Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 1

74 | POLITIK UMFRAGE ZU INDIVIDUELLEN GESUNDHEITSLEISTUNGEN (IGEL) Riesiger Umsatz mit fragwürdigen Produkten Erstmals zeigt der IGeL-Report des Medizinischen Dienstes Bund, wie viel Geld GKV-Mitglieder für Selbstzahlerleistungen ausgeben. Der Markt ist riesig: Pro Jahr werden hier 2,4 Milliarden Euro Umsatz erwirtschaftet – mindestens. Und das obwohl der Nutzen einer IGeL wissenschaftlich oft nicht belegt ist. Zahnärztliche Leistungen bleiben im IGeLReport 2024 erneut außen vor. Der Medizinische Dienst Bund (MD-Bund) betont, dass der tatsächliche Umsatz, der mit Selbstzahlerleistungen erzielt wird, wahrscheinlich weitaus größer ist als 2,4 Milliarden Euro. Denn: Auch gesetzlich Versicherte unter 18 und über 80 Jahren nehmen IGeL in ärztlichen Praxen in Anspruch. Die wirtschaftliche Bedeutung des IGeL-Marktes sei demzufolge „enorm“. Beim Preis gebe es dabei große Unterschiede zwischen den einzelnen Selbstzahlerleistungen: Während die häufig verkaufte VitaminD-Bestimmung rund 30 Euro kostet, liegen komplexere Augenoperationen bei mehreren tausend Euro. Für den Bericht hat das Marktforschungsinstitut forsa 2.013 Personen im Alter von 18 bis 80 Jahren befragt. Als „besorgniserregend“ bezeichnete Prof. Dr. Jonas Schreyögg vom Lehrstuhl für Management im Gesundheitswesen der Universität Hamburg bei der Vorstellung des IGeL-Reports im Dezember in Berlin, „dass die meisten Patientinnen und Patienten viel zu wenig Wissen haben, um eine informierte Entscheidung für oder gegen eine IGeL treffen zu können“. So habe die Befragung gezeigt, dass zwei von drei Versicherten von der falschen Annahme ausgehen, es handele sich bei IGeL um medizinisch notwendige Leistungen, sagte Schreyögg, der den Report wissenschaftlich begleitet hat. Viele Versicherte denken, IGeL seien medizinisch notwendig Problematisch ist dabei laut dem Papier, dass IGeL in den Praxen zwar durchaus als Selbstzahlerleistungen benannt, oftmals jedoch „fälschlicherweise als medizinisch notwendige Leistungen verkauft werden, für die die Krankenkassen nicht aufkommen“. Dazu passt, dass nach Angaben des Reports über die Hälfte der Versicherten sagte, dass IGeL eine gesundheitsfördernde Ergänzung zu den Leistungen der GKV sind und wichtig für den Erhalt der Gesundheit. Dr. Stefan Gronemeyer, Vorstandsvorsitzender des MD-Bund, machte klar, dass aus Sicht seiner Organisation von Gesundheitsförderung keine Rede sein könne. Er verwies auf das Infoportal IGeL-Monitor, für das der Medizinische Dienst seit 2012 Selbstzahlerleistungen nach wissenschaftlichen Kriterien untersucht und bewertet. IGeL, deren Nutzen nicht durch wissenschaftliche Studien belegt sind oder bei denen Hinweise oder Belege für mögliche Schäden vorliegen, werden im IGeLMonitor mit „unklar“, „tendenziell negativ“ oder „negativ“ bewertet. „Die Gesamtbilanz der vom IGeL-Monitor bewerteten Angebote ist seit Jahren ausgesprochen ernüchternd“, betonte Gronemeyer. „30 der unter die Lupe genommenen Bewertungen schneiden mit 'negativ' oder 'tendenziell negativ' ab. Bei 23 weiteren Bewertungen ist das Ergebnis 'unklar'. Drei Leistungen werden mit 'tendenziell positiv' bewertet, keine einzige mit 'positiv'. Medizinisch zm115 Nr. 01-02, 16.01.2025, (72) „Medizinisch notwendig sind IGeL nie – auch wenn hin und wieder das Gegenteil behauptet wird.“ Dr. Stefan Gronemeyer, Vorstandsvorsitzender des MD-Bund Inanspruchnahme von IGeL nach Haushaltseinkommen und Schulbildung Haushaltseinkommen niedrig (unter 2.000,– EUR) mittel (2.000,– bis unter 5.000,– EUR) hoch (5.000,– EUR und mehr) Schulbildung Fragen: Bitte denken Sie nun an die letzten 12 Monate: Gab es während dieser Zeit ärztliche Leistungen, die Sie in einer Praxis in Anspruch genommen und für die Sie Geld gezahlt haben? Wie hoch ist Ihr monatliches Haushaltsnettoeinkommen? Welchen höchsten Schul-/Hochschulabschluss haben Sie? Basis: 1.794 gesetzlich Versicherte / Daten 26% 32% 40% 23% 33% 41% niedrig mittel hoch Ob Selbstzahlerleistungen genutzt werden, hängt auch mit dem Einkommen und der Schulbildung zusammen, hat der IGeL-Report 2024 herausgefunden. Foto: BARMER / eigene Darstellung

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