Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 3

zm115 Nr. 03, 01.02.2025, (114) 12 | ZAHNMEDIZIN Glashybride werden als kosteneffektive Option zur Restauration von bleibenden Molaren bezeichnet. Die Deutsche Gesellschaft für Zahnerhaltung (DGZ) und die Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) machen in ihrer aktuellen S3-Leitlinie klare Aussagen zur Verwendung von Kompositen, wenn auch mit unterschiedlichem Evidenzgrad [Wolff et al., 2024]. Demnach können im Seitenzahnbereich Kompositrestaurationen für die direkte Versorgung bei Klasse-I- und -II-Kavitäten verwendet werden, insbesondere auch bei Kavitäten mit Höckerersatz. Außerdem gilt: Adhäsiv befestigte Restaurationen sind gegenüber retentiv verankerten oder indirekten Alternativen zu bevorzugen. Im Frontzahnbereichsollenfür die Versorgung von Klasse-III- und -IV-Defekten ausschließlich direkte Komposite verwendet werden. Dafür spricht nicht zuletzt die Reparaturfähigkeit und die daraus folgende Möglichkeit zur Verlängerung des Überlebens der Restauration im Vergleich zu indirekten Veneers aus Keramik. Komposit kann darüber hinaus bei Klasse-V-Defekten zur Anwendung kommen. In diesem Fall sollten 2-Schritt-Self-Etch-, 3-Schritt-Etchand-Rinse-Adhäsivsysteme oder neuere Universaladhäsive verwendet werden. Die beiden Gesellschaften äußern sich ebenfalls zu Glasionomerzementen und halten sie vor allem bei kleinen bis mittelgroßen kautragenden Kavitäten (Klassen I und II) sowie im Zahnhalsbereich (Klasse V) für indiziert [DGZMK, 2024]. Daneben werden Kompomere als GIZ-Komposit-Kombinationswerkstoffe beschrieben, die besonders in der Kinderzahnheilkunde verbreitet sind. Bulkfill-Komposite – Füllung in einem Rutsch? Die aktuelle S3-Leitlinie löst die S1Leitlinie aus dem Jahr 2016 ab. Ein solches Update ist umso sinnvoller, da seither verschiedene zusätzliche Werkstoffe Einzug in die Füllungstherapie gehalten haben und sich die Innovationsdynamik tendenziell verstärkt. Ein Beispiel stellen Bulkfill-Komposite dar, die dank spezieller Zusätze (Füllstoffe, Photoinitiatoren) – statt der Inkrement-Technik – eine Füllung großer Kavitäten „in einem Rutsch“ erlauben (je nach Material bis zu vier oder fünf Millimeter). Immer wieder hat die Dentalforschung in Kombinationsmaterialien die Vorteile mehrerer Welten vereint, etwa die geringe Oberflächenrauigkeit und hohe Farbstabilität im Giomer (GIZ + Kompomer). Bei den aktuellen NanoHybrid-Ormoceren bildet Siliziumdioxid die chemische Basis sowohl für die Füllstoffe (Nano- und GlaskeramikFüllkörper) als auch – das ist das Neue – für die Harzmatrix. Ein Vorteil besteht in den Lichtstreuungseigenschaften und dem wiederum daraus resultierenden Chamäleoneffekt. Selbstadhäsive Komposit-HybridKunststoffe sind in der Lage, ohne die separate Applikation eines Adhäsivs die Haftung zwischen dem Füllungsmaterial und den Zahnhartsubstanzen herzustellen. Dabei kann es zu geringeren initialen Haftwerten kommen, was durch ein Quellen der Materialien unter Feuchtigkeitseinfluss kompensiert werden kann – ob teilweise oder ganz, das müssen einschlägige Untersuchungen zeigen. Offensichtlich ist, dass sich nicht ein einziges zahnfarbenes Füllungsmaterial als Amalgamersatz für alle Indikationen eignet. Für den Seitenzahnbereich sind nach den Ausführungen von Prof. Dr. Roland Frankenberger in einem aktuellen Webinar im Dezember 2024 Glasionomerzemente beziehungsweise Glashybride auf dem Stand von heute die Regelversorgung geworden [APW, 2024]. Sie sind dank ihrer chemischen Haftung selbstadhäsiv, dank ihrer verzögerten Fluorid-Freisetzung kariostatisch (vorteilhaft zum Beispiel bei Senioren), lassen sich recht einfach und schnell verarbeiten und auch in subgingivale Kavitäten einbringen. Dabei sind Glasionomerzemente im Kaulast-tragenden Seitenzahnbereich für Klasse-I-Füllungen zugelassen, Glashybride mit einem Coating für Klasse-I- und Klasse-II-Füllungen. Darüber hinaus gäbe es noch die Glas-Carbomere (allerdings wenig verbreitet), selbstadhäsive Komposite (nur für Klasse I) und Komposit-Hybride (werkstofflich beschrieben, aber zurzeit nicht kommerziell erhältlich). Die Alternative für ästhetische Füllungen stellen adhäsiv befestigte Komposite (oder Kombinations-Materialien mit Kompositanteil) mit Mehrkostenvereinbarung dar. Laut Frankenberger stützt die vorhandene Evidenz Komposit in der Schichtung in 2-MillimeterInkrementen und in 4-Millimeter-Inkrementen ebenso wie Kompomer und Giomer in 2-Millimeter-Schichtung. Geringer sei die Evidenz für BulkfillKomposite, die in größerer Stärke „in einem Rutsch“ eingebracht werden. Sie bergen aber womöglich noch ein größeres Potenzial, ebenso wie AlkasitBulkfill. Ausdrücklich unterscheidet Prof. Frankenberger zwischen Evidenz („funktioniert erwiesenermaßen“) und Potenzial („gegebenenfalls große Zukunft, Forschung für höheren Evidenzgrad wünschenswert“). Und wie werden die Materialien weiterentwickelt werden? – Frankenberger fügte im Webinar als „take home message“ hinzu: „Es hängt von Ihnen ab, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie stimmen mit den Füßen ab und entscheiden am Ende, welche Materialien eingesetzt werden. Damit verfügen Sie über eine größere Macht über die Zukunft, als wir sie an den Universitäten haben.“ „ ZM-LESERSERVICE Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion angefordert werden. Dr. Christian Ehrensberger Schwanthalerstr. 27, 60594 Frankfurt am Main cu_ehrensberger@web.de Foto: privat

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