GESELLSCHAFT | 81 Dabei sei der Konzentrationsprozess in Richtung Private Equity in der Zahnmedizin in den vergangenen Jahren unübersehbar, berichten beide Medien. Rund fünf Milliarden Dollar seien geflossen, um in den USA große Dentalketten aufzukaufen, die in Hunderten von Kliniken im Besitz einzelner Zahnärzte und Zahnspezialisten Implantate anbieten. Dieses Darstellung bestätigt auch eine im August veröffentlichte Studie der American Dental Association, wonach sich der Anteil der „mit Private Equity verbundenen Zahnärzte und Zahnarztpraxen“ in den USA zwischen 2015 und 2021 fast verdoppelt habe. Verkauft werden Implantate gleich mit passendem Kredit Doch nicht jeder ist besorgt über Private Equity in der Implantologie. In Interviews, die von der American Academy of Implant Dentistry (AAID) für Journalisten arrangiert wurden, erklärte der Implantologe und ehemalige AAID-Präsident Dr. Brian J. Jackson, er glaube, Zahnärzte seien zu ethisch und Patienten zu schlau, um sich von Private-Equity-Eigentümern unter Druck setzen zu lassen. Und Dr. Jumoke Adedoyin, eine Führungskraft bei der Zahnarztkette Affordable Care (43 Filialen landesweit) gab zu Protokoll, sie habe „nie Druck von oben verspürt, Implantate zu verkaufen“. Die beiden US-Medien führen in ihrem gemeinsamen Bericht allerdings auch zahlreiche Fälle an, in denen einzelne Patientinnen und Patienten wegen Überversorgung gegen große Zahnarztketten geklagt haben. Deren Vorgehen war immer gleich: Die Ketten bestritten jegliches Fehlverhalten und einigten sich anschließend – außergerichtlich – mit den potenziell Geschädigten. Das Geld für diese „Entschädigungen“ verdienen die Zahnarztketten auch, indem sie ihren Patienten für die teuren Eingriffe Kredite von bis zu 65.000 USDollar mit Laufzeiten von bis zu zehn Jahren anbieten. Der Vertragsabschluss für diese „Komplettversorgung“ erfolgt dabei mit einem Verkäufer, oftmals bevor ein Zahnarzt den Patienten begutachtet, erzählten mehrere Patienten. Gleichzeitig arbeiteten die klassische Werbung, verschiedene Influencer und auch Behandelnde an dem Narrativ, dass Implantate eine echte Sorglos-Alternative zu krankheitsanfälligen echten Zähnen darstellen. So wurden Implantate in den USA zu einem lukrativen Geschäftsfeld. Laut einem Bericht von iData Research, einem Marktforschungsunternehmen für den Gesundheitsmarkt, stieg der landesweit erzielte Umsatz mit Implantaten seit 2010 durchschnittlich um sechs Prozent – pro Jahr. Insgesamt wurde der US-Markt für Zahnimplantate und endgültige Abutments im Jahr 2022 auf 1,4 Milliarden US-Dollar geschätzt. mg zm114 Nr. 23-24, 01.12.2024, (2051) STATEMENT DER ADA „ES GEHT UM FÜNF EINFACHE BUCHSTABEN: M-O-N-E-Y.“ Die American Dental Association (ADA) – mit 159.000 zahnärztlichen Mitgliedern immerhin die größte zahnärztliche Vereinigung in den USA – bezieht zu den Medienberichten nur halbherzig Stellung. Zahnimplantate seien „eine von mehreren Möglichkeiten, um die Mundfunktion wiederherzustellen“, heißt es in einer Mitteilung, die sich vor allem an Laien richtet und in der es vor Allgemeinplätzen nur so wimmelt. Patienten sollten in jedem Fall erwarten dürfen, dass sie zunächst von einem Zahnarzt umfassend untersucht werden und dann ein Gespräch über die verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten führen, die sich aus der Diagnose des Zahnarztes ergeben. „Die Erhaltung eines gesunden Gebisses ist immer eine Überlegung bei der Entwicklung von Behandlungsoptionen“, heißt es außerdem, und: „Gespräche über die Finanzierung komplexer zahnmedizinischer Eingriffe wie Implantate oder Vollkieferimplantate sollten erst geführt werden, nachdem die Patienten mit ihren Zahnärzten das Spektrum der Behandlungsmöglichkeiten erörtert haben.“ Wer mag, kann hier einen zarten Appell an die Implantketten herauslesen. Zur weiteren Klarstellung schreibt die ADA noch, „unabhängig von den Besitzverhältnissen einer Praxis sind Zahnärzte letztlich für die Diagnose, die Behandlungsplanung und die Betreuung ihrer Patienten verantwortlich". Fragen der zm, ob die in den Medienberichten beschriebenen Fälle oder darüber hinaus weitere bekannt sind, beantwortet die ADA nicht. Zu den Vorwürfen in den Presseberichten steuert ADA-Präsident Dr. Brett Kessler wenig Erhellendes bei: Man sei „der Meinung, dass Zahnärzte sich an die höchsten ethischen Standards halten und das Wohl der Patienten immer an erste Stelle setzen sollten“. Als freiwillige Berufsorganisation beaufsichtige oder reguliere die ADA jedoch keine Zahnärzte und Zahnarztpraxen. Die Zahnärztekammer der einzelnen US-Bundesstaaten überwachen die Zulassung und mögliche Streitigkeiten über die Erbringung von Leistungen, schließt die ADA. „In den meisten Staaten können die Kammern Patientenprobleme an den Generalstaatsanwalt oder die Verbraucherschutzbehörde des jeweiligen Staates weiterleiten, falls erforderlich.“ Der Medienbericht von CBS News und KFF Health erweckt zumindest den Eindruck, dass genau dies in jüngster Zeit passiert ist, zumindest ist von Dutzenden Verfahren die Rede. Der Bericht zitiert auch Edwin Zinman, einen ehemaligen Parodontologen, der als Rechtsanwalt für Patienten im Laufe von vier Jahrzehnten Hunderte von Klagen wegen potenzieller zahnärztlicher Kunstfehler eingereicht hat. Er glaubt, dass viele der schlimmsten Befürchtungen über Private-Equity-Eigentümer in der Implantologie bereits wahr geworden sind, gab er zu Protokoll. „Sie haben viele Implantate verkauft, einige davon unnötigerweise und zu oft fahrlässig." Die Behandelnden hätten oft nicht über die notwendige Ausbildung und Erfahrung verfügt, um Implantate zu setzen, so Zinman. „Es geht um fünf einfache Buchstaben: M-O-N-E-Y.“
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