Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 22

40 | PRAXIS LANDESARBEITSGERICHT MECKLENBURG-VORPOMMERN Erst kündigen, dann krankschreiben lassen und kassieren? Nichts da! Deckt eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) genau die Kündigungsfrist ab, kann deren Beweiswert angezweifelt werden, zeigt ein Urteil. Das Gericht erklärt auch, wie Arbeitgeber in dem Fall reagieren sollten. Ein Arbeitnehmer kündigt und lässt sich darauf bis zum Ablauf der Kündigungsfrist krankschreiben. Diese Konstruktion gilt spätestens seit einem Entscheid des Bundesarbeitsgerichts in einem vergleichbaren Fall (Urteil vom 8. September 2021 – 5 AZR 149/21) als Klassiker, in dem die AUBescheinigung aufgrund der verdächtigen Umstände wirksam angezweifelt werden kann. Die Parteien stritten über die Entgeltfortzahlung. In erster Instanz bekam der Arbeitnehmer Recht. Der Arbeitgeber ging jedoch in Berufung und erwirkte eine Abänderung des vorinstanzlichen Urteils. Die Entscheidung ist rechtskräftig, eine Revision wurde nicht zugelassen. Der im Februar 2000 geborene Kläger arbeitete als Fleischer seit September 2020 bei der Beklagten und seit September 2021 als stellvertretender Abteilungsleiter der Pökelei. Allein in der Zeit von Oktober bis Dezember 2022 war er laut Bescheinigungen sechsmal jeweils für drei bis fünf Tage arbeitsunfähig erkrankt, zuletzt in der Woche vom 5. bis zum 9. Dezember. Am Ende dieser Woche kündigte der Kläger das Arbeitsverhältnis dann fristgemäß zum 15.1.2023. Das Kündigungsschreiben übergab er dem Betriebsleiter am 12. Dezember, am Folgetag suchte er einen Praktischen Arzt auf, der ihm eine Arbeitsunfähigkeit bis zum – voraussichtlich – 6.1.2023 bescheinigte. Die Diagnose lautete F43.2 G (Anpassungsstörungen) und F45.9 G (Somatoforme Störung, nicht näher bezeichnet). Der Arzt verschrieb ein Antidepressivum und stellte eine Überweisung an einen Psychiater aus. Der Kläger beschaffte sich jedoch weder die verschriebenen Präparate noch suchte er einen Facharzt auf. Trotzdem stellte sein Hausarzt am 2.1.2023 eine Folgebescheinigung bis zum 16.1.2023 aus. Der ärztliche Rat muss schon auch befolgt werden Der Arbeitgeber zweifelte die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung an, da es sich exakt um den Zeitraum der Kündigungsfrist handelte. Zudem habe es bei der Übergabe des Kündigungsschreibens keinerlei Anzeichen für eine Erkrankung gegeben. Auch stammte die Folgebescheinigung trotz der Überweisung an einen Facharzt wiederum von dem Praktischen Arzt. Der Arbeitnehmer klagte auf Entgeltfortzahlung und argumentierte, er habe keinen Facharzt aufgesucht, da es nicht möglich gewesen sei, einen zeitnahen Termin zu bekommen. Die verschriebenen Medikamente habe er nicht genommen, da ihm der Arzt empfohlen habe, „es erst einmal mit Ruhe zu versuchen“. Anders als das Arbeitsgericht Rostock folgte das Landesarbeitsgericht der Bewertung des Arbeitgebers, der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sei schon deshalb erschüttert, weil damit „passgenau“ die Kündigungsfrist abgedeckt werde. Die Einschätzung des behandelnden Arztes könne nicht allein ausschlaggebend sein, so das Gericht, da dieser sich bei den im vorliegenden Fall nicht nachprüfbaren Symptomen letztlich auf die Schilderungen des Patienten verlassen müsse. Dem Arbeitnehmer stehe es zwar frei, ob er die verschriebenen Medikamente einnehme und einen Facharzt aufsuche, gegen eine Erkrankung spreche allerdings, so das Gericht weiter, wenn sich der Erkrankte, „anders als [...] zu erwarten, über sämtliche ärztlichen Anordnungen hinwegsetzt". Foto: Gina Sanders - stock.adobe.com zm114 Nr. 22, 16.11.2024, (1910)

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