Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 1

30 | TITEL substanzverluste ergriffen werden, um deren Progression zu verhindern und überstehende Füllungsränder zu vermeiden. Dazu zählen eine Ernährungsberatung und -umstellung sowie die Empfehlung von zinn- und fluoridhaltigen Mundhygieneprodukten [Carvalho et al., 2015; Schlueter et al., 2009]. Der Zahn 22 erfordert aufgrund seiner Vorschädigung eine individuelle Betrachtung. Die semipermanente direkte Restauration ist ein letzter Versuch des Zahnerhalts, jedoch mit unklarer Langzeitprognose. Ein Versagen der Restauration zieht einen Zahnverlust nach sich und erfordert im Anschluss eine prothetische Versorgung. Behandlungsalternativen Eine alternative Behandlung vor Rehabilitation der Frontzahnästhetik bei vorliegendem Tiefbiss wäre eine generalisierte Bisshebung mit neuen direkten oder indirekten Restaurationen im Ober- und Unterkieferseitenzahnbereich gewesen. Aufgrund der Invasivität bei vorhandenen suffizienten Restaurationen und dem Patientenwunsch wurde von dieser aufwendigen Therapie abgesehen. Eine invasivere Behandlungsoption für den Frontzahnbereich hätte die Kombination von direkten und indirekten Restaurationen umfasst. Die Zähne 14, 22 und 24 hätten beispielsweise mit neuen Keramikkronen, die Zähne 11 und 21 mit Keramikkronen/-veneers und die Zähne 13 und 23 mit Komposit versorgt werden können. Keramikrestaurationen zeigen zwar nach 2,5 Jahren eine höhere Überlebensrate als Kompositrestaurationen [Meijering et al., 1998], verursachen jedoch einen deutlich höheren Verlust an Zahnhartsubstanz. Weiterhin ist die Reparaturfähigkeit bei indirekten Restaurationen im Vergleich zu Kompositmaterialien sowohl technisch kompliziert als auch ästhetisch (farblich) eingeschränkt [Lührs, 2015; Frese et al., 2020]. Im vorgestellten Fall wurde aus Gründen der Einheitlichkeit in den benachbarten ästhetischen Bereichen dasselbe Material für alle direkten Restaurationen gewählt. Die alternative Versorgung für Zahn 22 wäre nach Extraktion eine Implantatversorgung gewesen. Die sonst im Frontzahnbereich sowohl ästhetisch als auch funktionell geeignete Versorgung mit einer einflügeligen Klebebrücke wäre bei diesem Patienten aufgrund des Tiefbisses ohne vorherige Bisshebung nicht möglich gewesen. Darüber hinaus ist das adhäsive Prozedere zur Befestigung einer Klebebrücke an der Palatinalfläche des Zahnes 21 aufgrund der großflächigen Dentinexposition kontraindiziert. Da die prothetische Wertigkeit des Zahnstumpfes begrenzt ist, kann eine Implantatversorgung als Sekundärtherapie in Betracht gezogen werden, falls die Primärtherapie keinen Langzeiterfolg zeigt. Fazit Die Anwendung moderner etablierter adhäsiver Techniken zur minimalinvasiven Behandlung von kariogenen und nicht kariogenen Zahnhartsubstanzdefekten ist von großer Bedeutung für langzeitstabile Ergebnisse. Jede Behandlung sollte nach einem stufenweisen Konzept – von minimalinvasiv bis invasiv –, abhängig vom Defekt und vom Patientenwunsch durchgeführt werden. n zm115 Nr. 01-02, 16.01.2025, (28) ZM-LESERSERVICE Die Literatur und die Materialliste können auf www. zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion angefordert werden. Abb. 13: Frontalansicht in Okklusion beim 20-Monats-Recall a b Abb. 12: Frontalansicht zur Überprüfung der Lachlinie vor (a) und nach (b) restaurativer Therapie Fotos: Carolin Mempel, MHH

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