Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 1

58 | POLITIK der Prüfer häufig nicht abschreckend, wirksam oder verhältnismäßig. Hinzu komme die Komplexität der Kontrollsysteme in den Ländern. In manchen Ländern (etwa Belgien oder Italien) seien mehrere Behörden involviert – mit unklaren Zuständigkeiten und Lücken im Kontrollsystem. Was die Sanktionen betrifft, handelt es sich meist um Geldbußen. Der Bericht nennt einige Beispielländer: So lagen die Geldbußen und -strafen bei Verstößen gegen die Kennzeichnungsvorschriften für Lebensmittel in Litauen zwischen 16 und 600 Euro. In Belgien lag das durchschnittliche Bußgeld zwischen 2020 und 2023 im Vertriebssektor bei 651 Euro und in der verarbeitenden Industrie bei 1.197 Euro. In Italien lag der Durchschnittswert der von einer der zuständigen Behörden verhängten Bußgelder zwischen 2020 und 2022 bei 1.717 Euro. In der EU werden die Informationen über Lebensmittel durch eine Reihe allgemeiner Vorschriften geregelt. Dazu gehören die Verordnung über das allgemeine Lebensmittelrecht von 2002, die Verordnung über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben von 2006 und die Verordnung betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel von 2011 („LebensmittelInformationsverordnung“, LMIV). Außerdem gibt es eine Reihe spezifischer Vorschriften, in denen Anforderungen für bestimmte Lebensmittel (Wein, Eier, Honig, Olivenöl, oder Lebensmittel für Kleinkinder) festgelegt sind. Dringend rät der Rechnungshof dazu, den EU-Rechtsrahmen für die Lebensmittelkennzeichnung zu aktualisieren und die bestehenden Lücken zu schließen. Sieben von elf geplanten Aktualisierungen des Rechtsrahmens, die in der LebensmittelinformationsVerordnung (LMIV) und der Verordnung über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben festgelegt sind, seien noch nicht abgeschlossen, so die Prüfer. Außerdem sollten Maßnahmen ergriffen werden, die für ein besseres Verständnis der Lebensmittelkennzeichnung bei Verbrauchern sorgen, etwa durch Kampagnen oder Leitfäden. Auch die Berichterstattung über die Kennzeichnung sollte verbessert werden. pr zm115 Nr. 01-02, 16.01.2025, (56) INTERVIEW MIT CAROLIN KRIEGER VOM VZBV „Die EU-Kommission muss endlich handeln!“ Wie schätzen Sie die Bilanz des EURechnungshofs in Bezug auf den in Deutschland verwendeten Nutri-Score ein? Der Europäische Rechnungshof kritisiert die EU-weit uneinheitliche Kennzeichnungspraxis von Nährwerten auf Lebensmittelverpackungen. Dies leiste der Täuschung von Verbraucher:innen Vorschub. Aus Sicht des vzbv ist eine europaweite einheitliche Nährwertkennzeichnung auf der Vorderseite der Verpackung seit Langem ausstehend. Die EU-Kommission muss endlich handeln und einen Vorschlag machen. Weitere Verzögerungen darf es nicht mehr geben. Da der Nutri-Score in Deutschland freiwillig ist, können Unternehmen bislang selbst entscheiden, ob sie ihn verwenden. Dadurch ist er nicht auf allen Lebensmitteln zu finden. Das muss er aber, um seine volle Wirkung entfalten zu können. Hier muss nachgebessert werden. Die Bundesregierung muss sich daher auf EU-Ebene dafür einsetzen, dass der Nutri-Score verpflichtend kommt – damit alle Verbraucher:innen davon profitieren. Welche Vor- und Nachteile hat der Nutri-Score gegenüber anderen in Europa gebräuchlichen Kennzeichnungssystemen? Der Nutri-Score ist das beste Nährwertkennzeichen, was wir aktuell haben. Er ist wissenschaftlich erarbeitet worden und schnitt im Vergleich zu anderen Kennzeichnungsmodellen am besten ab. Er wird laufend wissenschaftlich und unabhängig überprüft, er ist farblich unterlegt und bietet Verbraucher:innen nachweislich in ihrer Einkaufssituation Orientierung. Verbraucher:innen hilft er innerhalb einer Produktkategorie, Lebensmittel miteinander zu vergleichen und die mit einer besseren Nährstoffzusammensetzung auszuwählen: Joghurt mit Joghurt oder Pizza mit Pizza. Für Unternehmen kann er ein Anreiz sein, die Rezepturen zu verändern und die Zusammensetzung ihrer Lebensmittel zu verbessern. Der Nutri-Score ist auch schon in mehreren Ländern in Europa etabliert. Auch eine Vielzahl an Unternehmen verwendet ihn. Was raten Sie Verbraucherinnen und Verbrauchern, um sich bestmöglich zu informieren? Da die Kennzeichnung mit dem Nutri-Score in Deutschland freiwillig ist und noch zu selten eingesetzt wird, ist der Vergleich von Produkten einer Kategorie daher nicht immer möglich. Wer gezielt auf einzelne Nährstoffe, wie zum Beispiel auf den Energieoder Zuckergehalt achten möchte, muss auch weiterhin auf das Zutatenverzeichnis und die Nährwertangaben auf der Verpackungsrückseite schauen. Das Gespräch führte Gabriele Prchala. Carolin Krieger, Referentin Ernährungspolitik vom Team Lebensmittel beim Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) Foto: Gert Baumbach - vzbv „Eine europaweit einheitliche Nährwertkennzeichnung ist seit Langem ausstehend.“

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