchelli et al., 2014a]. zm114 Nr. 21, 01.11.2024, (1825) n 2009: Staatsexamen & Approbation n 2010–2012: Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung fü r Parodontologie, Universität Wü rzburg n 2011: Promotion n 2013: Ernennung zum Spezialisten fü r Parodontologie (DG PARO) n 2013–2014: Honorary Research Associate & Clinical Teaching Fellow, UCL Eastman Dental Institute, London, UK n 2014–2016: Oberarzt, Abteilung fü r Parodontologie, Universität Witten-Herdecke n 2017: Ernennung zum Fachzahnarzt fü r Parodontologie (ZÄKWL) n 2018: Ext. Oberarzt, Abteilung fü r Parodontologie & Periimplantäre Erkrankungen, Universität Zü rich n 2022: Habilitation n 2024: Grü ndung „Fachpraxis fü r Parodontologie & Implantologie“,Wü rzburg PD Dr. Kai Fischer Fachpraxis fü r Parodontologie & Implantologie Franz-Ludwig-Str. 9A 97072Wü rzburg und Division fü r Parodontologie & Periimplantäre Erkrankung, Poliklinik fü r Zahnerhaltung & Präventivzahnmedizin, Zentrum fü r Zahnmedizin, Universität Zü rich Plattenstr. 11, 8032 Zü rich, Schweiz info@fachpraxis-parodontologie.de Foto: privat

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