62 | ZAHNMEDIZIN ZUVERLÄSSIGE REHABILITATION VON KINDERN UND JUGENDLICHEN MIT ZAHNVERLUST Das Zwei-Phasen-Transplantationskonzept (ZPTX-Konzept) Sophie Esmaty, Tanja Rupprecht, Dirk Nolte Die klinische Behandlung eines traumatischen Zahnverlusts bei Kindern und Jugendlichen ist eine besondere zahnmedizinische Herausforderung. Das von Prof. Nolte, Koautor dieses Beitrags, entwickelte ZPTX-Konzept bezeichnet die zeitlich aufeinanderfolgende Milchzahn- und Prämolaren-Transplantation. Die Anwendung des Konzepts ermöglicht die zeitnahe Wiederherstellung von Funktion und Ästhetik nach Zahnverlust und fördert das weitere Wachstum des Kiefers. Bis zu zehn Prozent aller Zahntraumata führen zum Verlust eines Zahnes [Andreasen et al., 2009; Bae et al., 2010]. Die Prognose avulsierter und replantierter Zähne ist entscheidend abhängig von der extraoralen Lagerungszeit und -art des avulsierten Zahnes und aktuell mit einer durchschnittlichen Fünf-JahresÜberlebensrate von circa 50 Prozent nach wie vor ungünstig [Leitlinie Therapie des dentalen Traumas bleibender Zähne, 2022]. Da Zahnverletzungen der anterioren Schneidezähne sowohl im Milch- und frühen Wechselgebiss als auch im späten Wechselgebiss am häufigsten auftreten (Abbildung 1), haben wir ein Konzept entwickelt, mit dem die kleinen Patienten in beiden Altersgruppen zuverlässig und zeitnah ästhetisch und funktionell rehabilitiert werden können [Nolte et al., 2017]. Da in beiden Phasen des Zahnverlusts individuell behandelt werden kann, haben wir die Methode als Zwei-Phasen-Transplantationskonzept (ZPTX) bezeichnet. Im Fall des Verlusts eines permanenten oberen Schneidezahns im Milchund frühen Wechselgebiss werden die noch vorhandenen Milchzähne, vorzugsweise die Milcheckzähne, als mögliche autogene Zahntransplantate für den Ersatz der oberen zentralen Schneidezähne verwendet (Phase I: Milchzahntransplantation). Sollte der Zahnverlust im späten Wechselgebiss (Phase II) stattgefunden haben, so stehen Milchzahntransplantate aufgrund ihrer natürlichen Exfoliation nicht mehr zur Verfügung. In diesem Fall wird die Technik der autogenen Prämolarentransplantation als eine seit vielen Jahrzehnten bewährte Therapie mit ausgezeichneten Überlebens- und Erfolgsraten angewandt [Andreasen et al., 1990; Andreasen et al., 2009; Louropoulou et al., 2023]. Aus klinischer Sicht ist es daher wichtig, beim traumatischen Verlust eines bleibenden mittleren Schneidezahns diese beiden Therapieoptionen in die differenzialdiagnostischen Überlegungen einzubeziehen (Abbildung 1). Beide Verfahren stellen (im jeweiligen Zeitfenster) einen zuverlässigen biologischen Ansatz dar, der auf der natürlichen Erhaltung des umliegenden Gewebes (Knochen und Weichgewebe) beruht. Sowohl für die MilchzahnTransplantation als auch für die Prämolaren-Transplantation liegen ausreichend Daten vor, die belegen, dass das vertikale Wachstum von Knochen und Weichgewebe im Vergleich zur Nachbarbezahnung zuverlässig weiterentwickelt werden kann [Tschammler et al., 2014; Michl et al., 2017; Hoss et al., 2021]. Während die Milchzahntransplantation eine temporäre Überbrückungsmaßnahme [Krastl et al., 2022] bis zur definitiven Versorgung der Zahnlücke darstellt, gilt die Prämolaren-Transzm115 Nr. 03, 01.02.2025, (164) Traumainzidenz im Milch- und im Wechselgebiss Phase I Milchgebiss Wechselgebiss Wechselgebiss frühes spätes Phase II Inzidenz (%) Alter (Jahre) 0 2 4 6 8 10 12 14 16 12 10 8 6 4 2 0 Abb. 1: Traumainzidenz im Milch- und im Wechselgebiss nach [Nolte et al., 2017]: Die vertikale blaue, gestrichelte Linie trennt die sogenannte Phase I (Milch- und frühes Wechselgebiss), bis zu der die autogene Transplantation von Milchzähnen als bevorzugt temporäre Therapie empfohlen wird, von der rechts davon liegenden Phase II, ab der dann die autogene Transplantation von Prämolaren als permanente (lebenslange) Therapie empfohlen wird. Foto: nach [Nolte et al., 2017]
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