68 | ZAHNMEDIZIN Am ersten postoperativen Tag wurde der Patient tracheotomiert und das Debridement komplettiert. Dies beinhaltete eine Exenteratio orbitae mit Entfernung des rechten Jochbeins sowie des kompletten Nasenseptums. Die initial begonnene antimykotische Therapie wurde, nach histopathologischer Bestätigung der Mukormykose, mit Voriconazol ergänzt. Trotz der radikalen Operation und hochdosierter systemischer Therapie zeigte sich eine fortschreitende Nekrotisierung mit sichtbaren Pilzkolonien (Abbildung 6). Daher fiel am dritten Tag nach Initialvorstellung die Entscheidung zu einem Revisionseingriff, bei dem die Nase und die rechte Wange reseziert sowie die Stirnhöhle und die Fossa pterygopalatina ausgeräumt wurden (Abbildung 7). Aber auch durch diese Maßnahmen konnte keine sichere Sanierung des Situs erreicht werden. Bei anzunehmender Infiltration der Schädelbasis erschien ein weiteres Debridement und somit eine kurative Behandlung nicht mehr möglich. Nach einer interdisziplinären Besprechung unter Einbeziehung der EthikKommission wurde die Therapiezieländerung auf eine Palliation in tiefer Sedierung beschlossen. Der Patient verstarb sieben Tage nach seiner Ankunft in der Notaufnahme auf der Intensivstation des Klinikums. Diskussion Als Mukormykose wird eine seltene, aber potenziell lebensbedrohliche Pilzinfektion bezeichnet, die durch eine Gruppe von Schimmelpilzen der Ordnung Mucorales verursacht wird. Mucor, Rhizopus und Lichtheimia als Vertreter dieser Familie sind für mehr als 90 Prozent der Fälle verantwortlich [Alqarihi et al., 2023]. Pilze finden sich ubiquitär und haben in unserem Ökosystem eine entscheidende Rolle beim Abbau organischer Abfälle und dienen als Nährstofflieferanten. Pilze der Mucorales-Familie wurden bereits im 19. Jahrhundert beschrieben und besitzen die Eigenschaft, lytische Enzyme wie Amylasen, Lipasen und Proteasen zu bilden. Darüber hinaus besitzen einige Vertreter dieser Gattung die Fähigkeit, pharmakologisch wirksame Substanzen wie Steroide oder Terpenoide zu produzieren [Morin-Sardin et al., 2017]. Mucorales-Pilze können sich sowohl sexuell als auch asexuell fortpflanzen. Bei sexueller Vermehrung werden durch die Pilze zunächst Gameten gebildet, aus deren einfachen Chromosomensatz bei Verschmelzung mit einer anderen Gamete ein doppelter Chromosomensatz entsteht. Die Folge ist eine Neukombination des Erbguts. Asexuelle Vermehrung entsteht durch die Bildung von Sporen, die sich lediglich im Entstehungsprozess und ihrer Form unterscheiden. Die Inhalation von Sporen aus der Umgebung kann zu einer Pilzbesiedelung im rhino-orbitalen oder im pulmonalenBereichführen.EineEinwanderung in den Organismus kann auch über größere Wunden oder Hautdefekte erfolgen. Die Mukormykose zeichnet sich durch eine starke Gewebeinvasion mit Destruktion und Angioinvasion aus [Ben-Ami et al., 2009]. Nach der initialen Bindung der Sporen an epitheliale Rezeptoren erfolgt bereits wenige Stunden später die Zellinvasion mit anschließender Vermehrung der Pilzzellen innerhalb der Wirtszellen. Im Laufe der nächsten 48 Stunden erfolgt eine Destruktion der Wirtszellen mit der Folge, dass die Sporen und Hyphen in tiefere Gewebeschichten gelangen. Über eine Angioinvasion kann es es zu einer hämatogenen Verteilung der Pilzzellen in andere Organe kommen. Als Risikofaktoren für eine Mykose sind jegliche Zustände zu sehen, die mit einer Immunsuppression einhergehen, insbesondere Diabetes mellitus, maligne hämatologische Erkrankungen und stattgehabte Organtransplantationen. Allerdings können auch größere Wunden oder Verbrennungen bei immunkompetenten Patienten zu einer Pilzinfektion führen. Die Inzidenz dieser Erkrankung beträgt in Europa je nach Datenlage und Nation zwischen 0,06 und 0,3 Fällen pro 100.000 Einwohnern [Skiada et al., zm115 Nr. 04, 16.02.2025, (262) Abb. 6: Progrediente Nekrotisierung Abb. 5: Situs nach Exenteratio und Jochbeinresektion Fotos: Evangelisches Klinikum Düsseldorf
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