62 | GESELLSCHAFT EIN BERICHT ÜBER DAS HILFSPROJEKT IN PADHAR 30 Jahre LKG-Operationen in Indien Thomas Kreusch Ich blicke zurück auf 30 Jahre LKG-Operationen im Padhar-Krankenhaus in Indien. Unser Ziel war es, Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten: durch finanzielle Unterstützung nachhaltige Strukturen zu schaffen, Operationssäle zu bauen, aber vor allem lokale Ärzte auszubilden, damit sie auch ohne unsere Hilfe Patienten behandeln können. Ein Bericht über die Anfänge in Padhar, über Begegnungen, die zahlreichen Herausforderungen und die kleinen und großen Erfolge, die mich Jahr für Jahr angetrieben haben, im Herbst nach Indien zu reisen. Im Jahr 1994 fuhren wir zum ersten Mal nach Padhar in ein evangelisches Missionskrankenhaus in der Region Madhya Pradesh, Zentralindien. Ein Jahr zuvor hatten Thomas Lambrecht und ich in Indonesien Lippen-, Kieferund Gaumenspalten (LKG-Spalten) operiert, aber dann war das Interesse der Kollegen dort erloschen, so dass wir nach neuen Herausforderungen suchten. Ich war bereits 1976 als Student im Padhar-Krankenhaus (PH) gewesen, hatte dort im darauffolgenden Jahr eine Feldstudie zum Betelkauen durchgeführt und als Promotionsarbeit an der Universität Kiel eingereicht [Kreusch, 1983]. Nun kamen Lambrechts Kontakte zum Rotary Club Basel Riehen und meine zum PH zusammen und wir boten dem Chefarzt Dr. A.V. Choudhrie an, die Versorgung von Spaltpatienten zu organisieren und einheimische Ärzte darin auszubilden. Im zentralindischen Hochland von Madhya Pradesh herrschte in vielen Dörfern noch die Ansicht, Gesichtsspalten seien eine Bestrafung durch eine Gottheit – für Sünden, die vielleicht schon vor Generationen begangen wurden, so dass man diese Fehlbildungen nicht korrigieren dürfe. Dennoch kamen 1994 nach einem Aufruf des Krankenhauses viele Spaltenträger nach Padhar, um sich beraten und meist auch operieren zu lassen (Abbildung 1). Unser erstes Team bestand aus Prof. Thomas Lambrecht und mir – beide MKG-Chirurgen – sowie dem Oralchirurgen Dr. Alexander Runge (Kiel) und den Anästhesisten Prof. Jörg Busse und Jens Kleinefeld (Köln) (Abbildung 2). Der Operationssaal im PH war akzeptabel eingerichtet, wenngleich der Strom häufiger ausfiel. Nach einer Zwischenbeleuchtung mit einer Taschenlampe auf das Operationsfeld sprang das Licht aber immer wieder an (Abbildung 3). Das Narkosegerät wurde deswegen oft per Handbeatmung bedient. Die indischen Kollegen schauten interessiert zu und baten uns, bald wiederzukommen. Wir konnten während unseres ersten Aufenthalts im PH bei rund 50 Patienten Gaumen oder Lippe verschließen (Abbildung 2). Oktober oder November boten sich als Reisemonate an, denn dann war der Monsun zu Ende und die Straßen und Bahngleise wieder nutzbar, so dass die Patienten anreisen konnten. In den kommenden Jahren waren wir immer im Herbst im PH, um Vertrauen und Kontinuität aufzubauen. Immer waren die indischen Kollegen bei den Operationen dabei, um zu lernen. Regelmäßig assistierten wir ihnen bei kleineren Eingriffen. Meistens waren die von uns unterrichteten Ärzte im darauffolgenden Jahr in die großen Städte verzogen, wo es ein interessanteres Umfeld, aber auch bessere englische Schulen für die Kinder gab. zm114 Nr. 22, 16.11.2024, (1932) Abb. 1: LKG-Spalte prä- und postoperativ bei einer 50-jährigen Patientin Fotos: Thomas Kreusch Prof. Dr. Dr. Thomas Kreusch Ehemaliger Chefarzt Asklepios Klinik Nord-Heidberg, Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie Tangstedter Landstr. 400, 22417 Hamburg Foto: privat
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