Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 22

64 | GESELLSCHAFT Zum Lippenverschluss wurden die Methoden MILLARD, TENNISON, VEAUAXHAUSEN oder der Wellenschnitt angewendet. Für den weichen Gaumen verwendeten wir die intravelare Velumplastik nach KRIENS. Etwa 40 Prozent der Patienten waren schon voroperiert, teilweise mit guten, aber teilweise auch mit schwierigen Ergebnissen, die wir korrigieren konnten. Das Durchschnittsalter betrug in den ersten Jahren 18,5 Jahre. Später, als durch die Mundpropaganda auch jüngere Kinder kamen, sank das Durchschnittsalter auf 7,2Jahre. Bei erwachsenen Patientinnen kam es häufiger vor, dass nur ein Lippenverschluss gewünscht wurde. Eine Frau mit einemsooffensichtlichen ästhetischen Makel wie einer offenen Lippenspalte ist nur schwer zu verheiraten – oder nur mit einem sehr hohen Dowry. So heißt in Indien das Brautgeld, das entweder bar oder in Form von Geschenken von den Brauteltern an die Familie des Bräutigams bezahlt werden muss. Ausbildung Für uns war ernüchternd, dass viele der Ärzte, die wir ausbildeten, nach ein oder zwei Jahren nicht mehr im Krankenhaus arbeiteten, sondern sich in besser bezahlte Arbeitsstellen begeben hatten. Unser Glück war dann, dass sich der Sohn des ehemaligen Chefarztes, Dr. Rajiv Choudhrie, für die LKG-Chirurgie interessierte. Er hatte in Indien Medizin studiert und später eine Ausbildung zum plastischen Chirurgen in England absolviert. Auch sein jüngerer Bruder, Dr. Ashish Choudhrie, fand – obwohl ein begabter Urologe – Gefallen an der Spaltchirurgie. Und die Tatsache, dass diese beiden Chirurgen, die in Padhar groß geworden waren, nun ihren Lebensmittelpunkt mit ihren Familien nach Padhar verlegten, war der Schlüssel für das nachhaltige Projekt am PH. Später gesellte sich noch der in Indien ausgebildete MKG-Chirurg Dr. Modrul dazu, so dass wir auch in unserer Abwesenheit auf eine Fortführung der SpaltOPs vertrauen konnten. Nachdem die Lippen- und GaumenOPs Routine geworden waren (Abbildung 6), wurden wir gebeten, Nasenkorrekturen zu demonstrieren. Da in den kommenden Jahren die Zahl kieferorthopädischer Behandlungen immer weiter stieg, kamen die Knochenentnahme am Becken und die Kieferspaltosteoplastik hinzu. Quasi als Begleitprogramm haben wir im Jahr 1997 die erste Fibulatransplantation operiert. Am Vorabend führten wir eine mikrochirurgische Vor-OP an einem Kaninchen durch, am nächsten Morgen wurde eine Fibula-pro-Tibia-Plastik operiert und damit dem Patienten die Unterschenkelamputation erspart. Als wir im nächsten Jahr wiederkamen, hatten die indischen Kollegen neunmal eine Fibula als Unterkieferersatz transplantiert. Inzwischen sind mikrochirurgische Eingriffe mit insgesamt circa 120 freien Lappen Routine im PH. Der Lernwille und das Interesse der indischen Kollegen waren immens. Unser Behandlungsplan aus Hamburg musste jedoch modifiziert werden: erstens weil die Patienten manchmal nur die ästhetische Korrektur der Lippe haben zm114 Nr. 22, 16.11.2024, (1934) Abb. 6: a) Gesichtsspalte bei einem damals vierjährigen Patienten präopertiv, b) postoperativ, c) zwei Jahre postoperativ Fotos: Thomas Kreusch Fotos: Thomas Kreusch Operierte LKG-Patienten im Padhar Hospital 1994 –2018 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 2018 Jahr n=1.717 Zahl der operierten LKG-Patienten 120 90 60 30 0 Abb. 5: Statistik der LKG-Operationen, die während der jährlichen Einsätze (Cleft-Lip and Palate Camps) von mir und meinem Team im Padhar-Krankenhaus zwischen 1994 und 2018 durchgeführt wurden (n = 1.717): Zwischen 2019 und 2022 wurde aufgrund der Pandemie zeitweise nicht operiert. ZM-LESERSERVICE Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion angefordert werden.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=