zm114 Nr. 22, 16.11.2024, (1898) 28 | MEDIZIN EINE WELT VOLLER MIKROBEN UND BAKTERIEN Biodiversität auf der Zahnbürste US-Forscher haben Proben von Duschköpfen und benutzten Zahnbürsten genommen: Sie fanden mehr als 600 Viren, die meisten davon waren wenig oder gar nicht bekannt. Der durchschnittliche US-Amerikaner verbringt 93 Prozent seiner Zeit in einer bebauten Umwelt und davon fast 70 Prozent in seinem Zuhause. Grund genug, mal nachzuschauen, wie es dort aussieht, meinten Mikrobiologen der Northwestern University in Illinois. Besonders interessierte sie das Badezimmer. Bei ihren Analysen fanden sie heraus, dass es auf der Oberfläche von Duschköpfen und Zahnbürsten eine extrem vielfältige Sammlung von Viren gibt – die meisten von ihnen waren noch nie zuvor gesichtet worden. Die Wissenschaftler untersuchten 34 Zahnbürsten- und 92 Duschköpfe und identifizierten 22 vollständige, 232 hochqualitative und 362 mittelqualitative virale operative taxonomische Einheiten (OTUs). Unter einer OTU versteht man eine Gruppe von Bakterien oder Mikroben, die sich sehr ähnlich sind. Bei den gefundenen Mikroorganismen handelt es sich um Bakteriophagen beziehungsweise „Phagen“, also Viren, die ausschließlich Bakterien infizieren. Dabei korreliert der Reichtum dieser viralen Gemeinschaft mit dem bakteriellen Reichtum, nicht aber mit Shannon- oder Simpson-Indizes: Von den qualitativ hochwertigen viralen OTUs mit ausreichender Abdeckung (614) wurden 532 mit 32 Bakterienfamilien in Verbindung gebracht, von denen nur Sphingomonadaceae, Burkholderiaceae und Caulobacteraceae sowohl auf Zahnbürsten als auch auf Duschköpfen angesiedelt waren. „Jede Zahnbürste ist wie eine eigene kleine Insel!“ „Wir sahen im Grunde keine Überschneidungen bei den Virusarten zwischen Duschköpfen und Zahnbürsten“, bestätigt Studienleiterin Erica Hartmann. „Wir haben auch sehr wenig Überschneidungen zwischen den einzelnen Proben gesehen. Jeder Duschkopf und jede Zahnbürste ist wie eine eigene kleine Insel. Das unterstreicht die unglaubliche Vielfalt der Viren da draußen.“ Wie sie erzählt, begann das Projekt als Kuriosität: „Wir wollten wissen, welche Mikroben in unseren Häusern leben. Wenn man an Innenräume denkt, dann ist es für Mikroben wirklich schwer, sich auf Oberflächen wie Tischen und Wänden einzurichten. Sie bevorzugen Umgebungen mit Wasser. Und wo ist Wasser? In unseren Duschköpfen und auf unseren Zahnbürsten!“ Hartmann und ihr Team beobachteten allerdings mehr Mykobakteriophagen als andere Arten von Phagen. Mycobacteriophagen infizieren Mykobakterien, eine pathogene Spezies, die Krankheiten wie Lepra, Tuberkulose und chronische Lungeninfektionen verursacht. Hartmann kann sich daher vorstellen, dass Forscher künftig Mykobakteriophagen nutzen könnten, um diese Krankheiten zu behandeln. Unterm Strich belegen die Ergebnisse für sie, wie wenig Informationen über Bakteriophagen in Innenräumen verfügbar sind, und verdeutlichen den Bedarf an stärker auf Viren ausgerichteten Methoden zur DNA-Extraktion und Sequenzierung, um die Auswirkungen von Viren auf das Mikrobiom in der bebauten Umwelt zu verstehen. „Mikroben sind überall, und die überwiegende Mehrheit von ihnen wird uns nicht krank machen“, stellt Hartmann klar. „Je mehr man sie mit Desinfektionsmitteln angreift, desto mehr entwickeln sie wahrscheinlich Resistenzen oder werden schwieriger zu behandeln. Wir sollten sie alle nur umarmen." ck Die Studie: Huttelmaier, Stefanie; Shuai, Weitao; Sumner, Jack T.; Hartmann, Erica M. (2024): Phage communities in household-related biofilms correlate with bacterial hosts. Frontiers. Collection. https://doi.org/10.3389/frmbi.2024.1396560 Foto: Wirestock-stock.adobe.com
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