Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 21

GESELLSCHAFT | 71 wort gebe Aufschluss darüber, ob der Apfel noch im Ganzen verzehrt oder in kleine Stücke geschnitten, ob mit oder ohne Schale gegessen wird. Vielleicht kommt auch heraus, dass kauintensive Lebensmittel wie Äpfel gemieden werden. „Ältere Menschen nehmen den schleichenden Wandel ihres Essverhaltens oft gar nicht wahr und steuern dann natürlich auch nicht aktiv dagegen“, beschreibt Nitschke die Situation. „Es empfiehlt sich daher, bei Kontrollterminen mehr über diese Patientinnen und Patienten herauszufinden.“ Vor allem sollte versucht werden, einen Einblick in deren Lebenssituation zu gewinnen. Wichtig ist laut der Expertin für Seniorenzahnmedizin unter anderem folgende Information: Wohnt die Person in einer Einrichtung oder noch zu Hause? Lebt sie dort allein oder mit Angehörigen? Nitschke betont, dass für diese Aufgabe das Zusammenspiel des gesamten Praxisteams wichtig sei. „Wenn die Mitarbeiterin am Empfang beispielsweise beim Smalltalk erfährt, dass der Ehepartner einer Patientin kürzlich verstorben ist, sollte sie dazu einen Vermerk in die Patientenakte schreiben und ihre Chefin oder ihren Chef bei Gelegenheit darauf aufmerksam machen“, rät Nitschke. Gleiches gelte, wenn von Stürzen oder Mundtrockenheit erzählt wird. Umgekehrt sollten Niedergelassene ihren Mitarbeitenden für Aufmerksamkeit im Umgang mit älteren Menschen Wertschätzung entgegenbringen: „Sie erfüllen damit eine wichtige Aufgabe und sorgen dafür, dass – wie ich es nenne – der gerostomatologische Wohlfühlfaktor der Praxis stimmt.“ Ein Grund, warum Ältere an Mangelernährung leiden, sind schlecht sitzende Prothesen, die das Kauen erschweren. Nitschke hat die Erfahrung gemacht, dass viele Seniorinnen und Senioren zurückhaltend oder ablehnend auf den Vorschlag reagieren, die Prothese zu reparieren oder zu erneuern. „Das lohnt sich nicht mehr“, sei häufig die Aussage. Manchmal sagten das auch begleitende Angehörige. Hier sei es wichtig, die Kosten aktiv anzusprechen und transparent darzustellen. Nitschkes Tipp: „Auch hier sollten die Mitarbeitenden eingebunden werden, die am empathischsten sind und gut mit älteren Menschen umgehen können.“ „Ach, eine neue Prothese lohnt sich bei mir doch sowieso nicht mehr“ Aber nicht nur Ältere betrifft das Thema Mangelernährung. Die Malnutrition Awareness Week nimmt auch andere betroffene Gruppen in den Fokus. So weisen laut Infoflyer 15 bis 20 Prozent der an Krebs erkrankten Menschen bereits zum Zeitpunkt der Diagnose entsprechende Anzeichen auf, bei fortgeschrittener Krebserkrankung sind es 80 Prozent. Generell seien in deutschen Kliniken bis zu 20 Prozent der Patientinnen und Patienten mangelernährt. Das könne eine Vielzahl von Symptomen hervorrufen, etwa Stimmungsschwankungen und Depressionen, Konzentrationsschwierigkeiten, Kreislaufprobleme, Müdigkeit und Kopfschmerzen. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM) rät in Fällen von krankheitsbedingter Mangelernährung (die nicht mit Appetitlosigkeit einhergeht) zu energiereichen, nährstoffdichten Lebensmitteln. Diese könnten durch pflanzliche Öle, Nüsse, Nussmuse, Samen, aber auch durch Sahne, Butter und Crème fraîche angereichert werden, um den Nährstoff- und Kaloriengehalt zu erhöhen. Die Mahlzeiten sollten leicht verzehrbar und appetitlich zubereitet sein und den persönlichen Vorlieben entsprechen. Wenn diese Maßnahmen nicht ausreichen oder die erkrankte Person einen verminderten Appetit hat, kann nach Angaben der DGEM Trinknahrung eine Lösung sein. DGAZ-Präsidentin Nitschke merkt in diesem Zusammenhang an: „Hochkalorische Trinknahrung ist extrem kariogen. Im Gespräch mit den betreuenden Ärztinnen und Ärzten oder den Angehörigen sollten zahnmedizinische Fachkräfte dafür sensibilisieren, dass hier ein Risiko für die Mundgesundheit besteht – was sich, sollten Schmerzen entstehen, wiederum auf die Nahrungsaufnahme auswirken kann.“ Andersherum, betont Nitschke, sei es aus zahnmedizinischer Perspektive wichtig anzuerkennen, dass es beim Einsatz von Trinknahrung um die Vermeidung der Sarkopenie gehe. Ihr Tipp, um die Mundgesundheit trotzdem zu schützen: Die Trinknahrung sollte nicht über einen langen Zeitraum, sondern besser „in einem Rutsch“ aufgenommen werden. Eine gute Idee sind laut der Expertin Produkte, die bei geringerer Menge den gleichen Nährwert enthalten und einen hohen Proteingehalt haben. Außerdem immer wichtig, betont Nitschke: „Die Mundhygiene sollte so gut wie möglich und regelmäßig erfolgen.“ sth zm114 Nr. 21, 01.11.2024, (1833) ÜBER DIE AKTIONSWOCHE Im Rahmen der Malnutrition Awareness Week stehen verschiedene Informationsflyer zum Download oder zur Bestellung zur Verfügung, die zum Beispiel in der Praxis ausgelegt werden können: n Flyer „Risikofaktor Mangelernährung“ mit allgemeinen Informationen und einem Selbsttest zum Abschätzen des persönlichen Mangelernährungs-Risikos: n Flyer „Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen“ mit Tipps gegen Appetitlosigkeit und Gewichtsverlust Am 11. November, von 18 bis 20 Uhr, findet ein kostenfreies Webinar zum Thema „Die krankheitsassoziierte Mangelernährung – eine interdisziplinäre Herausforderung“ statt. Das komplette Programm der Aktionswoche finden Sie hier: Ältere Menschen nehmen den schleichenden Wandel ihres Essverhaltens oft gar nicht wahr und steuern dann natürlich auch nicht aktiv dagegen. Prof. Dr. Ina Nitschke, Universität Leipzig

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