ZAHNMEDIZIN | 79 zukommen. Vor dem Hintergrund von Immunoseneszenz und Inflammaging und eines erhöhten Pneumonierisikos durch orale Keimbelastung wird die Notwendigkeit einer adäquaten Mundhygiene und professioneller zahnmedizinischer Betreuung gerade auch im Alter deutlich. Verringerter Speichelfluss und Schluckstörungen sind erschwerende Faktoren und führen zu vermehrter Aspiration von pathogenen Mikroorganismen sowie erhöhter Kariesanfälligkeit besonders im Zahnwurzelbereich. Zusätzlich lassen Sehkraft und Feinmotorik nach und sozialer Rückzug und Selbstvernachlässigung begleiten oft das Älterwerden. Mehr Zahnerhalt und mehr Implantatversorgungen im Alter sind eine deutlich positive Entwicklung der letzten Jahrzehnte, so Müller. In der Session „Schnittstelle Regeneration“ stellte Dr. Sandro Cortellini (Florenz, Italien) in seiner Präsentation „Regeneration hoffnungsloser Zähne“ die erfolgreiche Behandlung vermeintlich extraktionswürdiger Zähne vor. Er betonte, dass die parodontale Regeneration die Prognose dieser Zähne ganz erheblich verbessern kann und belegte dies mit Daten aus eigenen prospektiven Langzeitstudien mit einer Dauer von über 20 Jahren. Diese zeigten hohe Überlebensraten von zunächst stark kompromittierten Zähnen, die von ihm regenerativ-chirurgisch behandelt worden waren und anschließend eine stringente UPT erhielten. Darüber hinaus machte er deutlich, dass dies eine kostengünstigere Alternative zur Zahnextraktion mit anschließendem Zahnersatz durch eine Brücke oder eine Implantatversorgung bietet. Save teeth whenever possible In der Session „Schnittstelle Endodontologie“ beantwortete Kongresspräsident Prof. Henrik Dommisch (Berlin) die Frage „Endo-Paro-Läsionen – immer hoffnungslos?“. Endodontales und parodontales Gewebe stehen über Dentintubuli und Seitenkanäle in Verbindung. Die Klassifikation dieser komplexen Läsionen sei vielfach überarbeitet und schließlich mit der aktuellen Klassifikation parodontaler Erkrankungen und Zustände (2018) präzisiert worden. Diese orientiere sich an der Ätiologie der Läsion und schließe iatrogene Schäden an der Wurzel und dentales Trauma ein. Seitenkanäle im apikalen Drittel der Wurzel sowie in Bi- und Trifurkationen seien wichtige Kommunikationswege, die entzündliche Reaktionen im parodontalen wie endodontalen Gewebe ermöglichen. Die Therapie einer Endo-Paro-Läsion solle ursachenorientiert und gegebenenfalls interdisziplinär erfolgen. Nach endodontitischer Therapie und subgingivaler Instrumentierung können resektive oder regenerative parodontalchirurgische Interventionen zu weiteren parodontalen Verbesserungen führen. Dommisch zeigte, dass selbst Zähne mit Knochenverlust bis zum Apex durchaus erfolgreich erhalten werden können. „Save teeth – whenever possible“, beendete er seinen Vortrag. In der Session „Schnittstelle Kieferorthopädie“ behandelte Prof. Conchita Martin (Madrid, Spanien) das Thema „Kieferorthopädie bei Patienten mit Parodontitis“. Metaanalysen zeigen, dass eine KFO-Therapie bei Patienten mit einer behandelten Parodontitis genauso erfolgreich wie bei Patienten ohne Parodontitis durchgeführt werden kann. Sie betonte, dass es zu keiner signifikanten negativen Veränderung der parodontalen Parameter und auch nicht zu einer Zunahme von Wurzelresorptionen kommt, wenn geeignete Apparaturen mit ausreichender Verankerung (etwa Mini-Implantate als temporäre Verankerungsgeräte) verwendet werden und präsentierte viele erfolgreich interdisziplinär durchgeführte Behandlungsfälle. Prof. Meike Stiesch (Hannover) präsentierte in der Session „Schnittstelle Implantate“ innovative Forschungsansätze aus ihrem DFG-Sonderforschungsbereich mit dem Titel „Intelligente Implantate: Prävention durch Innovation“. Hierzu sollen zunächst Biomarker für periimplantäre Entzündungen identifiziert und anschließend selbstregulierende Sensor-Aktor-Systeme auf Basis chemischer und zellulärer Systeme entwickelt werden. Diese sollen es den „intelligenten“ Implantaten in der Zukunft ermöglichen, Biofilminduzierte entzündliche Veränderungen nicht nur frühzeitig zu erkennen, sondern auch auf diese therapeutisch zu reagieren. Aktuell werden komplexe Simulationsmodelle entwickelt, um diese Sensor-Aktor-Systeme in vitro, in silico und in vivo zu evaluieren. Prof. Raluca Cosgarea (Bonn) stellte in der Session „Schnittstelle Zahnhals“ in ihrem Vortrag „Zervikale Läsionen – ein sensibles Thema“ zunächst die verschiedenen nicht kariesbedingten zervikalen Läsionen vor, die zu einer Dentinexposition verbunden mit Hypersensibilität und Schmerzen führen. Sie berichtete, dass eine aktuelle europaweite Studie eine hohe Prävalenz dieser Läsionen gezeigt hat. Aktuell gibt es für die Therapie keinen Goldstandard, jedoch konnte sie einige BehandlungsEmpfehlungen geben: Neben der Beachtung patientenbezogener Faktoren wie Ernährungsgewohnheiten steht die Optimierung der häuslichen Mundhygiene im Vordergrund. Ebenso kann ein Verschluss der Dentintubuli durch verschiedene Over-the-counterProdukte erzielt werden. Die professionellen Behandlungsmöglichkeiten der Dentinhypersensibilität reichen von Fluoridierung über Laseranwendung, Restaurationen bis hin zur chirurgischen Rezessionsdeckung. nl Wir danken Dr. Julian Baumeister (Bonn), Dr. Anna-Lena Bruns (Bonn), Dr. Daniela Hoedke (Berlin), Dr. Denica Kuzmanova (Berlin), Jakob Mischke (Bonn), Dr. Ivet Tezer (Bonn), die die Inhalte der Vorträge zusammengefasst haben. zm114 Nr. 23-24, 01.12.2024, (2049) Prof. Bruno Loos, Prof. William Giannobile, Dr. Frank Bröseler, Prof. Mariano Sanz, PD Dr. Amelie Bäumer, Prof. Søren Jepsen, Prof. Bernd Weber, Prof. Maurizio Tonetti, Prof. Annette Moter, Prof. Niklaus Lang, Prof. Iain Chapple, Prof. Christian Kurts (v.l.n.r.) Foto: ARPA-Wissenschaftsstiftung
RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=