zm115 Nr. 01-02, 16.01.2025, (54) 56 | POLITIK die die Verbraucher zum Kauf verleiten sollen und die Verwirrung noch verstärken. Dazu gehören sogenannte „Clean Labels“ über das Fehlen bestimmter Inhaltsstoffe (zum Beispiel „antibiotikafrei“) und nicht zertifizierte Eigenschaften wie „frisch“ oder „natürlich“, aber auch eine breite Palette umweltbezogener Aussagen, die laut Rechnungshof einem Greenwashing gleichkommen. Mit den aktuellen EUVorschriften könnten solche Praktiken nicht unterbunden werden, heißt es. Auch die Debatte über die Nährwertkennzeichnung auf der Packungsvorderseite polarisiert, sagt der Rechnungshof weiter. Während einige Mitgliedstaaten der EU vom Nutri-Score abraten, wird er in anderen Ländern empfohlen. In Italien beispielsweise ist als einziges Kennzeichen die „NutrInform Battery“ zugelassen. Dort wird argumentiert, dass Lebensmittelunternehmen, die das Nutri-Score-Label ohne weitere Erläuterung der Bewertung verwendeten, die Verbrauchter in die Irre führen könnten. Die Kommission scheint keine Dringlichkeit zu sehen Seitens der EU-Kommission scheint die Aufklärung der Verbraucher laut Rechnungshofbericht keine Dringlichkeit zu besitzen. Zwischen 2021 und 2025 habe die EU nur rund 5,5 Millionen Euro für Sensibilisierungskampagnen zur Lebensmittelkennzeichnung zur Verfügung gestellt. Auch die EU-Mitgliedsstaaten hätten solche Kampagnen nur sporadisch durchgeführt. Zum Beispiel werde die auf Produkten vorgeschriebene Datumsangabe von den Verbrauchern oft nicht richtig verstanden, da der Unterschied zwischen dem Verfalls- und dem Mindesthaltbarkeitsdatum nicht klar ist. Ein weiterer Schwachpunkt sind unzureichende Kontrollen und Sanktionen. Freiwillige Angaben wie nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben oder der Online-Verkauf von Lebensmitteln (der seit der Pandemie erheblich zugelegt hat) würden jedoch – wenn überhaupt – nur selten überprüft, und Websites außerhalb der EU entzögen sich fast jeglicher Kontrolle, so die Prüfenden. Zudem seien die bei Verstößen verhängten Bußgelder nach Ansicht Beispiele für einige Nährwertkennzeichnungen auf der Packungsvorderseite und ihre Merkmale „Keyhole“-Symbol (Litauen) Wird für Produkte verwendet, die innerhalb der gleichen Produktkategorie gesünder sind (die weniger Fett/Zucker/Salz oder mehr Ballaststoffe enthalten) NutrInform Battery (Italien) Basiert auf der Referenzmengenkennzeichnung, ergänzt um ein Batteriesymbol, das den Energie- und Nährstoffgehalt je Portion als prozentualen Anteil an der Tageszufuhr anzeigt Nutri-Score (Belgien) Stuft Produkte nach ihrer allgemeinen Nährwertqualität auf einer Skala von A bis E ein (dunkelgrün bis dunkelorange) Quelle: Europäischer Rechnungshof 2022 NUTRI-SCORE, KEYHOLE UND NUTRINFORM BATTERY Seit 2020 wird der Nutri-Score in Deutschland verwendet. Er wird für 100 Gramm oder 100 Milliliter eines Lebensmittels berechnet und bewertet günstige sowie ungünstige Inhaltsstoffe. Der Nutri-Score wird als fünfstufige Farbskala von A bis E dargestellt. Das dunkelgrüne A zeigt die beste Bewertung an, das rote E die schlechteste. Hersteller entscheiden freiwillig, ob ihre Lebensmittel den Nutri-Score tragen sollen. Entscheidet sich ein Hersteller dafür, muss er das zunächst bei der französischen Gesundheitsbehörde „Santé publique France“ anmelden. Seit Ende 2023 gibt es Anpassungen, wie der Nutri-Score berechnet werden muss. Die registrierten Unternehmen haben bis Ende 2025 Zeit, die veränderte Berechnungsgrundlage umzusetzen. Die zuständigen Behörden Belgiens, Frankreichs, Deutschlands, Luxemburgs, der Niederlande, Spaniens und der Schweiz haben sich auf eine koordinierte Umsetzung des neuen Algorithmus geeinigt. Das Keyhole-Label, grafisch ein weißes Schlüsselloch auf grünem Grund, wurde 1989 von der schwedischen Lebensmittelbehörde „Livsmedelsverket“ entwickelt und wird derzeit in mehreren nordeuropäischen Ländern (Norwegen, Dänemark, Schweden und Island) auf freiwilliger Basis genutzt. Das Keyhole stellt eine Positivkennzeichnung dar. Damit werden diejenigen Produkte markiert, die innerhalb einer bestimmten Produktgruppe anhand von verschiedenen ausgewählten Nährstoffen zusammenfassend als positiv bewertet wurden. Die NutrInform-Battery Italiens wurde 2020 eingeführt. Angaben über die tägliche Einnahme sind einer der Hauptunterschiede zum Nutri-Score-System. Während sich der Nutri-Score auf das zum Verkauf stehende Einzelprodukt konzentriert und ein Etikett seine Eigenschaften zusammenfasst, betrachtet NutrInform das Produkt im Rahmen einer komplexen täglichen Ernährung. NutrInform zeigt den Kalorien-, Fett-, gesättigten Fett-, Zucker- und Natriumgehalt in einer einzelnen Lebensmittelportion an und vergleicht den Prozentsatz dieses Inhalts mit dem, was bei einer gesunden täglichen Nahrungsaufnahme erwartet wird.
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