ZAHNMEDIZIN | 57 Im Seitenzahnbereich: direkte Restaurationen aus selbstadhäsiven Materialien. Im Ausnahmefall, wenn zum Beispiel aufgrund der Ausdehnung der Kavität mittels selbstadhäsiver Materialien keine permanente Versorgung möglich ist, sind Bulkfill-Komposite in Verbindung mit Haftvermittlern Gegenstand der vertragszahnärztlichen Versorgung. Selbstadhäsive Füllungsmaterialien umfassen alle Füllungsmaterialien, die ohne Haftvermittler auskommen. Dazu zählen: Glasionomerzemente Glasionomerzemente (GIZ) werden aus speziellen Glas-Pulvern und Flüssigkeit angemischt und härten durch eine Säure-Base-Reaktion aus. Der große Vorteil von Glasionomerzementen gegenüber Kompositen besteht darin, dass sie direkt chemisch an die Zahnoberfläche binden können und keinen separaten Haftvermittler benötigen (selbstadhäsiv). Das macht ihre Anwendung deutlich einfacher und schneller. Ihr Nachteil gegenüber Kompositen ist, dass sie weniger abrasionsstabil und Restaurationen aus GIZ frakturanfälliger und weniger gut polierbar sind. Daher sind Glasionomerzemente vor allem bei kleinen bis mittelgroßen Defekten im Bereich der Seitenzähne oder am Zahnhals (Klasse V) indiziert. Gemäß der aktuell erschienenen S3Leitlinie „Direkte Kompositrestaurationen in Front- und Seitenzahnbereich“ besteht ein starker Konsens, dass Glasionomerzemente als Alternative zu Kompositen in spezifischen Indikationsbereichen (unter anderem kleinere Kavitätengrößen, eingeschränkte Mitarbeit, erhöhtes Kariesrisiko) für die direkte Versorgung bei Klasse-Iund -II-Kavitäten an bleibenden Zähnen verwendet werden können [DGZ/ DGZMK, 2024]. Bei der Verwendung im Seitenzahnbereich ist zu beachten, dass nicht alle Produkte für permanente Restaurationen im kaulasttragenden Bereich zugelassen sind. Kunststoffmodifizierte Glasionomerzemente Kunststoffmodifizierte Glasionomerzemente sind eine Unterklasse der Glasionomerzemente. Sie enthalten neben Glaspulver und Flüssigkeit zusätzlich Kunststoffanteile. Sie sind daher kaustabiler als die herkömmlichen GIZ und haben eine etwas glattere Oberfläche. Auch sie benötigen keine Haftvermittler. Für diese Materialgruppe gelten die oben genannten Empfehlungen für die direkte Versorgung bei Klasse-I- und -IIKavitäten an bleibenden Zähnen ebenfalls [DGZ/DGZMK, 2024]. Glas-Hybride Glas-Hybride sind ebenfalls eine Unterklasse der (selbstadhäsiven) Glasionomerzemente. Bei ihnen wird die frisch gelegte Füllung mit einem speziellen Lack (Coating) abgedeckt, um die feuchtigkeitsempfindliche Abbindereaktion zu schützen. Für Glas-Hybride existieren mittlerweile ausreichend gute klinische Daten für den Seitenzahnbereich. Selbstadhäsive Komposit-Hybride Selbstadhäsive Komposit-HybridKunststoffe sind Komposite, die aufgrund von speziellen Zusätzen direkt chemisch an den Zahn binden und keine Haftvermittler benötigen. Zu dieser Gruppe zählen auch selbstadhäsive Komposite. Die selbstadhäsiven Komposit-Hybride erreichen keine so starken Haftwerte am Zahn wie Dentalkomposite in Verbindung mit Haftvermittlern, sind aber sehr kaustabil. Es sind neuartige Materialien, die zum Teil noch nicht über längere Zeiträume erforscht sind. Damit stehen aus Sicht der Wissenschaft heute mehrere bewährte und zudem auch neue und vielversprechende selbstadhäsive Materialien und Materialgruppen als Amalgamalternative zur Verfügung. „Klar ist, dass das Amalgamverbot, gegen das sich die KZBV mit guten fachlichen Argumenten zur Wehr gesetzt hat, auch weiterhin eine Entscheidung im Einzelfall notwendig macht, welches Material bezogen auf den Einzelfall das fachlich Beste ist. Gerade diese Entscheidung wird durch die Neuregelung gewährleistet“, betont Hendges. Wie bisher entscheidet die behandelnde Zahnärztin oder der behandelnde Zahnarzt in Abstimmung mit den Patientinnen und Patienten, welches konkrete Füllungsmaterial im jeweiligen Einzelfall verwendet wird. Wichtig ist, dass Patientinnen und Patienten über die in ihrem Fall bestehende GKV-Versorgung und mögliche Versorgungsalternativen durch ihre Zahnärztin oder ihren Zahnarzt vor der Behandlung aufgeklärt werden und sich so für eine Versorgung entscheiden können. Bezogen auf die Materialien existieren jeweils individuelle Datenlagen. Der Einsatz sollte anhand von verschiedenen Faktoren auf Patienten-, Mundund Zahnebene, beispielsweise der Compliance, dem Kariesrisiko und dem Ausmaß an vorhandener Restzahnsubstanz, der Kavitätengröße sowie der Möglichkeit einer Trockenlegung während der Behandlung sorgfältig und fallbezogen abgewogen werden. „Eine pauschale Kritik an der Neuregelung ist weder angebracht noch zielführend. Gleiches gilt für Aussagen, dass Amalgam das deutlich bessere Material sei. Dies mag für einzelne Versorgungsszenarien zutreffend sein. Diese Option wurde uns aber durch das EUweite Verbot genommen und wir müssen uns daher der uns seitens der EU vorgegeben faktischen Lage stellen“, stellt Hendges klar. Die Mehrkostenregelung bleibt Gesetzlich Versicherte können wie bisher über die zuvor beschriebene vertragszahnärztliche Versorgung (Paragraf 28 Abs. 2 Satz 1 SGB V) hinausgehende Leistungen wählen (gesetzliche Mehrkostenregelung gemäß Paragraf 28 Abs. 2 Satz 2 und 3 SGB V), während die Krankenkasse auf jeden Fall die Kosten für die im BEMA festgelegte Füllung übernimmt. Das bedeutet: Neben einer guten Grundversorgung bleibt die Entscheidungsfreiheit der Patientinnen und Patienten ohne finanzm114 Nr. 23-24, 01.12.2024, (2027) ADHÄSIVE FÜLLUNGSMATERIALIEN Von den selbstadhäsiven Füllungsmaterialien zu unterscheiden sind solche Materialien, die einen zusätzlichen Haftvermittler benötigen. Dazu zählen Komposite (einschließlich Bulkfill-Komposite), Kompomere und Alkasite.
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