72 | ZAHNMEDIZIN INTERVIEW MIT PD DR. AARABI ZUR MUNDGESUNDHEITS-APP MUMI+ „Wir wollen präventives Verhalten etablieren“ Studien zufolge pflegen Kinder und Jugendliche mit Migrationsgeschichte ihre Zähne oft schlechter als ihre Altersgenossen aus anderen Bevölkerungsgruppen und haben daher ein höheres Risiko, Karies zu entwickeln. Eine App soll helfen, die Mundgesundheitskompetenz zu fördern und Karies gar nicht erst entstehen zu lassen. Dafür wird die bestehende MuMi-App um die neuen Module „Kinder und Jugendliche“ und „Mundgesundheit rund um die Geburt“ erweitert (MuMi+). Frau Dr. Aarabi, was ist das „MuMi+ Projekt“ und wie ist die Idee für das Projekt entstanden? PD Dr. Ghazal Aarabi: Das „MuMi+ Projekt“ (Gesunde Zähne für Alle: Förderung der Mundgesundheitskompetenz von Klein bis Groß) ist ein Kooperationsprojekt der Poliklinik für Parodontologie, Präventive Zahnmedizin und Zahnerhaltung, des Instituts für Medizinische Soziologie und des Instituts für Versorgungsforschung in der Dermatologie und bei Pflegeberufen im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE). Es ist die Nachfolge des abgeschlossenen MuMi-Projekts („Förderung der Mundgesundheitskompetenz und Mundgesundheit von Menschen mit Migrationshintergrund“) und wird von Mai 2025 bis April 2028 durch den Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) gefördert. Rund ein Viertel der Gesamtbevölkerung in Deutschland hat eine Migrationsgeschichte. Um das Bewusstsein für ein gutes Mundgesundheitsverhalten zu verbessern, haben wir in dem Vorgängerprojekt eine SmartphoneApp zur Verbesserung der Mundgesundheitskompetenz bei erwachsenen Menschen mit und ohne Migrationsgeschichte entwickelt und erprobt. Die Evaluationsergebnisse zeigten bei den Nutzer:innen dieser „MuMi-App“ im Vergleich mit den Nicht-Nutzer:innen signifikante Verbesserungen in der Mundgesundheitskompetenz und der Mundgesundheit selbst. Insbesondere Menschen mit Migrationsgeschichte und niedrigem sozioökonomischem Status (SES) haben hier profitiert. Bei Kindern und Jugendlichen aus Familien mit einem niedrigen SES und mit Migrationsgeschichte beobachten wir ein unzureichendes Mundpflegeverhalten und eine höhere Kariesprävalenz. Aktuelle Untersuchungen weisen außerdem auf eine häufigere Karies im Milchzahngebiss hin (ECC). Die frühkindliche Karies wird in ihren Auswirkungen auf die zukünftige Entwicklung der Zähne und des Mundes häufig unterschätzt. Zur Verhinderung frühkindlicher Karies ist somit die Einbeziehung und Aufklärung werdender Eltern essenziell. Auch werdende Mütter haben zusätzliche schwangerschaftsbedingte Risiken für ihre Mundgesundheit. Vielseitige Veränderungen während der Schwangerschaft können zum Beispiel das Risiko für eine Schwangerschaftsgingivitis erhöhen. Vor diesen Hintergründen wollten wir im Rahmen des MuMi+ Projekts die App für weitere Alters- und Zielgruppen ausdehnen. Die MuMi+ App beinhaltet die beiden neuen Module „Mundgesundheit von Kindern und Jugendlichen“ (Modul 1) und „Mundgesundheit rund um die Geburt“ (Modul2). In Kooperation mit dem Schulzahnärztlichen Dienst des Öffentlichen Gesundheitsdienstes aus dem Bezirk Hamburg-Mitte und mit niedergelassenen Hamburger Zahnarztpraxen sowie Hamburger Gynäkolog:innen und Hebammen soll in einer randomisiert kontrollierten Studie der Effekt der App zur Steigerung der Mundgesundheitskompetenz untersucht werden. PD Dr. Ghazal Aarabi ist Forschungskoordinatorin und leitende Oberärztin der Poliklinik für Parodontologie, Präventive Zahnmedizin und Zahnerhaltung am Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf. Sie stellt die Mundgesundheits-App MuMi einem Patienten vor, um ihn in seiner häuslichen Mundhygiene zu unterstützen. Foto: UKE/Ronald Frommann zm114 Nr. 21, 01.11.2024, (1834)
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