30 | POLITIK UMFRAGE UNTER ÜBER 21.000 MEDIZINERINNEN UND MEDIZINERN Jede zweite Ärztin in Frankreich ist Opfer sexueller Gewalt Jede zweite Ärztin in Frankreich gibt an, während ihres Studiums oder ihrer beruflichen Laufbahn Opfer sexistischer oder sexueller Gewalt gewesen zu sein. Das zeigt eine große Umfrage der Französischen Ärztekammer. Die Französische Ärztekammer (Le Conseil national de l’Ordre des médecins, CNOM) hat eine umfassende Untersuchung zu geschlechtsspezifischer und sexueller Gewalt im medizinischen Umfeld durchgeführt, an der sich insgesamt 21.040 Ärztinnen und Ärzte beteiligten. Die Befragung offenbart, dass es sexistische und sexuelle Gewalt sowohl im Studium als auch im gesamten Berufsleben gibt. Die meisten Übergriffe passieren im Studium 65 Prozent der berufstätigen Ärzte sagten, dass sie sexuelle Gewalt im medizinischen Berufsalltag kennen. 49 Prozent der befragten Ärztinnen gaben an, selbst Opfer sexistischer oder sexueller Gewalt durch einen anderen Arzt geworden zu sein. 54 Prozent der Befragten sind auf sexuelle oder sexistische Gewalt aufmerksam geworden, die von einem anderen Arzt, zwischen Patient, medizinischem Fachpersonal oder einer anderen Person begangen wurde. 29 Prozent der Ärzte gaben an, Opfer gewesen zu sein, die meisten davon in ihrer Studienzeit, mit einem sehr starken Übergewicht weiblicher Betroffener. Von den 139 Ärztinnen, die angaben, während ihres Studiums Opfer einer Vergewaltigung geworden zu sein, beschuldigten 47 Prozent einen anderen Studenten. 69 Prozent der Ärzte, die Opfer von Missachtung sind, beschuldigen einen Lehrer oder einen Vorgesetzten. Bei sexueller Belästigung liegt dieser Anteil bei 63 Prozent. Angegriffen wurden auch hier zumeist Frauen. 49 Prozent der Taten entfielen auf sexistische und sexuelle Beleidigungen, 18 Prozent auf sexuelle Belästigung, 9 Prozent auf sexuelle Übergriffe und 2 Prozent auf Vergewaltigungen. Dabei ging die Gewalt zu einem erheblichen Teil von in der Kammer registrierten Ärzten aus. Der Großteil der Gewalt werde während der „Studentenlaufbahn“ und in geringerem Maß im beruflichen Umfeld verübt. 26 Prozent der Ärzte berichten, dass sie ein anderer Arzt sexuell bedrängt, genötigt oder missbraucht habe. Am stärksten betroffen sind Frauen: 49 Prozent der berufstätigen Ärztinnen im Vergleich zu 3 Prozent der Männer. Die Umfrage zeigt auch erhebliche Wissenslücken zu verfügbaren Hilfeleistungen und strafrechtlichen Sanktionen im Zusammenhang mit diesen Straftaten. Nur 28 Prozent der Ärzte gaben an, zu wissen, welche Hilfe den Opfern zur Verfügung steht. Drei von vier Ärzten geben an, dass sie mehr Informationen benötigen. Während die Sanktionen im Zusammenhang mit Vergewaltigung relativ gut bekannt sind, sind Strafen im Zusammenhang mit anderen Sexualdelikten nach wie vor weitgehend schlecht dokumentiert. Die Taten werden nach wie vor selten angezeigt Trotz der Ernsthaftigkeit des Sachverhalts wird der Kammer zufolge nämlich nur selten Anzeige erstattet. Die Umfrage zeigt die größten Hindernisse bei der Meldung von Gewalttaten auf: Viele Betroffene haben Angst, dass ihre Vorgesetzten ihnen nicht glauben, sie befürchten negative Konsequenzen für die Karriere oder kämpfen mit Schamgefühlen. Was die Institutionen betrifft, bestehe oft Unwissenheit über die zu befolgenden Schritte, Misstrauen oder sogar der Eindruck, dass die Kammer tatenlos zuschaut. Die Angst kommt nicht von ungefähr: Dem Barometer zufolge waren 15 Prozent der Ärzte nach dem Anzeigen einer solchen Tat von einer beruflichen Diskriminierung betroffen. Unter ihnen nannten 28 Prozent, dass sie eine Stelle nicht bekamen oder plötzlich mit Aufstiegshindernisse zu kämpfen hatten, 23 Prozent mussten einen Abteilungswechsel oder eine erzwungene Versetzung hinnehmen, 21 Prozent Spott, Demütigung, Verurteilung, Stigmatisierung und 20 Prozent wurden sogar entlassen. Zwei Drittel der befragten Ärztinnen und Ärzte gaben an, dass sie sexuelle Gewalt im medizinischen Berufsalltag kennen. Foto: IHERPHOTO-stock.adobe.com zm115 Nr. 04, 16.02.2025, (224)
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