ZAHNMEDIZIN | 49 Im Unterschied zum physiologischen Verschleiß im okklusalen Bereich gilt pathologischer zervikaler Verschleiß als vergleichsweise neues Phänomen, das im Wesentlichen auf erosive Ernährung, zu kräftiges Zähneputzen und die Verwendung abrasiver Zahnpasta zurückzuführen ist. Zunächst kommt es zum Zahnfleischrückgang, anschließend zu Abrasionsläsionen auf der freiliegenden Wurzeloberfläche. Zervikale Abrasionen können sich grundsätzlich an allen Zähnen entwickeln, treten jedoch meist an der Bukkalfläche von Schneidezähnen, Eckzähnen und Prämolaren auf. Daten zur Entwicklung des Zahnverschleißes in verschiedenen Altersgruppen mit unterschiedlichen mikromorphologischen Merkmalen im Zahnhalsbereich sind rar. Die Aufklärung der Pathobiologie zervikaler Abrasionen mit keilförmigen Defekten sollte an menschlichen Zähnen erfolgen, die von Spendern zur Verfügung gestellt werden. Nach Ethikfreigabe der Universität Witten/Herdecke wurden insgesamt 14 menschliche Zähne (je zwei Frontzähne, ein Eckzahn, zwei Prämolaren und zwei Molaren für zwei Gruppen) nach Altersklassen selektiert und so präpariert, dass sie in einen für einen Putzroboter passenden Zahnkranz eingesetzt werden konnten. Ziel war es, den Zustand der Zähne zu Beginn und nach simuliertem dreijährigem Putzvorgang mittels analoger Replikas und rasterelektronenmikroskopischer Untersuchung zu dokumentieren. Die Dokumentation sollte auch eine neue Kodifizierung verschleißbedingter morphologischer Merkmale an der Schmelz-Zement-Grenze ermöglichen. Um eine ultrafeine Oberflächendarstellung an Schmelz, Wurzelzement und Zahnhalsdentin zu erreichen, wurde fast ein Jahr Versuchsarbeit investiert. Die Putzzeit ist irrelevant, entscheidend sind die Putztakte Für die Programmierung des Putzroboters wurden in einer separaten Untersuchung per Videokontrolle die Bewegungsabläufe beim Zähneputzen von 50 Probanden im Alter von 18 bis 67 Jahren aufgezeichnet. Das war notwendig, weil die Putzzeit – wie im täglichen persönlichen Zähneputzen – keine Aussage zur biomechanischen Putzwirkung zulässt. Die Frequenz der Putzstriche bei einem Individuum und erst recht zwischen den Individuen variiert deutlich von einer Region zur anderen. Die klinische Studie konnte zeigen, dass am einzelnen Zahn pro Fläche 35 bis 45 Putztakte (Strokes) eine reproduzierbare biophysikalische Messgröße sind. Diese objektive und zeitunabhängige Putzwirkung wurde auf alle Roboterprogramme übertragen. Das Putzprogramm lief mit zwei horizontalen, einer rotierenden und einer vertikalen Putzbewegung an den bukkalen Abrasionsrisiko-Flächen mit einer Kraft von 3,5 N mit einem SechsAchsen-Roboter von Kawasaki Robotics (FS 02 N, Kawasaki Robotics, Akashi, Hyogo, Japan). In einer artifiziellen Mundhöhle mit ständiger ZahnpastaSlurry-Berieselung von Sensodyne Extra Fresh mit 14 ml/min wurden zwei weiche, aber unterschiedliche Zahnbürsten mit starrem versus flexiblem Hals eingesetzt und nach drei simulierten Monaten Putzzeit zusammen mit der Slurry gewechselt – das entsprach 5 h 15 min Roboterzeit. Im Rahmen der simulierten drei Jahre erreichten 95.040 Putztakte jede Zahnoberfläche der geprüften Zähne. Die 2-D-Darstellung der morphologischen Befunde erfolgte im traditionellen Modus der Rasterelektronenmikroskopie, während die 3-D-Analyse zum Volumenverlust der Zahnputzabrasion mit einem 4-Quadranten-RückstreuElektronen-Detektor gelang. Diese Ergebnisse wurden in Nanolitern gemessen und verglichen. Alle methodischen Details sind im Appendix der AOBPublikation zusammengefasst. Um die Ergebnisse an den Strukturen des Zahnhalses darzustellen, wurde ein neues morphologisches, quantitativ erfassendes Kodierungssystem zm114 Nr. 23-24, 01.12.2024, (2019) ZM-LESERSERVICE Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion angefordert werden.
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