TITEL | 37 im Vergleich zu damals, dass es für Frauen einfacher geworden ist, in den Beruf zu kommen. Inzwischen haben wir rund 70 Prozent Zahnärztinnen und rund 50 Prozent Ärztinnen. Im ärztlichen Bereich haben sich die Weiterbildungsordnungen dahingehend verändert, dass man auch in Teilzeit arbeiten kann. Was sind Ihre Hauptanliegen und Hauptforderungen an Politik und Gesellschaft? Die Mutterschutzregelungen für Ärztinnen und Zahnärztinnen müssen aus unserer Sicht endlich verbessert werden. Wir möchten, dass diejenigen Frauen, die in der Schwangerschaft weiterarbeiten wollen, auch weiterarbeiten können. Es kann nicht sein, dass Ärztinnen und Zahnärztinnen in dem Moment, in dem sie bekanntgeben, dass sie schwanger sind, oft aus dem Berufsleben herausfallen. Problematisch ist das auch in der Weiterbildungszeit, da es die betroffenen Frauen beruflich nach hinten katapultiert. Genauso wichtig ist aber, dass die Option besteht, bestimmte Tätigkeiten nicht machen zu müssen, wenn es die Schwangere für riskant hält. In diesem Bereich engagiert sich der DÄB sehr aktiv und hat entsprechende Initiativen auf den Weg gebracht. Inwieweit hat der DÄB in der Gendermedizin Pionierarbeit geleistet? Wir haben 1981 schon einen Kongress zu diesem Thema durchgeführt. Und 1999 haben wir mit dem Slogan „Schlagen Frauenherzen anders?“ die Herzgesundheit als Kongressthema in den Fokus gerückt. Ich als Präsidentin freue mich riesig, dass die Gesellschaft inzwischen für genderspezifische Medizin sensibilisiert ist. Es geht dabei ja nicht ausschließlich um Frauengesundheit, sondern um eine besser angepasste und darum insgesamt bessere Medizin für alle. Inzwischen kommen auch mehr Männer in die entsprechenden Vorträge. Hier hat der weibliche Blick die Grundlagen geschaffen. Wie ist der DÄB in die Berufspolitik eingebunden und was kann er dort bewirken? Wir sind Mitglied im Runden Tisch „Frauen im Gesundheitswesen“, dem zwölf Verbände, unter anderem auch „Dentista – Verband der ZahnÄrztinnen“, gleichberechtigt angehören. Das ist ein informelles Netzwerk, um Themen voranzutreiben. Ferner sind wir aktiv in der „Berliner Erklärung“, einer Initiative von 20 Frauenverbänden und -organisationen aus Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur und Politik. Sie ist mit dem Ziel angetreten, zentralen gleichstellungspolitischen Forderungen Nachdruck zu verleihen. Bei der Verabschiedung wichtiger gleichstellungspolitischer Gesetze sowie der Einführung begleitender Strategien spiegelt sich das Wirken der Berliner Erklärung wider. Ganz wichtig: Das Ganze funktioniert in lockerer Struktur, als Teamwork und in Gleichberechtigung. Und worum geht es Ihnen in der Standespolitik? Es geht unter anderem darum, die Sensibilität dafür zu stärken, dass die Weiterbildungszeiten mehr in Richtung Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben angepasst werden – natürlich auch für Männer. Gesundheitsspezifische Frauenthemen sollten verstärkt in den Fokus rücken. Ein kleines Beispiel dafür wäre etwa der Umgang mit Endometriose. Und in der Gremienarbeit sollten noch mehr Frauen als bisher mitwirken. In Kammerversammlungen hat sich bereits viel verändert, der Blick auf Frauenthemen geöffnet. Über uns Frauen sind auch Themen bei Ärztetagen eingebracht worden, die sonst wenig Berücksichtigung gefunden hätten, etwa zu den Themen Sexismus, Eizellspende, Abtreibung oder Leihmutterschaft. Und wir befassen uns auch mit dem Thema Gewalt gegen ärztliches Personal. Welche Schwerpunkte haben die diversen Gruppen und Ausschüsse im DÄB? Eine der ältesten Gruppen im Bund ist das MentorinnenNetzwerk, das inzwischen auch (Zahn-)Ärztinnen unterstützt, die sich niederlassen oder in Gremien arbeiten wollen. Dann gibt es das Junge Forum für Mitglieder unter 40, sowie die Foren 40 plus und 60 plus mit Fortbildungen und Treffen. Der Ethikausschuss formuliert Stellungnahmen zu aktuellen Themen. Sehr aktiv sind auch die Ausschüsse „Klima und Gesundheit“ und „Parität“. Welche Knackpunkte gibt es bei der Gewinnung ärztlichen Nachwuchses, auch mit Blick auf die Niederlassung? Es gibt so viele Ärztinnen und Ärzte, Zahnärztinnen und Zahnärzte wie nie zuvor. Zu überdenken sind jedoch die gegenwärtigen Arbeitszeiten. Meine Forderung wäre: 40 Stunden Wochenarbeitszeit inklusive Wochenend- und Nachtdienste – statt 40 Stunden plus. Ein großes Thema ist die Entbürokratisierung. In der Öffentlichkeit hat auch die Wertschätzung für den Beruf abgenommen. Das hat mit der Gesundheitspolitik insgesamt zu tun. Hier muss – statt der Ökonomie – der Mensch wieder mehr in den Fokus rücken. Gleichzeitig möchte ich mich für die freie Niederlassung stark machen. Das Angestelltenverhältnis bietet zwar Sicherheit, aber in der eigenen Niederlassung gibt es ganz andere Freiheiten. Von Vorteil sind hier größere Praxisgemeinschaften, wo Beruf und Privatleben ganz anders vereinbar sein können. Und man ist seine eigene Vorgesetzte. Hier müssen wir die jungen Kolleginnen dazu motivieren, mutiger und risikobereiter zu sein, eine eigene Praxis zu führen. Warum ist der DÄB noch nicht „überflüssig“ geworden? Was muss sich noch ändern, damit Ärztinnen gleichberechtigt sind? Wir können bei all den genannten Themen anfangen und sagen: Es läuft noch nicht optimal. Optimal wäre beispielsweise die Parität in Führungspositionen oder bei der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben. Solange hier noch Luft nach oben ist, hat der Deutsche Ärztinnenbund nach wie vor seine Daseinsberechtigung. Das Gespräch führte Gabriele Prchala. Am 12. August 2021 trat das Zweite Führungspositionengesetz (FüPoG II) in Kraft. Es bestimmt, dass in Vorständen von börsennotierten und paritätisch mitbestimmten Unternehmen mit in der Regel mehr als 2.000 Beschäftigten, die mehr als drei Mitglieder haben, mindestens ein Mitglied eine Frau und ein Mitglied ein Mann sein müssen. Das gilt auch für einen Teil der Körperschaften des öffentlichen Rechts, also auch für die KVen, die KZVen, die KBV und die KZBV. zm114 Nr. 22, 16.11.2024, (1907)
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